Liquiditätskrise: Wege zwischen Sanierung und Konkurs

Die Frage: «Sanierung oder Konkurs? Handlungsspielräume für KMU in der Liquiditätskrise», ist für Schweizer KMU hochrelevant, weil Liquiditätskrisen derzeit eine der zentralen Bedrohungen für deren Überleben darstellen. So ist die Zahl der Insolvenzen in den letzten Jahren deutlich gestiegen und erreicht 2025 durchschnittlich 55 Firmenpleiten pro Werktag als neuen Höchststand an Konkursen in der Schweiz, wobei diese Problematik vor allem die KMU betrifft (Creditreform Schweiz, 2025).

04.12.2025 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Liquiditätskrise

Hintergrund

Gerade für KMU, die oft von Einzelereignissen wie Kundenverlust, Lieferkettenproblemen oder zu schnellem Wachstum überrascht werden, ist das Wissen um die Handlungsmöglichkeiten im Falle einer Liquiditätskrise entscheidend. Ein fundiertes Verständnis der Optionen «Sanierung» versus «Konkurs» ermöglicht es, frühe Warnzeichen zu erkennen, Schadensbegrenzung zu betreiben und gezielt alle rechtlichen sowie wirtschaftlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Zudem hängen Arbeitsplätze, regionale Wertschöpfung und oft auch die Altersvorsorge der Unternehmer direkt an der erfolgreichen Krisenbewältigung.

Begriffe und Fakten zu Sanierung und Konkurs

Unter einer Sanierung wird verstanden, ein Unternehmen mit Restrukturierungsmassnahmen – finanziell, organisatorisch oder operativ – wieder auf eine tragfähige Basis zu stellen und so die Fortführung des Unternehmens zu erreichen.

Meier-Mazzucato (2021) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beim Begriff Sanierung eine enge und eine weite Fassung unterschieden werden können: Sanierung im weiteren Sinn bezeichnet «alle bilanziellen, finanziellen und organisatorischen Massnahmen zur Wiederherstellung des durch Verluste angegriffenen Eigenkapitals einer Unternehmung». Dagegen wird eine Sanierung im engeren Sinn von ihm als «die Gesamtheit der finanziellen Massnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts eines Unternehmens verstanden».

Der Begriff Konkurs geht zurück auf das lateinische Wort Concursus, was so viel wie «Zusammenlauf» bedeutet und das Zusammenkommen der Gläubiger eines konkursiten Unternehmens zum Zweck der gerichtlichen Aufteilung vorhandener Vermögenswerte dieses Unternehmens beschreibt. Das vom Konkurs betroffene Unternehmen wird damit «abgewickelt», das heisst, seine Vermögenswerte werden verkauft und Gläubiger nach vorgegebener gesetzlicher Rangfolge befriedigt.

In der Schweiz ist die Definition des Konkurses jedoch nicht an einer einzelnen Stelle im Gesetz zu finden, sondern leitet sich aus verschiedenen Artikeln des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) her. Es handelt sich um ein Vollstreckungsverfahren, bei dem das gesamte pfändbare Vermögen einer Person oder eines Unternehmens zur Deckung der Schulden verwertet wird. Das Gesetz legt fest, dass «sämtliches pfändbares Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Konkurseröffnung gehört, gleichviel wo es sich befindet, eine einzige Masse (Konkursmasse) bildet, die zur gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger dient». Das bedeutet, dass nicht nur einzelne Vermögenswerte gepfändet werden, sondern das gesamte Vermögen des Schuldners zugunsten aller Gläubiger verwertet wird (Art. 197 Abs. 1 SchKG).

Zudem gilt, dass mit einer Konkurseröffnung der Schuldner regelmässig das Recht verliert, über sein Vermögen zu verfügen. Es steht nun unter Konkursbeschlag. Die Verwaltung und Verwertung des Vermögens wird von der Konkursverwaltung übernommen. Damit ist der Konkurs für jedes Unternehmen gleichbedeutend mit dem Verlust an Unabhängigkeit und unternehmerischer Entscheidungsautonomie. Am Ende des Konkurses steht allzu häufig die Liquidation, im Sinne der Abwicklung und Löschung des Unternehmens.

Die Entscheidung zwischen Sanierung und Konkurs ist somit eine Entscheidung am Scheideweg jeden Unternehmens und hängt von dessen Zukunftsfähigkeit oder der Antwort auf die Frage ab, ob eine nachhaltige Fortführung realistisch ist oder nicht.

Ein Konkurs wird nicht willkürlich eröffnet. Es gibt klar definierte Wege, die zu einem Verfahren führen können:

  • durch einen Gläubiger: Nach erfolgloser Betreibung stellt der Gläubiger beim Gericht ein Konkursbegehren.
  • durch den Schuldner: Der Schuldner erklärt sich selbst für zahlungsunfähig (Insolvenzerklärung).
  • von Gesetzes wegen: z.B. bei Überschuldung einer AG oder GmbH (Art. 725 OR), wenn das Gericht benachrichtigt wird

Beide Wege – Sanierung oder Konkurs – werden typischerweise dann relevant, wenn eine Liquiditätskrise das Geschäftsmodell oder die Finanzierung des Unternehmens akut gefährdet.

Relevante Faktoren für die Entscheidung

Die Entscheidung zwischen Sanierung und Konkurs wird in der Praxis häufig durch eine vorausgehende Liquiditätskrise ausgelöst, deren Ursachen sowohl finanzieller wie auch operativer Natur sein können. Die Aufstellung zeigt die zentralen Kriterien, die im Rahmen eines Entscheidungsmodells zu prüfen sind.

a) Finanzielle Faktoren

  • aktuelle Liquidität und kurzfristige Zahlungsfähigkeit
  • Verschuldungsgrad und Verhandlungsspielraum mit Gläubigern
  • Zugang zu neuen Finanzierungsmitteln (Bankkredite, Eigenkapitalgeber, stille Reserven)

b) Operative Faktoren

  • Marktstellung: Hat das Unternehmen noch Wettbewerbsvorteile oder Alleinstellungsmerkmale?
  • Auftragslage und Kundenbindung: Ist Nachfrage vorhanden?
  • Kostenstruktur und mögliche Effizienzsteigerungen

c) Rechtliche und institutionelle Faktoren

  • Vorgaben des Schweizer Obligationenrechts (Art. 725 ff. OR, Überschuldung, Kapitalverlust)
  • Pflicht zur Überschuldungsanzeige beim Gericht durch den Verwaltungsrat
  • Sanierungsinstrumente wie Nachlassverfahren, Debt-to-Equity-Swaps oder Schuldenschnitte

d) Externe Faktoren

  • Konjunkturlage und Branchenentwicklung
  • Zinsniveau und Finanzierungskosten
  • Lieferkettenstabilität, Energiekosten, Regulierung

Kriterien für die Sinnhaftigkeit einer Sanierung

Die folgende Gegenüberstellung zeigt anhand ausgewählter Kriterien, unter welchen Voraussetzungen welche der beiden Entscheidungsoptionen jeweils die bessere Alternative darstellt:

KategorieArgumente für SanierungArgumente für Konkurs
Steuerbarkeit und Strategiewenn die Ursachen der Krise temporär oder steuerbar sind (z.B. Effizienzdefizite, Kostenprobleme, Marktanpassungen)wenn strukturelle Marktprobleme bestehen (z.B. Produkt nicht mehr nachgefragt, technologische Disruption) und keine wettbewerbsfähige Strategie mehr existiert
Verhältnis zu Gläubigern / Stakeholdernwenn die Gläubiger kooperationsbereit sind und Restrukturierungsmassnahmen mittragenwenn Vertrauen bei Banken, Investoren oder Lieferanten irreparabel verloren ist
Zukunftsfähigkeitwenn die Prognose plausibel zeigt, dass ein profitabler Geschäftsbetrieb wieder möglich istwenn die Verschuldung so hoch ist, dass selbst eine Umschuldung keine Entlastung bringt

Entscheidungsmodell mit Ampel-Logik

Das folgende Entscheidungsmodell dient mithilfe zentraler Kritierien zur Klärung der Fragestellung, ob Sanierung oder Konkurs die bessere Option ist. Dabei gilt die Ampel-Logik in Verbindung mit einer Punktbewertung:

Grün (sanierungsfähig):
Mehrheit der Kriterien ≥ 3 Punkte, Folge: klare Perspektive für Restrukturierung.

Gelb (kritisch, Übergangszone):
Kriterien mehrheitlich bei maximal 3 Punkten, Folge: Sanierung nur bei entschlossenen Massnahmen und Kooperationsbereitschaft möglich.

Rot (konkursnahe Situation):
Mehrere Kriterien nur 1 Punkt, insbesondere Liquidität, Gläubigerkooperation und Marktstellung, Folge: keine Sanierung, sondern Konkurs.

Jede der vier Dimensionen enthält Kriterien, die in einem Scoring-System bewertet werden (z.B. 1 = schlecht, 3 = mittel, 5 = gut).

Beispiel:

Ein mittelgrosses Bauunternehmen sieht sich im Entscheidungszeitpunkt der folgenden Situation ausgesetzt:

  • Liquidität reicht nur noch 2 Monate -> 1 Punkt, rot
  • hoher Verschuldungsgrad -> 3 Punkte, gelb
  • starke regionale Marktstellung -> 5 Punkte, grün
  • offene, aber vorsichtige Bank -> 3 Punkte

→ Gesamtscore: überwiegend gelb, jedoch rot bei Liquidität → Folge: Konkursgefahr hoch, Sanierung nur durch externe Mittel (Investoren/Gläubigerverzicht) möglich.

Auch in der aktuell stärker werdenden Konkursentwicklung in der Schweiz verdeutlicht das Modell die Gründe, warum manche KMU noch sanierungsfähig sind und andere nicht – oft entscheidet die Frühzeitigkeit der (Sanierungs-)Massnahmen.

Praxisbeispiele zur Einordnung anhand des Entscheidungsmodells

Fall: Erfolgreiche Sanierung

Ausgangslage:

Bäckerei Müller AG ist eine traditionelle Bäckerei in einer mittelgrossen Schweizer Stadt. In den letzten Jahren zeigt sich ein immer deutlicher werdender Umsatzrückgang durch Konkurrenz von Grossverteilern bei steigenden Betriebskosten.

Analyse anhand des Entscheidungsmodells:

  • Finanzen: Liquidität knapp (3 Monate, gelb), Verschuldung tragbar (grün), Banken verhandlungsbereit (gelb).
  • Operativ: treue Kundschaft in der Region (grün), Kostenstruktur verbesserungswürdig (gelb).
  • Rechtlich: kein Kapitalverlust (grün), Gläubiger gesprächsbereit (grün).
  • Extern: Energiepreise hoch (rot), aber Nachfrage nach regionalen Produkten steigt (grün).

Entscheidung: Sanierung. Umsetzung über Massnahmen wie z.B.:

  • Investition in energieeffiziente Backöfen
  • Sortimentserweiterung (glutenfreie und regionale Produkte)
  • Kooperation mit lokalen Restaurants

Fall: Konkurs unausweichlich

Ausgangslage: Druckerei PrintPro GmbH ist eine mittelgrosse Druckerei in der Westschweiz. Sie ist stark abhängig von einem Grosskunden und hat zuletzt hohe Investitionen in Maschinen tätigen müssen.

Analyse anhand des Entscheidungsmodells:

  • Finanzen: Liquidität 1 Monat (rot), hohe Verschuldung (rot), keine Finanzierung möglich (rot).
  • Operativ: Marktstellung geschwächt, Printvolumen sinkt strukturell (rot).
  • Rechtlich: Kapitalverlust, Überschuldung angezeigt (rot).
  • Extern: Branche im Niedergang durch Digitalisierung (rot).

Entscheidung: Konkurs. Gründe dafür sind:

  • keine Aussicht auf Restrukturierung, da Nachfrage langfristig schrumpft
  • Konkursabwicklung im Einvernehmen mit Gläubigern, Mitarbeitende finden teils Anschluss in Digitalagenturen

Fall: Kritische Zone, Sanierung nur bedingt

Ausgangslage: Bauunternehmung Stein & Partner gehört zur Branche Bauhauptgewerbe und leidet seit etwa 2–3 Jahren unter steigenden Materialpreisen und Fachkräftemangel.

Analyse anhand des Entscheidungsmodells:

  • Finanzen: Liquidität 4 Monate (gelb), Verschuldung hoch, aber noch tragbar (gelb).
  • Operativ: Marktstellung regional solide (grün), Kostenstruktur schwer anpassbar (rot).
  • Rechtlich: Kapitalverlust, aber Nachlassverfahren möglich (gelb).
  • Extern: Baukonjunktur unsicher (gelb), Zinsen hoch (rot).

Entscheidung: Übergangsbereich (gelb)

  • nur mit einschneidenden Massnahmen sanierungsfähig, wie z.B. Joint Venture mit einem Mitbewerber, Fokussierung auf Renovations- und Energiesanierungsmarkt

Fazit

Die Frage danach, ob Sanierung oder Konkurs im Rahmen einer Unternehmenskrise die bessere Entscheidungsoption darstellt, ist überaus praxisrelevant und adressiert die reale Handlungsnotwendigkeit für zahlreiche Schweizer KMU in einer von Unsicherheit und steigenden Risiken geprägten Wirtschaftslage. In vielen Fällen steht am Anfang der Krise eine Liquiditätskrise, die rasches Handeln und eine strukturierte Analyse der Handlungsoptionen erfordert.

So stehen viele Gastronomie- und Bauunternehmen heute ähnlich wie im vorhergehenden Beispiel (6.3) da: Eine Sanierung ist grundsätzlich möglich, aber nur mit einschneidenden Anpassungsmassnahmen.

Die Branchen Detailhandel und Druckereien hingegen erleben oft strukturelle Schrumpfung (wie im Beispiel 6.2) – hier ist der Konkurs die logische und zumeist unvermeidbare Folge.

In handwerklichen und spezialisierten Branchen (siehe Beispiel 6.1) können Sanierungen vor allem dann erfolgreich gelingen, wenn Nischenmärkte und regionale Nachfrage genutzt werden.

Die Entscheidung zwischen Sanierung und Konkurs ist zugleich eine hochkomplexe Abwägung. Sie verlangt eine systematische Analyse von finanziellen, operativen, rechtlichen und externen Faktoren. Gerade vor dem Hintergrund steigender Konkurszahlen in der Schweiz ist die Frage aktueller denn je – und sie unterstreicht die Bedeutung von Frühwarnsystemen, proaktiver Restrukturierung und guter Governance. Abschliessend gilt, dass eine erfolgreiche Sanierung erfordert, dass auch das gewählte Vorgehen aufgrund der Vielschichtigkeit des Problems sowie der verschiedenen Abhängigkeiten klar und strukturiert erfolgt (Meier-Mazzucato, 2021).

Quellenverzeichnis

Böckli, P. (2021): Schweizer Aktienrecht mit Sanierungskommentar. Basel: Helbing Lichtenhahn.

Bundesamt für Statistik (BFS) (2025): Unternehmenskonkurse und -gründungen: Monats- und Quartalsstatistik. Bern.

Creditreform Schweiz (2025): Presseletter 05-2025, 9. September 2025, online: www.creditreform.ch

Dun & Bradstreet Schweiz (2025): Konkurs- und Gründungsstatistik Q1/Q2 2025. Zürich.

Kuster, J. & Lippuner, S. (2020): Sanierung von Unternehmen in der Schweiz: Rechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte. Zürich: Schulthess.

Meier-Mazzucato, G. (2021): Die Sanierung. In: Sprecher, T.: Die aktienrechtliche Sanierung. 11. Fachtagung Sanierung und Insolvenz von Unternehmen, Tagungsband 2020, Zürich. DOI: https://doi.org/10.36862/eiz-364

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