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Empathischer Führungsstil: Persönlichkeit und Bedürfnisse der Mitarbeitenden kennen

Für den Vertrauensaufbau und um Mitarbeitende entsprechend ihren Kompetenzen einzusetzen, ist es notwendig, dass Vorgesetzte deren Persönlichkeit und Bedürfnisse kennen. Empfehlenswert ist ein Führungsstil, welcher den empathischen Austausch mit den Mitarbeitenden begünstigt.

16.02.2023 Von: Thomas Schneider
Empathischer Führungsstil

In Gesprächen mit qualifizierten Füh­rungskräften werden uns immer wieder bemerkenswerte Anekdoten zugetragen, welche über den überraschenden Weg­gang von geschätzten und talentierten Mitarbeitenden berichten. So zum Bei­spiel der Vorgesetzte einer Forschungs­einrichtung, welcher überrascht war, dass sein talentiertester Forschungsmitarbeiter entgegen der Hoffnungen und Bemühun­gen des Vorgesetzten letztendlich sich doch gegen eine Forschungskarriere ent­schied. Die Liste mit vergleichbaren Bei­spielen aus unterschiedlichen Branchen liesse sich beliebig fortführen. Erfahren Sie in diesem Artikel, welche grundlegen­den Handlungen es sind, die Sie als Füh­rungskraft berücksichtigen sollten, um die Persönlichkeiten Ihrer Mitarbeitenden besser zu kennen und damit deren Leis­tungspotenziale optimal abzurufen.

Der bekannte Romanautor Erich Maria Remarque meinte zur Frage, wie man Mit­arbeitende kennenlernt: «Den Charakter eines Menschen erkennt man, wenn er Vorgesetzter geworden ist.» Der kürzlich verstorbene erfolgreiche Unternehmer und Gründer des DM-Markts Götz W. Werner soll einmal – möglicherweise mit einem scherzhaften Unterton – gesagt haben, dass der Charakter eines Mitarbei­tenden an seinem Agieren als Betriebsrat zu erkennen sei. Rund zwei Jahrhunderte früher hielt das Universalgenie Johann Wolfgang von Goethe fest, Menschen bezeichneten ihren persönlichen Charak­ter durch nichts mehr als daran, «was sie lächerlich finden».

Aus diesen drei Kriterien liessen sich wo­möglich interessante Aussagen zur Person des oder der Mitarbeitenden ableiten. Jedoch ist deren Umsetzbarkeit im Ar­beitsalltag schwierig, und durch die be­schränkten Auswertungsmöglichkeiten würde es wenig zum ganzheitlichen Ver­ständnis der Persönlichkeit von Mitarbei­tenden beitragen. Einige Führungskräfte berichten uns, dass sie ihre Mitarbeiten­den on the Job, nämlich anhand ihres Ar­beitsstils, kennenlernten. Dieser Ansatz ist praktikabel, jedoch beantwortet der Arbeitsstil die Frage nach Persönlichkeit und Motivlage nicht umfassend.

Es lohnt sich, die eigenen Mit­arbeitenden besser zu verstehen

Der betriebswirtschaftliche Nutzen da­von, dass Führungskräfte Zeit darin inves­tieren, ihre Mitarbeitenden kennenzuler­nen, liegt auf der Hand: Sich zu kennen ist die Grundlage für den Vertrauensaufbau. Vertrauen ist unserer Erfahrung nach eine der tragfähigsten Säulen für die erfolg­reiche Zusammenarbeit zwischen Vorge­setzten und Mitarbeitenden, insbeson­dere in Krisenzeiten. Darauf aufbauend können Vorgesetzte, welche ihre Mitar­beitenden gut kennen, diese zielgerich­teter nach ihren Kompetenzen einsetzen.

Um auf das einleitende Beispiel zurückzu­kommen, so sind wir der Überzeugung, dass es weniger eine Frage der einzelnen Ergründungs- bzw. Fragetechnik ist, ob Führungspersonen ihre Mitarbeitenden besser oder schlechter kennenlernen. Vielmehr ist es eine Frage ihrer persönli­chen Haltung und ihres Führungsstils. In Gesprächen mit Führungspersonen stel­len wir oft fest, dass die Führungsperson sich nicht bewusst oder nur unzureichend die Zeit genommen hat, die unterschied­lichen Persönlichkeiten und Motive ihrer Mitarbeitenden zu erfassen.

Drei psychologische Grundbedürfnisse als Basis

Um ein Verständnis für einen diesbezüglich wirkungsvollen Führungsstil aufzubauen, sollten wesentliche Erkenntnisse einer umfassenden Motivationstheorie der So­zialpsychologie, der Selbstbestimmungs­theorie («self determination theory»; Deci & Ryan, 1985), berücksichtigt werden. Die Theorie besagt (stark vereinfacht), dass Menschen kulturübergreifend drei psychologische Grundbedürfnisse haben:

  • Die Gewissheit, auf als wichtig erach­tete Dinge einwirken zu können und entsprechend gewünschte Resultate zu erzielen (Kompetenz-Bedürfnis);
  • Die Gewissheit der Freiwilligkeit, Dinge zu tun, welche als notwendig erachtet werden, selbst wenn sie durch andere angeordnet sind (Autonomie-Bedürf­nis; die Tätigkeit sollte demnach sinnstiftend sein);
  • Die Gewissheit, dass man selbst be­deutend für andere ist (Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit).

Führungspersonen sind somit gut bera­ten, diese Grundbedürfnisse bei ihren Mitarbeitenden zu berücksichtigen, um deren Arbeitszufriedenheit und damit auch deren Leistungsbeitrag sowie deren langfristigen Verbleib im Unternehmen zu steigern. Die Führungsforschung zeigt weiter (z.B. Deci, Olafsen & Ryan, 2017), dass Führungsstile, welche den Prinzipien der transformationalen Führung (Bass & Avolio, 1991) folgen, diese Grundbedürfnisse wirkungsvoll treffen. Insbe­sondere die darin enthaltene Dimension der individuellen Unterstützung bzw. Rücksichtnahme auf Mitarbeitende («individualized consideration») gewinnt zur Beantwortung der Leitfrage dieses Arti­kels eine hohe Relevanz. Diese Dimension hat die Behandlung der Mitarbeitenden als Individuen mit eigener Persönlichkeit, spezifischen Bedürfnissen und individuel­len Fähigkeiten zum Ziel.

Die unterschied­lichen Persönlichkeiten der eigenen direkt Unterstellten zu kennen, ist somit zentra­le Voraussetzung, dass die Führungskraft auf deren jeweils verschiedene Bedürfnis­se eingehen kann. Dabei spielen empathische Fähigkeiten der Führungskraft eine wesentliche Rolle, welche nicht allen glei­chermassen gegeben ist. Von Natur aus weniger empathische Führungspersonen weisen hierbei einen Nachteil auf, wel­cher jedoch durch eine offene, nach den Mitarbeitenden gerichtete Haltung neutralisierbar ist. So konnten die Psycholo­gen Marianne Schmid Mast, Klaus Jonas und Judith Hall 2009 zeigen, dass ein Führungsstil, welcher sich um einen empathischen Austausch mit den Mitarbei­tenden bemüht, die eigene Fähigkeit, ein zwischenmenschliches Feingefühl («interpersonal sensitivity») zu zeigen sowie wirksam anzuwenden, steigert. Zudem haben sie nachgewiesen, dass allein die Tatsache, dass Menschen mehr Macht er­halten, bereits eine Steigerung dieses zwi­schenmenschlichen Feingefühls erfahren. Auf der Grundlage dieser theoretischen Überlegungen und aufgrund unserer Er­fahrungen geben wir Führungskräften die folgenden praktischen Empfehlungen mit, um ihre Mitarbeitenden besser ken­nenzulernen:

  • Lernen Sie sich selbst kennen, um zu verstehen, ob und inwiefern Sie gleich oder anders sind als Ihre Mitarbeiten­den;
  • Schaffen Sie das richtige Setting; nehmen Sie sich Zeit, sei es in einem Rekrutierungs- oder Mitarbeiterge­spräch oder darin, dass Sie ihre/n Mitarbeitende/n individuell on the Job begleiten;
  • Stellen Sie im Austausch offene Fragen; hören Sie Ihren Mitarbeitenden auf­merksam zu, hören Sie mit allen Ohren nach Schulz von Thun (4-Ohren-Kom­munikationsmodell) hin und fragen Sie nötigenfalls nach;
  • Seien Sie erst einmal offen dafür und akzeptieren Sie, dass Mitarbeitende nicht dieselben Einstellungen und die gleiche Persönlichkeit haben wie Sie selbst;
  • Seien Sie unvoreingenommen, legen Sie Ihre eigenen Idealvorstellungen ab, um diese nicht implizit auf Ihre Mitar­beitenden zu übertragen;
  • Geben Sie nicht auf jede Äusserung des Mitarbeitenden die eigene Sichtweise hinzu, sondern nehmen Sie die Pers­pektive des Mitarbeitenden ganzheit­lich ein, um daraus abzuleiten, welche Botschaft er/sie wirklich übermitteln will.

Take Home Messages

  • Beginnen Sie damit, sich selbst kennen­zulernen
  • Ob es Ihnen als Führungskraft gelingen wird, Ihre Mitarbeitenden gut kennen­zulernen, ist weniger eine Frage der Gesprächstechnik und der Messinstru­mente als vielmehr eine Frage des Führungsstils und Ihrer Haltung
  • Beachten Sie, dass die Menschen, die Sie führen, kulturübergreifend drei zentrale Bedürfnisse haben, welche sie antreiben: Bedürfnis nach (a) Auto-nomie/Freiwilligkeit, (b) Kompetenz und (c) sozialer Eingebundenheit
  • Führen Sie mit einem Stil, welcher diesen Bedürfnissen gerecht wird, nehmen Sie eine empathische Haltung ein und suchen Sie den Austausch mit Ihren Mitarbeitenden
  • Führen Sie nach dem Konzept der transformationalen Führung; legen Sie besonderen Wert auf den Aspekt der individuellen Betrachtung Ihrer Mitarbeitenden, um diese besser kennen zulernen
  • Nehmen Sie sich Zeit für Ihre Mitarbei­tenden und hören Sie ihnen aktiv zu
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