Steuerobjekt: BVGer-Urteil zum Adventkalender

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Sachverhalt
Die Steuerpflichtige bezweckt unter anderem die Produktion und den Vertrieb von Müesli und ist seit 2009 mehrwertsteuerlich in der Schweiz registriert. Im Rahmen einer MWST Revision teilte die ESTV mit, dass es sich bei einem Adventkalender um ein unteilbares Ganzes handle, der Kalender im Vordergrund stünde und dieser somit zum Normalsatz zu versteuern sei. Die Steuerpflichtige war der Meinung, dass beim Adventkalender mit Müeslidosen zwei selbständige Leistungen vorlägen, die nur aus Marketinggründen zusammen verkauft würden. Deren Trennung habe keine Veränderung der beiden einzelnen Leistungen zur Folge. Da die Müeslidosen mehr als 70 % des Gesamtentgeltes ausmachten, seien die Umsätze für den Adventkalender zum reduzierten Steuersatz von 2.5 % steuerbar. Selbst wenn eine Gesamtleistung angenommen würde, gelange (ebenfalls) der reduzierte Satz zur Anwendung. „Der Kunde kaufe vorliegend nämlich Müesli und nicht einen Adventkalender, was für die Bestimmung des Steuerobjekt relevant sein kann. Die ESTV ist der Meinung, dass der Kalender und die Müesli wirtschaftlich betrachtet so eng zusammengehörten, dass sie ein unteilbares Ganzes und somit ein einziges Steuerobjekt bildeten. Es handle sich daher nicht um eine Gesamtleistung. Da für den Konsumenten das Müesli im Vordergrund stünde, sei zum reduzierten Steuersatz abzurechnen.
Urteil des BVGer
Das BVGer führt in seinem Urteil aus, dass bei einer Gesamtleistung die einzelnen Leistungen sachlich, zeitlich und vom wirtschaftlichen Gehalt her in einer derart engen Verbundenheit stehen müssen, dass sie untrennbare Komponenten eines Vorgangs verkörpern, der das gesamte Handeln umfasst. Der Leistungskomplex kann demnach nicht in Einzelleistungen zerlegt werden, die jede für sich betrachtet einen wirtschaftlich sinnvollen Zweck erfüllen, oder wenn die Gesamtleistung durch eine solche Zerlegung zerstört, beschädigt oder verändert würde. Der streitbetroffene Adventkalender vereint die Lieferung eines «weihnachtlich bedruckten Kartonkalenders» sowie die Lieferung von 24 in einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli», welche einen Überraschungseffekt vermitteln. All diese Komponenten bilden integrierende Bestandteile der Lieferung des ganzen Leistungspakets «Müesli-Adventkalender». Eine Lieferung des bedruckten Kartonkalenders unabhängig von den in einzelne Portionenbecher verpackten Müesli ist nicht möglich, da man jedes der 24 Kartontürchen aufbrechen und die Müeslidosen heraustrennen müsste. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin, der Adventkalender sei zwar für die Müeslidosen konzipiert worden, könne aber auch mit anderen Gegenständen gefüllt werden, kann man den aufgebrochenen Kalender nicht mehr einzeln verkaufen. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung der hier massgebenden Gruppe von Leistungsempfängern - den Konsumenten - würde auch das von der Beschwerdeführerin angebotene gesamte Leistungspaket «Müesli-Adventkalender» durch die Trennung zerstört und könnte nicht mehr als solches verkauft werden. Zumindest würde es sich bei dem aufgebrochenen Adventkalender und den einzelnen Müeslidosen im Vergleich zum Leistungspaket nicht mehr um dieselben Leistungen handeln. Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, hätte ein leerer Adventkalender nicht mehr die gleiche Bedeutung, wie ein mit Müesli gefüllter Kalender, da das typische Überraschungsmoment entfällt; der Charakter der einzelnen Leistungskomponenten würde im Vergleich zum Leistungspaket verändert. Der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» kann somit immer nur im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den in 24 einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli», welche einen Überraschungseffekt vermitteln, geliefert werden. Folglich handelt es sich bei dem Kalender nicht um einen Gegenstand, der eine einzelne, selbständige mehrwertsteuerliche Leistung und damit ein eigenes Steuerobjekt bilden kann.
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Es ist die Meinung des BVGer, dass die einzelnen Teile in einer derart engen Verbundenheit stehen, dass sie untrennbare Komponenten der Gesamtleistung verkörpern. Sowohl der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» als auch die 24 in einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli» stellen unabdingbare Wesensbestandteile des «Müesli-Adventkalenders» dar; fehlt einer der beiden Bestandteile, handelt es sich nicht mehr um das Leistungspaket «Müesli-Adventkalender» (E. 2.3.4). Da somit gerade keine Sachgesamtheit bzw. Leistungskombination vorliegt, stösst der Hinweis der Beschwerdeführerin, die Müesli machten wertmässig mehr als 70 % des Gesamtentgeltes aus, ins Leere.
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, bei dem Kalender handle es sich lediglich um eine originelle Verpackung. Gemäss Art. 19 Abs. 4 MWSTG werden Nebenleistungen, namentlich Umschliessungen und Verpackungen, steuerlich gleichbehandelt wie die Hauptleistung. Die Annahme einer solchen unselbständigen Nebenleistung, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, setzt gemäss ständiger Rechtsprechung kumulativ voraus, dass sie (i) im Vergleich zur Hauptsache nebensächlich ist, (ii) mit der Hauptleistung wirtschaftlich eng zusammenhängt, (iii) die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und (iv) üblicherweise mit der Hauptleistung vorkommt. Daraus erhellt, dass jene Verpackungen, obwohl sie in Abs. 4 namentlich als Nebenleistungen genannt werden, bei welchen die Umschliessung für den verpackten Gegenstand unüblich ist, vorbehalten bleiben. Vorliegend kommt der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» ohne Zweifel nicht üblicherweise mit den in einzelne Portionenbecher verpackten «Müesli» vor.
Es bleibe schliesslich zu klären, welche der Eigenschaften der vorliegenden Gesamtleistung für diese wesentlich sei bzw. welche Leistung des Leistungspakets wirtschaftlich betrachtet im Vordergrund steht. Bei einem (handelsüblichen) Adventkalender stünden nach Ansicht des Gerichts die 24 Türchen und deren täglicher Überraschungseffekt im Vordergrund. Früher befanden sich hinter den Türchen häufig Bilder, wobei sich heute dahinter oft Schokolade oder andere «Füllungen» verstecken. In erster Linie werden solche Adventkalender wegen der 24 Türchen bzw. dem Überraschungseffekt gekauft, und die Frage, womit der Adventkalender «gefüllt» ist, kommt (grundsätzlich) erst an zweiter Stelle.
Unbestrittenermassen bezweckt die Beschwerdeführerin primär den Verkauf von Müesli und bietet lediglich in der Adventzeit Kalender an. Greift der Konsument – dessen Sicht massgebend ist – im Laden der Beschwerdeführerin jedoch nach dem streitbetroffenen Adventkalender, möchte er sich – nach Ansicht des BVGer - bewusst überraschen lassen bzw. jemandem die Adventszeit verschönern. Hierbei sollen dem Besitzer des Adventkalenders die verbleibenden Tage bis zum Weihnachtsfest angezeigt, dadurch die Wartezeit bis zum Fest verkürzt und die Vorfreude gesteigert werden. Die Müesli, welche vorliegend als «Füllung» dienen, stünden gemäss BVGer dabei erst an zweiter Stelle. Denn wolle der Konsument primär Müesli kaufen, könne er diese einzeln erwerben und dabei erst noch die Sorten bestimmen oder gar selber zusammenstellen. Folglich könne nicht gesagt werden, das Wesen des «Müesli-Adventkalenders» bestehe in der Lieferung des Müeslis. Insgesamt stehe vorliegend der «weihnachtlich bedruckte Kartonkalender» mit seinem Überraschungseffekt im Vordergrund, was für die Qualifikation des Steuerobjekt entscheidend ist. An diesem Ergebnis vermögen auch die quantitativen Überlegungen der Beschwerdeführerin – der Kalender mache weniger als 11 % des Gesamtpreises aus bzw. der Kunde bezahle neun Mal mehr für die Müesli als für den Kalender – nichts zu ändern. Sogenannte quantitative Argumente können zwar die obgenannten qualitativen Argumente durchaus stützen, vermögen eindeutige qualitative Überlegungen jedoch grundsätzlich nicht umzustossen. Die Beschwerde wurde daher vom BVGer abgewiesen.