Rückstellungen bilden: Was ist steuerlich anerkannt?

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Einleitung zum Thema Rückstellungen bilden
Die Bestimmungen zu den Rückstellungen gemäss dem nRLR wurden völlig neu definiert. Manche Steuerpflichtigen lassen sich dadurch zur Annahme verleiten, dass die handelsrechtlich zulässigen Rückstellungen (z.B. Rückstellungen für die Sanierung von Sachanlagen) ohne weiteres auch steuerrechtlich anerkannt werden, da die Handelsbilanz ja gleichzeitig die Grundlage für die Besteuerung darstellt. Diese Steuerpflichtigen verkennen, dass das Steuerrecht den Bestimmungen des seit 2013 gültigen Rechnungslegungsrechts nicht angepasst wurde, sondern dass die teilweise vom Handelsrecht abweichende Konzeption im Prinzip unverändert bestehen bleibt. Der Bundesrat hat in der Botschaft zum 2013 eingeführten Rechnungslegungsrecht mehrfach betont, dass die Einführung des neuen Rechnungslegungsrechts (nRLR) «steuerneutral» sei.
Das Handelsrecht kennt für die Aktiven Höchstbewertungsvorschriften und für die Passiven Mindestbewertungsvorschriften. So ist es nicht zulässig (von Ausnahmen abgesehen), ein Aktivum über den historischen Erwerbspreis hinaus zu bewerten. Es ist jedoch beispielsweise ohne Weiteres zulässig, ein Sachanlagegut sofort nach dem Kauf auf CHF 1 abzuschreiben. Stille Reserven mittels Rückstellungen, Abschreibungen oder Wertberichtigungen können in fast unbeschränkter Höhe gebildet und nicht mehr benötigte Rückstellungen müssen nicht aufgelöst werden.
Das Steuerrecht definiert hingegen Mindestbewertungsvorschriften für die Aktiven und Höchstbewertungsansätze für die Passiven. So dürfen Fahrzeuge bei der direkten Bundessteuer maximal mit 40% des Buchwertes degressiv abgeschrieben werden (es gibt jedoch Kantone mit einer sogenannten «Einmalabschreibung»).
Aus steuerlicher Sicht soll der effektive Periodengewinn besteuert werden. Nicht geschäftsmässig begründete Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen werden aus diesem Grunde aufgerechnet. Dennoch ist es aus steuerlicher Sicht möglich, stille Reserven zu bilden. Aus Praktikabilitätsgründen gestattet der Fiskus Pauschalierungen bei der Bemessung des Delkrederes, der Garantierückstellung und bei den Abschreibungen. Beim Warenlager kann der sogenannte «Warendrittel» gebildet werden.
Prinzip der Massgeblichkeit
Massgeblichkeit bedeutet, dass der handelsrechtliche Abschluss für die Steuerdeklaration und -veranlagung massgeblich ist. Der Steuerpflichtige muss sich auf seine handelsrechtliche Jahresrechnung behaften lassen. Abschreibungen, Rückstellungen oder Wertberichtigungen können nur dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn sie verbucht sind.
Die Steuerbehörden können von der handelsrechtlichen Jahresrechnung nur dann abweichen, wenn Aufwendungen geschäftsmässig nicht begründet sind oder wenn die Steuergesetze Abweichungen vorsehen.
Rückstellungen bei der Direkten Bundessteuer
Im Bundesgesetz über die Direkte Bundessteuer (DBG) werden Rückstellungen wie folgt definiert (Art. 63 DBG):
Rückstellungen
- Rückstellungen zulasten der Erfolgsrechnung sind zulässig für:
a) Im Geschäftsjahr bestehende Verpflichtungen, deren Höhe noch unbestimmt ist;
b) Verlustrisiken, die mit Aktiven des Umlaufvermögens, insbesondere mit Waren und Debitoren, verbunden sind;
c) Andere unmittelbar drohende Verlustrisiken, die im Geschäftsjahr bestehen;
d) Künftige Forschungs- und Entwicklungsaufträge an Dritte bis zu 10 Prozent des steuerbaren Gewinnes, insgesamt jedoch höchstens bis zu CHF 1 Mio. - Bisherige Rückstellungen werden dem steuerbaren Gewinn zugerechnet, soweit sie nicht mehr begründet sind.
Die unterschiedliche Konzeption der Steuerbehörden wird durch die Lektüre von Art. 63 DBG klar ersichtlich. Es wird nirgends erwähnt, dass Rückstellungen, welche nicht mehr erforderlich sind, nicht aufgelöst werden müssen. Die Sanierung von Sachanlagen ist nicht telquel ein steuerlicher Rückstellungsgrund. Entsprechende Rückstellungen werden in der Regel nur dann steuerlich zum Abzug zugelassen, wenn dazu eine rechtliche Verpflichtung besteht. Beliebige Rückstellungen für «die Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens» (Art. 960e OR) sind ebenso wenig möglich wie Rückstellungen «zu Wiederbeschaffungszwecken» (Art. 960a Abs. 4 OR).
Das Wesen der Steuerrückstellungen
Mit Rückstellungen im laufenden Geschäftsjahr wird ein effektiver oder zumindest wahrscheinlicher künftiger Mittelabfluss berücksichtigt, welcher dem laufenden Geschäftsjahr zugerechnet werden muss (sachliche Abgrenzung). Die Rückstellung wird nur dann steuerlich anerkannt, wenn sie den Betrag nicht übersteigt, mit dessen Beanspruchung nach den Umständen und nach pflichtgemässer Schätzung dereinst ernsthaft gerechnet werden kann. Die Rückstellung muss dabei in der massgebenden Bilanz offen als mutmassliche zukünftige Verpflichtung gegenüber Dritten oder als erwarteter Vermögensabgang ausgewiesen sein. Künftige Risiken oder Investitionen in der Zukunft können mit Rückstellungen nicht abgedeckt werden. Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen sind die Ausnahme dieser Regel.
Wie bei allen vermögens- oder einkommensmindernden Tatsachen ist die geschäftsmässige Begründetheit durch die steuerpflichtige Person zu belegen. Die Rückstellung ist im Einzelnen sachlich zu begründen und nach Bestand und Umfang nachzuweisen, auch wenn es sich um Schätzungen handelt.
Daraus folgt beispielsweise beim Garantieaufwand, dass der effektiv zu leistende Aufwand für Gewährleistung am besten als separate Erlösminderungsposition zu verbuchen und in der Erfolgsrechnung darzustellen ist. Grössere Unternehmungen sollten in diesem Rahmen nach Möglichkeit auch die eigenen Aufwendungen entsprechend bewerten und verbuchen, damit der Nachweis der geschäftsmässigen Begründung erbracht werden kann. Kleinere Unternehmungen sollten zumindest die eigenen Aufwendungen ausserbuchhalterisch erfassen, um den Nachweis der effektiven «nachlaufenden Aufwendungen» aus Gewährleistung erbringen zu können. Dies vor allem, wenn eine höhere Garantierückstellung beansprucht werden soll, als die pauschale, von der Steuerverwaltung ohnehin anerkannte Rückstellung, welche je nach Kanton und Art der Unternehmung zwischen 1% und 4% des Nettoumsatzes variieren kann.
Die Verpflichtung, die Details einer Position belegen zu können, ergibt sich auch direkt aus dem nRLR. So wird die «Nachprüfbarkeit» unter Art. 957a Abs. 2 Ziff. 5 OR explizit verlangt. Noch konkreter wird Art. 958c Abs. 2 OR, wonach der Bestand der einzelnen Positionen in der Bilanz und im Anhang durch ein Inventar oder auf andere Art nachzuweisen ist.
Rückstellungen können für effektive rechtliche Verpflichtungen (Garantie), aber auch für faktische Verpflichtungen (Kulanz) gebildet werden.
Im Gegensatz zu Abschreibungen sind Rückstellungen nicht definitive Wertverminderungen, sondern provisorische Posten. Die Veranlagungsbehörden können diese bei jeder Veranlagung erneut überprüfen. Die Steuerbehörde kann die ganze oder teilweise Auflösung der Rückstellung erzwingen, sobald klar ist, dass der effektive Aufwand tiefer ist oder keine Vermögenseinbusse resultierte oder resultieren wird. Diese Überprüfung erfolgt bei jeder Veranlagung erneut. Die Veranlagungsbehörden nehmen diese Überprüfung ohne Bindung an einen früheren Entscheid vor. Die erneute steuerliche Überprüfung setzt nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind, die Behörden können somit einen früheren Entscheid anders würdigen als in der Vergangenheit.
Verhältnis Handelsbilanz – Steuerbilanz – interne Rechnung
Aus handelsrechtlicher Sicht sind kaum Grenzen gesetzt, wenn man Rückstellungen bilden will, steuerrechtlich sind Rückstellungen jedoch nur in einem gewissen Rahmen und für effektive Risiken zulässig. Falls bei der Abschlussgestaltung der Handelsbilanz nicht auf die steuerrechtlichen Anforderungen abgestellt wird, besteht die Gefahr, dass die Steuerverwaltung bei der Steuerveranlagung Aufrechnungen vornimmt. In diesem Fall entsprechen sich Handels- und Steuerbilanz nicht mehr und es entstehen sogenannte «versteuerte stille Reserven» in der Steuerbilanz.
Vor allem wenn über Jahre hinweg mehrere Abweichungen zwischen der Steuer- und der Handelsbilanz bestehen, wird die Übersicht schwierig. Die meisten KMU vermeiden Abweichungen zwischen der Handels- und Steuerbilanz, um die damit zusammenhängende Komplexität zu reduzieren. Steuerliche Aufrechnungen bei den Rückstellungen werden deshalb in der Regel beim darauf folgenden Jahresabschluss durch die entsprechenden Auflösungen steuerlich nicht akzeptierter Rückstellungen wieder bereinigt, sodass Handels- und Steuerbilanz fortan wieder deckungsgleich sind.
Es kann aber auch der Fall eintreten, wo Abweichungen zwischen den beiden Systemen bewusst in Kauf genommen werden, vor allem, wenn hohe Gewinne ausgewiesen werden müssten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Minderheitsaktionären ein vertraglicher Anspruch am Gewinn einer Firma zusteht, welcher durch die bewusste Bildung zu hoher Abschreibungen, Wertberichtigungen und Rückstellungen vermindert werden soll.
Interne Jahresrechnung
Falls stille Reserven gebildet werden, zeigt die Handelsbilanz nicht mehr die effektiven Werte, sondern das Ergebnis der Steueroptimierung. Aus diesem Grunde sind ausserbuchhalterische Aufzeichnungen über den Bestand und die Bewegung von stillen Reserven zu führen.
Die Ermittlung des Bestandes an stillen Reserven ist Aufgabe des Exekutivorgans der Unternehmung, z.B. des Verwaltungsrats. Art. 730b Abs. 1 OR: «Der Verwaltungsrat übergibt der Revisionsstelle alle Unterlagen und erteilt ihr die Auskünfte, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt, auf Verlangen auch schriftlich.»
In der Praxis führt oft die Revisionsstelle das Verzeichnis der stillen Reserven nach und lässt dies vom Prüfkunden unterzeichnen. Dies geschieht, da die Revisionsstelle auch den Anhang beurteilen muss. Art. 959c Abs. 1 Ziff. 3 ORverpflichtet die Unternehmung, eine wesentliche Nettoauflösung stiller Reserven im Anhang auszuweisen.
Die Aufzeichnungen über die stillen Reserven, für sich alleine betrachtet, sind nicht wirklich aufschlussreich. Aus diesem Grunde erstellen manche Unternehmungen eine interne Jahresrechnung. Aussagefähige Auswertungen und Kennzahlen können nur aufgrund einer internen Jahresrechnung berechnet werden.
Der Nutzen der Steueroptimierung
Durch Steueroptimierung können im Wesentlichen folgende Ziele erreicht werden:
- Aufschub der Steuerschulden
- Glättung der Progression
- Optimale Nutzung von Verlustvorträgen
Beim Aufschub der Steuerschulden durch Bildung stiller Reserven werden die Steuern auf lange Sicht nicht eingespart. Für den Kaufmann ist jedoch der Zeitpunkt eines Mittelabflusses entscheidend. Zwischen heute und morgen liegt bekanntlich der Zins.
Die Glättung der Progression durch gezielte Bildung und Auflösung stiller Reserven spart effektiv Steuern in den Kantonen, wo die Steuerprogression bei juristischen Personen zum Tragen kommt. Bei natürlichen Personen ist die Glättung der Steuerprogression eines der wichtigsten Instrumente zur Beeinflussung der Steuerbelastung.
Verlustvorträge verfallen in der Regel nach sieben Jahren. Falls die ordentlichen Gewinne nicht ausreichen, den Verlustvortrag innert Frist zu konsumieren, können entsprechend stille Reserven aufgelöst werden.
Erläuterungen von ausgewählten Rückstellungspositionen aus steuerlicher und handelsrechtlicher Sicht
Wenn man Rückstellungen bilden will, empfiehlt es sich, die handelsrechtlichen Anforderungen auch dann durch die Bildung einer Rückstellung abzudecken, wenn diese steuerlich nicht anerkannt würden. Dieser Fall sollte jedoch nicht eintreten, und bei Nichtanerkennung einer handelsrechtlich erforderlichen Rückstellung sollte deren steuerrechtliche Anerkennung mit Nachdruck verlangt werden.
Wenn die handelsrechtlichen Erfordernisse vollumfänglich gedeckt sind, können in einem zweiten Schritt weitere Rückstellungen zur Steueroptimierung gebildet werden.
Garantierückstellungen
Wie bei anderen Berechnungen des Rückstellungsbedarfs ist zwischen bekannten Einzelfällen und dem latenten Risiko zu unterscheiden.
Für rückstellungspflichtige Einzelfälle ist je eine adäquate Einzelrückstellung zu bilden, welche dem Erwartungswert des zukünftigen Mittelabflusses entspricht. Für das latente Risiko, welches allen anderen Geschäftsfällen innewohnt, ist eine zusätzliche pauschale Rückstellung zu bilden. Die Gesamtrückstellung sollte als gerundete Zahl in die Bilanz eingestellt werden (z.B. TCHF 160). Damit zeigt der Bilanzierende, dass es sich bei der Rückstellung um einen Schätzwert handelt.
Bei der Bemessung der pauschalen Rückstellung ist vor allem auf folgende Parameter abzustellen:
- Vertragliche oder gesetzliche Garantiefrist. In der Regel beträgt diese zwei Jahre. Bei Gewährleistung für verdeckte Mängel während fünf Jahren ist i.d.R. eine höhere Rückstellung erforderlich.
- Grundsätzliche Risikoanfälligkeit der Lieferungen oder Leistungen. Ein Coiffeur hat keinen Rückstellungsbedarf, ein Baumeister dagegen einen bedeutenden.
- Folgekosten eines Schadens (Aufräumungskosten, Betriebsunterbruch beim Kunden etc.).
- Die eigene Versicherungsdeckung und damit die Abschätzung, ob es sich um eine versicherte Leistung handelt, bei welcher lediglich der Selbstbehalt zu tragen ist, oder ob die Unternehmung den Schaden ganz oder teilweise selbst tragen muss. Oft wird eine Anzahl Ereignisse angenommen und für mehrere Fälle der Selbstbehalt zurückgestellt. Weiter ist damit zu rechnen, dass die Versicherung bei Fahrlässigkeit Regress auf den Versicherten nehmen könnte. Die Rückstellung des Selbstbehalts reicht in einem solchen Fall nicht aus.
- Die Möglichkeit, Schäden auf Dritte abzuwälzen (z.B. im Warenhandel, wenn der Importeur oder Produzent den Schaden übernehmen muss).
- Erfahrungszahlen aus der Vergangenheit.
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