Fremdfinanzierung: Steuerfallen gezielt vermeiden

Passende Arbeitshilfen
Gewinn- und Einkommensteuern
Für das Unternehmen, welches als Schuldner eine Fremdfinanzierung in Form eines Darlehens aufnimmt, stellen die Zinsaufwendungen, welche an die Kapitalgeber zu zahlen sind, grundsätzlich steuerlich abzugsfähigen Geschäftsaufwand dar, wodurch sich der steuerbare Reingewinn reduziert. Dieser steuerliche Vorteil ist für ein Start-up aber selten nutzbar, da in der Aufbauphase meist noch keine Gewinne erzielt und versteuert werden müssen – so erhöhen die Darlehenszinsen in der Startphase oft einzig die Verluste. Sofern das Unternehmen aber in den nachfolgenden sieben Geschäftsjahren Gewinne erzielt, können die Verluste mit diesen Gewinnen verrechnet werden, und die Steuerlast reduziert sich entsprechend. Das Darlehen selbst qualifiziert grundsätzlich als Fremdkapital und schmälert so das steuerbare Eigenkapital des Unternehmens. Unternehmen oder natürliche Personen als Gläubiger, welche ein Darlehen gewähren, müssen die Zinseinnahmen als Einkommen versteuern. Für sie ist das Darlehen eine Finanzlage, welche sie im Vermögen oder Kapital versteuern müssen.
Finanzierung durch Nahestehende
Zulässige Zinssätze
Wird die Fremdfinanzierung in Form eines Darlehens von Personen gewährt, welche dem Start-up nahestehen, also von Gründern, Gesellschaftern oder verbundenen Unternehmen, muss grundsätzlich vom Start-up nachgewiesen werden können, dass der vereinbarte Zinssatz marktkonform ist bzw. einem Drittvergleich standhält. Dazu können mit Banken abgeschlossene Finanzierungen oder Verrechnungspreisstudien hinzugezogen werden – Bankofferten, welche zu keinem Vertragsabschluss geführt haben, genügen nicht. In innerschweizerischen Verhältnissen kann zudem auf die jährlich von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) publizierten steuerlich anerkannten Zinssätze für Vorschüsse oder Darlehen in Schweizer Franken bzw. Fremdwährungen, die sogenannten Safe-Haven-Zinssätze abgestützt werden (vgl. Zinssätze der Verrechnungssteuer | ESTV). Wichtig zu beachten ist, dass diese Safe-Haven-Zinssätze nur für die Steuerbehörden in der Schweiz bindend sind.
Gemäss dem in diesem Jahr dazu publizierten Leitentscheid des Bundesgerichts sind die Schweizer Steuerbehörden nur dann an die von der ESTV publizierten Mindest- und Höchstzinssätze gebunden, wenn sich ein Unternehmen selbst an diese Zinssätze hält (9C_690/2022 vom 17. Juli 2024). Halten sich verbundene Unternehmen oder Personen im Rahmen ihrer Fremdfinanzierung nicht an die Safe-Haven- Zinssätze, dürfen Steuerbehörden die Höhe des marktkonformen Zinssatzes auf andere Art und Weise festlegen, wobei aber auch die Steuerbehörden stets den Drittvergleich nachweisen müssen.
Nicht marktkonforme Zinssätze
Werden die Safe-Haven-Zinssätze nicht eingehalten, oder gelingt der Nachweis der Marktkonformität nicht, so erfolgt eine teilweise oder vollständige Umqualifizierung der Zinszahlung in eine sogenannte verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Differenz zwischen dem bezahlten und dem marktkonformen Zins.
Folgen bei der Verrechnungssteuer
Wird eine Zinszahlung ganz oder teilweise in eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert, wird diese steuerlich wie eine Dividendenzahlung behandelt. Das bedeutet, dass die Zahlung beim Unternehmen steuerlich nicht abzugsfähig ist und der Verrechnungssteuer von 35% unterliegt. Das Unternehmen muss auf der Differenz zwischen bezahlten und dem steuerlich akzeptierten Zins die Verrechnungssteuer an die ESTV zahlen und diese auf die Kreditgeber überwälzen. Ist eine Überwälzung auf die Gläubiger nicht möglich, so wird aus Sicht der ESTV angenommen, dass der an die Gläubiger bezahlte Zins bereits nach Abzug der Verrechnungssteuer, also netto (65%), erfolgte. Der effektiv bezahlte Zins wird als Nettoleistung betrachtet und mit folgender Formel zum Bruttozins (100%) aufgerechnet:
Bruttozins = effektiv bezahlter Zins / 65 × 100
Dies führt dazu, dass sich die vom Start-up geschuldete Verrechnungssteuer auf ca. 54 % des bezahlten Zinses erhöht. Eine solche Aufrechnung ins Hundert ist damit unbedingt zu vermeiden, da dadurch die Kosten der Fremdfinanzierung massiv steigen – was ein Start-up rasch in Liquiditätsschwierigkeiten bringen kann.
Juristische und natürliche Personen mit Sitz in der Schweiz können die Verrechnungssteuer voll zurückfordern bzw. an ihre geschuldeten Steuern anrechnen lassen. Juristische und natürliche Personen mit Sitz im Ausland können die Verrechnungssteuer nur dann vollständig oder oft sogar nur teilweise zurückfordern, wenn die Schweiz mit dem jeweiligen Sitzstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat.
Folgen bei der Gewinn- und Einkommenssteuer
Die Anteilseigner des Start-ups müssen eine verdeckte Gewinnausschüttung analog einer Dividende anteilsmässig mit der Gewinn- bzw. Einkommenssteuer versteuern, auch wenn der Zins nicht an sie, sondern an eine nahestehende Person bzw. Unternehmung bezahlt wurde (sog. Dreiecks-Theorie). Haben die Anteilseigner den Zins erhalten, wird der Zinsertrag bei diesen steuerlich in Beteiligungsertrag umqualifiziert.
Verdecktes Eigenkapital
Bei der Gewährung einer Fremdfinanzierung durch nahestehende Gesellschaften oder Personen muss auch geprüft werden, ob eine unabhängige Drittperson dem Start-up einen Kredit gewähren würde. Insbesondere darf das Start-up nicht unterfinanziert sein. Zur Feststellung des notwendigen Mindesteigenkapitals stützen sich die Schweizer Steuerbehörden auf die von der ESTV in deren Kreisschreiben Nr. 6a dargelegten Berechnungsmethoden.
Wird aufgrund dieser schematisierten Berechnungsmethoden festgestellt, dass das Start-up nicht über genügend Eigenkapital verfügt, wird ein Teil des von nahestehenden Personen gewährten Darlehens in Eigenkapital des Start-ups umqualifiziert (verdecktes Eigenkapital). Dies hat zur Folge, dass dieser Teil des Darlehens nicht als Fremdkapital anerkannt wird und Zinsen darauf steuerlich nicht zum Abzug zugelassen werden. Die vom Start-up bezahlten, aber steuerlich nicht anerkannten Zinsen stellen eine verdeckte Gewinnausschüttung dar, welche die vorgenannten Steuerfolgen auslöst. Start-ups sind oft knapp finanziert. Daher muss stets geprüft werden, ob genügend Eigenkapital vorhanden ist, damit die Zinsen steuerlich akzeptiert werden.
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Verrechnungssteuer, Umsatzabgabe
Der Zins aus einer Fremdfinanzierung in Form eines Einzeldarlehens unterliegt nicht der Verrechnungssteuer – ausser es handelt sich um eine vorerwähnte verdeckte Gewinnausschüttung.
10/20-Nicht-Banken-Regel
Dies kann sich allerdings ändern, sobald ein Start-up mit Sitz in der Schweiz mit mehreren Gläubigern Einzeldarlehen abschliesst und die 10/20-Nicht- Banken-Regel nicht eingehalten wird:
- Die 10-Nicht-Banken-Regel besagt, dass eine der Verrechnungssteuer unterliegende Anleihensobligation vorliegt, falls ein inländischer Schuldner bei mehr als zehn Gläubigern, welche keine Banken sind, gegen Ausgabe von Schuldanerkennungen Geld zu identischen Konditionen aufnimmt und die gesamte Kreditsumme mindestens CHF 500 000.– beträgt. Eine Finanzierung kann auch nachträglich zu einer verrechnungssteuerpflichtigen Anleihensobligation werden, z. B. durch Zession oder Syndizierung.
- Die 20-Nicht-Banken-Regel besagt, dass eine der Verrechnungssteuer unterliegende Kassenobligation vorliegt, falls ein inländischer Schuldner bei mehr als 20 Gläubigern, welche keine Banken sind, gegen Ausgabe von Schuldanerkennungen fortlaufend Geld zu variablen Bedingungen aufnimmt und die gesamte Kreditsumme mindestens CHF 500 000.– beträgt. Für die Berechnung der Einhaltung der 20-Nicht-Banken-Regel werden auch die Einzeldarlehen berücksichtigt.
Wird die 10/20-Nicht-Banken-Regel nicht eingehalten, bzw. übersteigt die Anzahl der Nicht-Banken Gläubiger 10 bzw. 20, liegt eine verrechnungs- und stempelsteuerliche Anleihens- oder Kassenobligation vor:
- Umsatzabgabe: Der Handel, nicht aber die Ausgabe der Obligation, unterliegt der Umsatzabgabe von 0,15% auf dem Verkaufspreis der Obligation, sofern am Handel Schweizer Effektenhändler beteiligt sind.
- Verrechnungssteuer: Schwerwiegender ist aber, dass auf dem fälligen 2 Vgl. Kreisschreiben Nr. 47 der ESTV: Obligationen vom 25. Juli 2019. Zins der Obligation die Verrechnungssteuer von 35% geschuldet ist.
Zählweise: Nicht-Banken-Gläubiger
Grundsätzlich wird jeder Nicht-Banken- Gläubiger einzeln gezählt. Wenn jedoch spezielle Gesellschaftsformen wie Partnerships oder steuerlich transparente Einheiten beteiligt sind, kann die ESTV einen «Look-through-Ansatz» anwenden. Dabei wird nicht die Gesellschaft, sondern es werden die dahinterstehenden Gläubiger betrachtet. Sind unter den Kreditgebern Fonds, werden diese aber gemäss Praxis der ESTV grundsätzlich als ein einziger Nicht-Banken-Gläubiger gezählt, sofern sie nicht speziell für eine einzige Finanzierung aufgesetzt wurden. Um in solchen Fällen Klarheit zu schaffen, empfiehlt es sich, zur Zählweise ein Ruling einzuholen.
Ausserdem wird zur Strukturierung der Verbindlichkeiten eine Segmentierung nach verschiedenen Kategorien vorgenommen: (i) überjährige Verbindlichkeiten, (ii) unterjährige Verbindlichkeiten (Geldmarktpapiere), (iii) Garantie- und Sicherungsdepots sowie (iv) Forderungen ohne feste Laufzeit und festen Betrag (Kontokorrentschulden). Konzerngesellschaften sind von der Zählung ausgenommen.
Mehrwertsteuer
Der Ertrag aus Fremdkapitalzinsen ist von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Mehrwertsteuerpflichtige Gläubiger haben daher oft eine entsprechende Vorsteuerkorrektur vorzunehmen.
Fazit
Die Fremdfinanzierung ist zwar mit Kosten verbunden, aber sie bietet den Vorteil, dass die Eigenkapitalquote unangetastet bleibt und die Anteilseigner weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen behalten.
Obwohl die Finanzierung von Start-ups in der Schweiz mittels Darlehen auf den ersten Steuerblick nicht besonders komplex erscheint, muss insbesondere bei der Gewährung von Darlehen durch die Anteilseigner oder diesen nahestehenden Personen und Gesellschaften und bei der Privatplatzierung von Darlehen einiges beachtet werden. Um sicherzustellen, dass die Schweizer Steuerbehörden das Darlehen als Fremdkapital und den Zins als steuerlich abzugsfähigen Zins akzeptieren, stellen die Rundschreiben der ESTV zu den Safe-Haven-Zinssätzen und das Kreisschreiben zum verdeckten Eigenkapital eine gute Orientierungshilfe dar.
Da Unternehmen oft Investoren aus dem Ausland anziehen und Privatplatzierungen von Darlehen mit mehreren Kreditgebern nicht selten sind, ist die Strukturierung der Darlehen und das Einhalten der 10/20-Nicht-Banken- Regel hier besonders wichtig. So kann zum Beispiel eine Anleihensobligation oft vermieden werden, indem eine weitere Privatplatzierung zu anderen Bedingungen (Laufzeit, Zins etc.) herausgegeben wird. Daneben muss auch die Ausgestaltung des Darlehensvertrags bei Privatplatzierungen mit in- und vor allem ausländischen Gläubigern sorgfältig erfolgen. Mit spezifischen Klauseln, welche das Verrechnungssteuerrisiko adressieren, ist sicherzustellen, dass die 10/20-Nicht-Banken-Regel während der gesamten Laufzeit des Darlehens eingehalten wird. Für Start-ups, die sich in einem dynamischen Umfeld bewegen, ist die Beratung durch Experten oft unerlässlich, um steuerliche Fussangeln zu umgehen und die Verträge steueroptimal auszugestalten.