Kernkompetenzen: Die Kronjuwelen eines Unternehmens
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Die Strategie ist der Weg zum Ziel
Ganze Generationen von Wissenschaftlern und Praktikern haben sich an diesem Ziel, ohne das eine gute Strategie ja gar nicht denkbar wäre, schon die Zähne ausgebissen. Nach vorherrschendem Verständnis ist die Strategie der Weg zu einem Ziel und deshalb ist die Klarheit über das zu erreichende Ziel sicherlich von absolut essentieller Bedeutung. Wenn nun die Ökonomie nichts Klärendes und zum Teil sogar Widersprüchliches wie Gewinnmaximierung, Shareholder-Value, Stakeholder-Value oder andere Ansätze zu bieten hat, so macht es doch vielleicht einmal Sinn, sich in ganz anderen Gebieten zu tummeln und sich die Frage zu stellen: «Was ist beispielsweise das strategische Oberziel der Natur?» In hunderten meiner Seminare habe ich diese Frage gestellt und nahezu immer die gleiche Antwort bekommen: «Überlebenssicherung!» Wenn wir diese Grundlogik des strategischen Oberzieles der Natur auf Unternehmen übertragen, so lautet es schlicht und ergreifend: «gesteigerte Überlebensfähigkeit!»
Die Logik ist hierbei die folgende:
- Das strategische Oberziel ist die Sicherung, die gesteigerte Überlebensfähigkeit des Unternehmens.
- Nur auf dieser Basis erhält das Unternehmen seine Unabhängigkeit.
Wenn dem so ist, so wäre der grösstmögliche Schaden in einem Unternehmen nicht etwas der Verkauf oder auch die freiwillige Liquidation, sondern das zwangsweise Ausscheiden aus dem Markt über den Weg der Insolvenz. Alles muss daran gesetzt werden, genau dies zu verhindern.
An dieser Stelle müssen wir uns – neben all der Philosophie – auch ein wenig die rechtliche Ebene beachten. Nach deutschem Recht muss der Geschäftsführer oder Vorstand einer Gesellschaft dann Insolvenz anmelden, wenn er erkennt, dass sein Unternehmen entweder zahlungsunfähig oder sogar überschuldet ist. Solange das Unternehmen immer liquide ist und die Vermögenswerte grösser sind als die Verbindlichkeiten, sind es allein die Gesellschafter, die zu entscheiden haben, wie lange das Unternehmen existiert. Genau das verstehe ich unter «Unabhängigkeit».
Zufriedene Kunden
In unserer ersten Überzeugung haben wir uns darauf verständigt, dass das strategische Oberziel eines Unternehmens am besten mit «gesteigerter Überlebensfähigkeit» zu umschreiben ist. Denn sie ist die Grundlage für Unabhängigkeit und Sicherung für Unternehmen und Familie. Was aber ist der Generalauftrag, den ein Unternehmen zu erfüllen hat, um in der Wertschöpfungskette der Märkte und unserer Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag leisten zu können? Unsere Antwort: der Generalauftrag eines gesunden Unternehmens ist die Schaffung zufriedener Kunden!
Was auf den ersten Blick banal, ja sogar trivial klingt, ist fundamental. In vielen Unternehmen ist heute der Kunde nur Mittel zum Zweck. Mittel zum Erreichen finanzieller Ziele. Doch eigentlich müsste es genau umgekehrt sein: durch die Schaffung zufriedener Kunden generiert ein Unternehmen Kundenbindung, eine vernünftige Wert- schöpfung pro Kunde und sichert damit seine eigene Zukunftsfähigkeit.
In dieser Logik müssen alle Aktivitäten des Unternehmens konsequent auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtet sein, wobei eine Differenzierung notwendig erscheint. In manchen Publikationen liest man, dass Unternehmen «begeisterte Kunden» haben sollten. Ist dies nicht ein grosses Missverständnis? Kunden sind begeistert, wenn sie die beste Leistung zum günstigsten Preis bekommen. Nach unserem Verständnis verbieten es jedoch die Gesetze der Ökonomie, so ein Verhältnis anzubieten. Schlecht wäre es natürlich, wenn der Kunde einmal enttäuscht – also nicht zufrieden – ist. Denn hier besteht das Risiko, dass er das Unternehmen nicht wieder aufsucht, somit als Kunde verloren geht oder möglicherweise sogar anderen von seiner Enttäuschung berichtet.
Unser Bestreben liegt also vielmehr darin, mit dem Kunden auf Augenhöhe respektvoll zusammenzuarbeiten. Also in dienender, aber gleichwertiger Form zu agieren. Und da macht es einfach viel mehr Sinn, die Zufriedenheit des Kunden in den Mittelpunkt aller Aktivitäten zu stellen.
Von der Kunst des Nutzenbietens
Zu dieser Überzeugung hat uns einer der grossen Arbeits- und Erfolgsmethodiker den Weg gewiesen: Dr. Gustav Grossmann. Sein Lebensmotto lässt sich am besten wie folgt ausdrücken: «Nur der, der Nutzen bietet, sollte auch Nutzen ernten.» Andere Autoren, wie beispielsweise Ron Smothermon, haben in ihren Schriften (Drehbuch für Meisterschaft im Leben) das Gleiche formuliert. Ron Smothermon schreibt, dass im Leben nur derjenige erfolgreich sein kann (und auch sein sollte), der einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, anderen Nutzen zu bieten. Wir gehen in unseren Überzeugungen so weit, dass wir die Philosophie eines egoistischen Altruismus ausloben, dass Geld nicht so erfolgreich macht, wie andere erfolgreich zu machen.
Was auf den ersten Blick widersinnlich und auch widersprüchlich klingt, macht auf den zweiten Blick ausgesprochen viel Sinn. In dem Masse, in dem ich andere erfolgreich mache, schaffe ich ja alle Voraussetzungen dafür, dass der Nutzen, welchen ich geboten habe, in gleicher und manchmal sogar in gesteigerter Form zu mir zurückkommt. Unternehmen und Unternehmer, die diesen Sinn verstehen, konzentrieren sich in ihrer Firmenphilosophie darauf, das ganze Unternehmen in ein gesamtnutzenbietendes System zu verwandeln. Idealerweise bietet aber nicht nur das Unternehmen diesen «GNV» (Gesamt-Nutzen-Vorteil), sondern jedes einzelne Projekt, jedes einzelne Geschäft schafft dem Kunden einen positiven Nutzen-Preisvorteil.
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Dieses «NPV» (Nutzen-Preis-Verhältnis) sollte immer positiv sein, denn dann kann man dem Kunden mit Fug und Recht aus voller Überzeugung sagen: «Sie werden in diesem Geschäft auf je- den Fall profitieren. Sie werden einen Nutzen erzielen, der signifikant höher ist als der Preis, den sie dafür bezahlen.» Dass dies das bestmögliche Geschäft im entsprechenden Markt ist, können wir dem Kunden nicht versprechen, denn dafür müssten wir ja das gesamte Angebot des Marktes kennen. In jedem Einzelfall allerdings sind wir in der Lage, dem Kunden diesen Zusammenhang zu erklären und idealerweise auch sauber zu begründen. Dies schafft die Basis für wirklich nachhaltige, dauerhafte und positive Kundenbeziehungen.
Der Schneemann des Erfolgs
In den vergangenen 30 Jahren haben sich nach unserer Einschätzung drei Managementmodelle als die dominanten, die Strategie von Unternehmen wirklich prägende Systeme herauskristallisiert.
Die Idee der wertorientierten Unternehmensführung
Als Begründer der Idee der wertorientierten Unternehmensführung (Value Based Management) kann wahrscheinlich Alfred Rappaport gelten. In seinem Buch «Evaluation» beschreibt er, warum es klug und sinnvoll ist, dass sich Unternehmen an der Wertsteigerung, dem Total-return-to-share-holder ausrichten. Aus seinen Überlegungen wurde später die Bewegung des Shareholder-Value, die natürlich völlig in die falsche Richtung zielte und auch keine Basis hatte, auf der ein vernünftiges Managementkonzept hätte aufgebaut werden können. Doch die Grundidee der Wertsteigerung macht Sinn, wie vergleichsweise leicht zu zeigen ist. Um ein Unternehmen vor dem Ausscheiden auf dem Markt zu bewahren, braucht es zwei ökonomische Grössen: Liquidität und Vermögenswert. Die eine Grösse sichert die Zahlungsfähigkeit, die andere bewahrt das Unternehmen vor Überschuldung. Solange ein Unternehmen zahlungsfähig ist und der Vermögenswert die Verbindlichkeiten übersteigt, bestimmen die Gesellschafter, wie sich die Zukunft des Unternehmens darstellen soll.
Während nun die Grundlogik der Zahlungsfähigkeit relativ leicht abzubilden ist, stellt sich dies im Thema des Vermögenswertes doch etwas komplexer dar. Betrachten wir ein Unternehmen als Kapital- und Vermögensanlage, so gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen Kapitalanlagen auch. Um den Wert einer Anlage oder einer Investition zu erhöhen, bedarf es der näheren Beleuchtung von zwei Aspekten: Rendite und Risiko. Betrachtet man gleichzeitig in der Empirie Unternehmen, die über einen längeren Zeitraum besondere Vermögenszuwächse erzielt haben, so fällt auf, dass diese Unternehmen in der Regel auch überdurchschnittlich gewachsen sind. Während Rendite und Risiko kapitalmarkttheoretische Grössen sind, ist Wachstum eine empirische.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass dieses Wachstum gesund sein muss, um zielführend zu sein. Verbindet man diese drei Elemente miteinander, so lässt sich folgendes strategisches Ziel daraus ableiten: «Ein gesundes Unternehmen sollte daran interessiert sein, nachhaltig, profitabel, mit vertretbarem Risiko, gesund zu wachsen.»
Die optimale Balance aus diesen drei Grössen in Verbindung mit der Liquidität des Unternehmens schafft Sicherheit, Unabhängigkeit und erhöht den Unternehmenswert.
Differenzierung statt Austauschbarkeit
Wir wissen aus den Naturwissenschaften spätestens seit den Forschungen von Sir Isaac Newton, dass es keine Wirkung ohne Ursache geben kann. Wenn nun die Wertsteigerung, ausgedrückt in Rendite, Wachstum, Risiko und auch Liquidität, die Folge erfolgreichen Bemühens und Handelns im Unternehmen ist, so stellt sich hier sofort und zwingend die Frage nach der Ursache. Denn wir möchten hier eine These aufstellen, die da lautet: «In stagnierenden Märkten führen austauschbare Leistungen zwingend zu einer negativen Rendite!» Das eigentliche Problem für Unternehmen ist dem zufolge die Undifferenziertheit, die Austauschbarkeit. Wenn Sie der These zustimmen, dass in stagnierenden Märkten austauschbare Leistungen zwingend zu einer negativen Rendite führen, so ist die Aufgabenstellung für Unternehmen strategisch völlig klar: «Differenzierung, Alleinstellung, Profil!» Nur differenzierte, nutzenbietende Leistungen nach dem Motto «anders und besser als alle anderen» haben das Format, Unternehmen dauerhaft im Markt zu halten.
Wenn wir nun auf die Suche nach Alleinstellungsmerkmalen sind, so sind es drei Ebenen, die uns helfen können:
- Produktbezogene Differenzierung: Unternehmen können produktbezogene Alleinstellungsmerkmale haben und sich auf Basis von Funktionalität und Preis differenzieren.
- Produktbegleitende Differenzierung: Auf dem Weg von Services, Dienstleistungen und Systemen haben Unternehmen ebenfalls die Möglichkeit, ihre Kernleistung weiterzuentwickeln, anzureichern und auch hier Alleinstellungsmerkmale aufzubauen.
- Emotionale Differenzierung: In vielen Fällen kauft der Kunde nicht das Produkt, sondern die Person, die es verkauft, oder auch die Marke, der er vertraut. Wenn dieses Bild für Sie transparent ist, so werden Sie unserer These folgen, die da lautet: «Strategie ist der Weg zu den Wettbewerbsvorteilen von morgen!»
Der Urvater dieser These ist Michael Porter, der uns allen in den 80er Jahren mit seinem Buch «Competitive advantage» (Wettbewerbsvorteile) deutlich den Weg gezeigt hat.
Kernkompetenzen
So schön Wettbewerbsvorteile für ein Unternehmen auch sind – sie haben, wie alles Schöne, einen Nachteil: sie sind leider vergänglich! Kaum hat man einen – auf welcher der drei genannten Ebenen auch immer – aufgebaut, erscheint ein Wettbewerber und versucht, durch Kopie und manchmal auch durch Weiterentwicklung des Wettbewerbsvorteiles, ihn wieder zunichte zu machen, um selbst einen Vorteil aufzubauen. Dieses Streben nach Vorteilen ist die Grundlogik des marktwirtschaftlichen Systems und deshalb auch gut und richtig.
Wenn uns bewusst wird, dass Wettbewerbsvorteile zwar die Grundlage dafür sind, dass wir gegenwärtig erfolgreich im Markt agieren können, dass diese aber einer logischen Erosion unterliegen, so ist doch die Frage zu stellen: «Was befähigt eigentlich ein Unternehmen, immer neue Kernkompetenzen zu entwickeln?» Die Antwort dafür geben uns Gary Hamel und sein Partner Prahalad. In ihren Arbeiten zum Thema «The Core Competence of the Corporation» haben sie deutlich gemacht, dass es letztlich die Kombination von Kernkompetenzen ist, die wie die DNA eines Unternehmens das Geschäftsmodell prägt und als Grundlage für dauerhafte, verteidigungsfähige Wettbewerbsvorteile angesehen werden kann. Der Anspruch an Kernkompetenzen ist hoch. Sie müssen Wettbewerbsvorteile schaffen, sollten dauerhaft sein, dürfen optimaler Weise nicht frei käuflich und im Idealfall zudem multiplizierbar sein. Der Anspruch ist also hoch und demzufolge gibt es genügend Unternehmen, die sich sehr schwer tun werden, auch nur eine einzige Kernkompetenz zu definieren. Diese sind aber in unserer Logik die Kronjuwelen und auch entsprechend zu erarbeiten, dann zu hüten und zu pflegen.