Verrechnungssteuer: Voraussetzung für die Rückerstattung
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Allgemeine Voraussetzungen der Rückerstattung
Die Rückerstattung der Verrechnungssteuer für natürliche Personen ist in den Art. 21 ff. VStG geregelt. Danach ist ein Wohnsitz im Inland im Zeitpunkt der Fälligkeit der steuerbaren Leistung (Art. 22 Abs. 1 VStG) erforderlich, (ii) das Recht zur Nutzung am Ertrag abwerfenden Vermögenswert im Zeitpunkt der Fälligkeit der steuerbaren Leistung (Art. 21 Abs. 1 Bst.a VStG), (iii) die frist- und formgerechte Deklaration, d.h. Steuererklärung bzw. Wertschriftenverzeichnis (Art. 23 VStG) korrekt ausgefüllt, (iv) keine zeitliche Verwirkung: (3 Kalenderjahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Verrechnungssteuerforderung entstanden ist (Art. 32 Abs. 1 VStG) und schliesslich (v) darf keine Steuerumgehung (Art. 21 Abs. 2 VStG) vorliegen.
Rückerstattungssituation seit dem 1. Januar 2019
Allgemeines
Der am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Art. 23 VStG lautet wie folgt:
1 Wer mit der Verrechnungssteuer belastete Einkünfte oder Vermögen, woraus solche Einkünfte fliessen, entgegen gesetzlicher Vorschrift der zuständigen Steuerbehörde nicht angibt, verwirkt den Anspruch auf Rückerstattung der von diesen Einkünften abgezogenen Verrechnungssteuer.
2 Die Verwirkung tritt nicht ein, wenn die Einkünfte oder Vermögen in der Steuererklärung fahrlässig nicht angegeben wurden und in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Veranlagungs-, Revisions- oder Nachsteuerverfahren:
- nachträglich angegeben werden; oder
- von der Steuerbehörde von sich aus zu den Einkünften oder Vermögen hinzugerechnet werden.
Der neue Abs. 2 dieser Regelung bringt mit Bezug auf die Anforderung der ordnungsgemässen Deklaration folgende Änderungen mit sich:
- Ordnungsgemässe Deklaration liegt vor, bei einer Aufrechnung der nichtdeklarierten Einkünfte oder Vermögen durch die Steuerbehörde aus eigener Feststellung;
- bei einer Nachdeklaration durch den Empfänger oder die Empfängerin der verrechnungssteuerbelasteten Leistung (spontan oder nach einer Intervention der Steuerbehörde) vor Eintritt der Rechtskraft der direktsteuerlichen Veranlagungsverfügungen resp. der Nachsteuerverfügungen
- Unter Vorbehalt der Motivation: Bei einer vorsätzlich versuchten Steuerhinterziehung liegt keine ordnungsgemässe Deklaration vor.
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Rückwirkende Anwendung
Gemäss Art. 70d VStG gilt die Regelung von Art. 23 Abs. 2 VStG nur für Ansprüche, die seit dem 1. Januar 2014 entstanden sind, sofern betreffend dem Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Für eine geldwerte Leistung aus dem Jahr 2013 oder früher, ist die Regelung von Art. 23 Abs. 2 VStG daher nicht anwendbar.
Eigener Fahrlässigkeitsbegriff
Die ESTV stellt beim Fahrlässigkeitsbegriff auf das Beweiskriterium im Verwaltungsverfahren ab. Es stellt sich indes die Frage, ob nicht der strafrechtliche Fahrlässigkeitsbegriff und damit eine Verurteilung als Voraussetzung erforderlich wäre. Wenn Letzteres zutrifft, würde quasi eine strafrechtliche Beweislast dem Antragssteller auferlegt, was systematisch falsch wäre. In diesem Sinne bedeutete eine Ablehnung des Rückerstattungsanspruchs praktisch auch eine Vorverurteilung des Gesuchstellers wegen versuchter Steuerhinterziehung. Soweit ersichtlich gibt es noch keine Judikatur zu dieser Frage.
Verjährungsfragen
Verjährung nach VStG
Gesetzliche Grundlagen
Zum einen ist die verrechnungssteuerliche Verjährung von 5 Jahren gemäss Art. 17 VStG zu beachten, die 5 Jahre nach Ablauf der Kalenderjahres eintritt, in welchem die Verrechnungssteuer entstanden ist (Art. 12 VStG). Weiter ist auch Art. 12 des Verwaltungsstrafgesetzes zu beachten, der bei Widerhandlungen gegen die Verwaltungsgesetzgebung zur Anwendung gelangt.
Relative Verjährungsfrist
Art. 17 Abs. 1 VStG statuiert eine relative Verjährungsfrist von 5 Jahren, die ruhen (Art. 17 Abs. 2 VStG) oder unterbrochen (Art. 17 Abs. 3 VStG) werden kann. Im Verrechnungssteuerrecht existiert keine absolute Verjährung (BGE 126 II 49 E. 2; BGer vom 24.01.2011 2C_188/2010, E. 5.2 f.), d.h. wenn die Verjährung immer wieder rechtzeitg unterbrochen wird, kann sie quasi ewig dauern. Bei anderen Steuerarten ist dies nicht der Fall (vgl. z.B. Art. 120 Abs. 4 und Art. 121 Abs. 3 DBG; Art. 47 Abs. 1 und 2 StHG; Art. 42 Abs. 6 und Art. 56 Abs. 4 MWSTG i.V.m. Art. 75 Abs. 4 ZG).
Verjährungsunterbrechung
Für eine Unterbrechung der Verjährung genügt jede Mitteilung der ESTV an den Steuerpflichtigen, in welcher diese unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie einen bestimmten Tatbestand als steuerbar betrachtet. Dabei muss der steuerbegründende Tatbestand bloss im Wesentlichen benannt sein. Mit anderen Worten muss der Steuerpflichtige in der Lage sein, zu erkennen um was es geht. Nicht erforderlich ist, dass die Steuer betragsmässig beziffert ist. Ausreichend sind auch blosse Untersuchungsmassnahmen wie etwa das Einfordern von Belegen oder von Auskünften. Es kann festgehalten werden, dass die Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an die Unterbrechungshandlung stellt, das gilt sowohl in Bezug auf die Form als auch auf den Inhalt.
Verjährung nach VStrR
Wenn der objektive Tatbestand einer Strafnorm, d.h. in der Regel Art. 61 Bst. a VStG (vorsätzliche oder fahrlässige Vorenthaltung von Verrechnungsteuern gegenüber dem Bund), erfüllt ist (und das ist praktisch immer der Fall), gilt ungeachtet der verrechnungssteuerlichen Verjährung von Art. 17 VStG in der Regel bei Bestehen eines Anspruchs auf die Verrechnungssteuer nach Art. 12 Abs. 1Bst. a VStrR, dass die Verrechnungssteuerforderung erst nach sieben Jahren verjährt. Dabei ist kein Verschulden erforderlich und es muss auch kein formelles Verfahren auf Verrechnungssteuerhinterziehung im Sinne von Art. 61 VStG oder sogar auf Abgabebetrug im Sinne von Art. 14 Abs. 2VStrR eröffnet werden.
Im Ergebnis wendet die ESTV also für die letzten fünf Jahre Art. 4 Abs. 1Bst. b VStG und für die zwei vorhergehenden Jahre Art. 12 VStrR an, mit der Folge, dass die Verrechnungssteuererhebung über die letzten sieben Jahre erfolgen kann.