Nachhaltigkeitsstrategie: Vermeiden Sie Greenhushing und binden Sie so Kunden an sich

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Nachhaltigkeitsstrategie – und das Greenwashing
Längst hat das Thema Nachhaltigkeit für ein Umdenken gesorgt: In der Gesellschaft, bei VerbraucherInnen und auch in Unternehmen. Produkte und Dienstleistungen werden kritisch unter die Lupe genommen. Denn sie sollen ressourcenschonend, klimaneutral und tierfreundlich hergestellt sein, zusätzlich oft noch Bio-Qualität aufweisen.
Mehr und mehr erhöhten VerbraucherInnen den Druck auf die Unternehmen. Mehr und mehr erkannten Unternehmen: Nachhaltige Unternehmensführung ist längst kein Nice-to-have, sondern ein Must-Have und somit ein knallharter Wettbewerbsvorteil. Ein grünes Image muss(te) her: Öko, Nachhaltig, Bio, Recycelbar, Klimaneutral, bei dem die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen oft über den Klee gelobt wurden.
Ja, über den Klee gelobt und oft nur halbherzig umgesetzt, wie der Corporate Climate Responsibility Monitor 2023 aufzeigt. In dieser Studie des Kölner NewClimate Institutes und der Brüsseler Organisation Carbon Market Watch wurden Klimaaussagen von 24 multinationalen Unternehmen unter die Lupe genommen. Gerade mal neun Unternehmen wird eine „mittlere“ Integrität bescheinigt, der Rest mit „niedrig/sehr niedrig“ eingestuft. Denn viele Unternehmensaussagen sind irreführendenden Aussagen und gelten als Greenwashing, da sie den VerbraucherInnen ein nicht eingehaltenes Bild der Umweltverantwortung vortäuschen.
Nachhaltigkeitsstrategie – Stopp dem Greenwashing
Das Europäische Parlament hat mit einer neuen Richtlinie, dem Green Claims Directive (GCD) dem Greenwashing den Kampf angesagt. Seit dem 26. März 2024 ist diese in Kraft getreten und muss bis zum 27. März 2026 in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Diese Richtlinie soll verhindern:
- Irreführende Öko-Werbung,
- Irreführende Umweltaussagen,
- Falsche Nachhaltigkeits-Versprechen,
- Möchtegern-Labels und
- Fake-Siegel.
Diese Richtlinie soll für umweltbezogene Werbeaussagen schaffen:
- Standards für die Vergleichbarkeit
- und Standards für die Belegbarkeit.
Im Klartext: Werbung, die Produkte irreführend als umweltfreundlich anpreist, wird verboten. Mit dem Ziel, VerbraucherInnen sollten bewusstere Kaufentscheidungen treffen können. Eine Richtlinie, die auch für die Schweiz Auswirkungen hat:
- Schweizer VerbraucherInnen ändern ihre Kaufpräferenzen immer öfter auf der Grundlage von Nachweisen der Nachhaltigkeit. Gerade bei jüngeren Generation ist dieser Trend sehr ausgeprägt – und wird durch den Blick auf das Geschehen innerhalb der EU noch zunehmen.
- Schweizer Hersteller möchten – verständlicherweise – die gleichen Werbeaussagen in den benachbarten EU-Ländern (z.B. Österreich, Deutschland, Frankreich oder Italien) verwenden, d.h. die GCD muss somit umgesetzt werden.
- Green Claims scheitern oft an praktischen und kommerziellen Umständen. Denken Sie nur an die Verfügbarkeit lokaler Abfallentsorgungsanlagen. In der Schweiz gibt es im Gegensatz zu einigen EU-Ländern kein umfassendes Recycling-System für Kunststoffe. Werben Sie jedoch mit solch einem Disclaimer – beispielsweise einem Green Claim „100 % recycelbar“ – birgt dies das Risiko der Irreführung.
- Green Claims, die im Ausland, beispielsweise Deutschland, gesetzt werden, müssen (!) auf ihre Vereinbarkeit mit der schweizerischen Nachhaltigkeitsgesetzgebung und –praxis überprüft werden.
- Übersetzungen des Disclaimers in eine oder alle Amtssprachen der Schweiz (Deutsch, Französisch, Italienisch) müssen berücksichtigt werden, ohne durch die Übersetzung falsche und irreführende Aussagen zu generieren.
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Greenhushing auch keine Lösung: 5 Tipps für eine Kommunikation im Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie
Die neue GCD Richtlinie ist eine Verschärfung – und scheint in erster Linie den VerbraucherInnen zu dienen. Nun, der Schein trügt. Jedes Unternehmen profitiert davon. Denn endlich gibt es verlässliche Richtlinien und Standards, an die sich jedes Unternehmen halten muss. Wettbewerbsverzerrungen, die durch das Werben mit irreführenden Nachhaltigkeits-Aussagen erzielt wurden, werden korrigiert.
Sie und Ihr Unternehmen können sich stattdessen gezielt und klug von der Konkurrenz in puncto Nachhaltigkeit absetzen. Allerdings nur, wenn Sie nicht in ein Greenhushing verfallen, d.h. Ihre Bemühungen und Realisierungen in puncto Nachhaltigkeit lieber verschweigen. Vielleicht aus Angst, gegen einen Aspekt der Richtlinie zu verstossen. Vielleicht aus Sorge vor einem Shitstorm. Vielleicht, weil Sie jetzt auch nicht so genau wissen, aus was Sie achten müssen.
Optimieren Sie stattdessen lieber Ihre Kommunikation und Marketingstrategien, als auch Ihre Werbeaussagen. Machen Sie Ihr Unternehmen GCD fest. Die Mühe lohnt sich. Denn Ihre Kunden werden es Ihnen danken - mit einer starken Kundenbindung. Die folgenden Tipps geben Impulse, wie es Ihnen gelingt.
Tipp 1: Die eigene Nachhaltigkeitskommunikation auf dem Prüfstand
Hinterfragen Sie Ihre bisherige Nachhaltigkeitskommunikation. Seien Sie dabei kritisch und ehrlich.
- In welchen Bereichen wird mit Umweltvorteilen geworben, ohne dass diese Green Claims konkret und belegbar sind?
- Wie wurden diese Umweltvorteile bisher beworben?
- In welchen Bereichen bietet das Unternehmen dagegen konkrete, belegbare, vermittelbare Umweltvorteile?
- Welche dieser Umweltvorteile hebt Ihr Unternehmen von der Konkurrenz ab?
- Wie können diese Green Claims kommuniziert werden?
- Von welchen geringfügigen, gar schwer belegbaren Umweltvorteilen müssen/sollten Sie sich verabschieden?
Tipp 2: Checken Sie Ihre Werbe-Aussagen auf Green Claims
Nachhaltigkeit ist ein Aspekt Ihrer Werbung. Gut. Doch nicht mehr gut genug, da eine Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 offenbarte: 50 Prozent aller umweltbezogenen Aussagen zu oder auf Produkten können keiner kritischen Prüfung standhalten.
Durchforsten Sie deshalb jeden Slogan, jede Werbeaussage, jede Produktbeschreibung, jeden Presseartikel, jeden Bericht und/oder Text auf Ihrer Webseite. Fokussieren Sie dabei Green Claims, die Sie und Ihr Unternehmen gesteckt haben – beispielsweise:
- Umweltfreundlich
- Klimaneutral
- Umweltschonend
- Nachhaltig
- Recyclebar
- Kompostierbar
- Fair gehandelt
- Jetzt 30% weniger Emissionen
- 50% weniger Plastik bis 2025
- 45% weniger CO² Ausstoss
Tipp 3: Green Claims hinterfragen und streichen
Ihre Liste ist sicherlich lang geworden. Und so poppt die Frage auf: Muss jetzt alles gestrichen werden? Prüfen Sie erneut. Folgendes gibt es dabei zu beachten.
Sollten Sie streichen – und zwar deshalb | Beispiele für Werbe-Aussagen |
Allgemeine und unspezifische Werbebegriffe |
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Allgemeine Umweltaussagen |
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Angaben, die sich eigentlich nur auf einen Teil des Produktes/Materials bezieht, z.B. die Verpackung, aber für den Verbraucher für alles steht |
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Angaben, die sich als Vergleich auf das eigene Vorgängerprodukt und nicht auf den Marktdurchschnitt beziehen |
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Fehlende Angaben, die weder Ausmass noch Vergleichbarkeit in Kontext stellen |
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Tipp 4: Neue Green Claims setzen
Verankern Sie die Richtlinien. Leiten Sie aus diesen neue Werbeaussagen ab, mit denen Sie gezielte Green Claims setzen. Dabei müssen Sie beachten:
- Korrekte Green Claims formulieren, d.h. diese müssen wahr sein und nicht in die Irre führen.
- Spezifische Umweltaussagen treffen, d.h. kommunizieren Sie Aussagen, die nachvollziehbar und wesentlich sind.
- Lebenszyklusperspektive der Umwelt-Claims fokussieren, d.h. die beworbenen Umweltauswirkungen müssen über den gesamten Lebenszyklus des Produkts relevant sein.
- Belegbarkeit der Green Claims, d.h. Ihre Werbeaussagen müssen auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse basieren, wie beispielsweise Lebenszyklusanalysen (Life Cycle Assessments) oder dem Umwelt-Fussabdruck (Product Environmental Footprint).
- Externe Verifizierung aller Umweltaussagen, d.h. bevor eine Aussage kommuniziert werden darf, muss sie geprüft werden. Auch bestehende Gütesiegels, Zertifikate und Labels durchlaufen den Prozess, da auch diese stark reglementiert werden. Es wird kein Öko-Siegel ohne EU-OK geben.
- Zielgruppen-Orientierte Kommunikation, d.h. Fachbegriffe oder englische beliebte Nachhaltigkeitsbegriffe, wie Scope 1 oder Net Zero, vermeiden, da die VerbraucherInnen verstehen müssen, was sie kaufen.
Tipp 5: Erhöhen Sie den Informationslevel
Unterfüttern Sie Ihre Green Claims und/oder Umweltaussagen durch kluge Begleit- und Hintergrundinformationen. Diese müssen (!) auf dem Produkt oder demselben Medium kommuniziert werden. Nutzen Sie dafür QR-Codes, Links, Tracking, Rückverfolgbarkeitstools. Erhöhen Sie auf diese Weise die Transparenz – und das Vertrauen, das die Kunden in Ihr Unternehmen setzt.