Neue Arbeitsformen: Vor- und Nachteile von Freelancing, Crowdworking und Co.

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Neue Arbeitsformen in der Arbeitswelt 4.0
Neue Beschäftigungsformen stellen das Arbeitsrecht und dessen Anwendung vor zahlreiche Herausforderungen. Die Digitalisierung treibt die Anwendung von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) im Arbeitsrecht voran. Es stellt heute kein Problem mehr dar, weltweit Dienstleistungen innert kürzester Zeit auszutauschen. Neuartige Entwicklungen wie z. B. Big Data, Mobile Computing oder die Cloud ermöglichen völlig neuartige Arbeitsformen. Der klassische Büroplatz entspricht nicht mehr den geänderten Bedürfnissen und heutigen Vorstellungen von Arbeitnehmenden. Hingegen fordern sie mehr Selbstbestimmung sowie Flexibilität bei der Arbeitseinteilung sowie -ausführung. Der Begriff Work-Life-Balance ist in aller Munde, und das Arbeiten mit mobilen Geräten von unterwegs, vom Homeoffice, vom Café oder von Co-Working-Spaces ist gefragter denn je.
Speziell die neue Form des Crowdworkings ist aus der heutigen Arbeitswelt 4.0 nicht mehr wegzudenken. Das Crowdworking ist eine neue Form der Arbeitsauslagerung für Arbeitgebende und eine neue Arbeitsbeschaffungsmöglichkeit für Arbeitnehmende. Bei dieser jungen Arbeitsform funktionieren nationale oder internationale Plattformen als eine Art digitale Jobvermittlungsbörse. Durch dieses Outsourcing werden Einzelprojekte über die webbasierte Plattform in die ganze Welt vermittelt, ohne dass über die jeweilige Aufgabenerfüllung hinaus eine weitere Zusammenarbeit vorgesehen wäre. Auf der Plattform werden einzelne sogenannte Mikrojobs von Kunden oder vom Plattformbetreiber selbst ausgeschrieben, auf welche sich Crowdworker bewerben können. Eine solche Plattformbeschäftigung kann in ganz verschiedenen Ausprägungen vorliegen. Der Fahrdienst Uber ist ein Beispiel für die Internet- bzw. App-basierte Vermittlung von Fahraufträgen. Eine Plattform kann auch dermassen ausgestaltet sein, dass einzelne Aufgaben (z. B. das Testen einer neuen Software) ausgeschrieben werden. Auf diese Anzeige können interessierte Personen aus der ganzen Welt mit dem Ausschreiber Kontakt aufnehmen und die Einzelheiten der Ausführung der Tätigkeit verhandeln oder direkt ihr Arbeitsergebnis präsentieren. Grundsätzlich werden Arbeiten oder spezifische Projekte in kleinere Aufträge zerlegt und in die Crowd – die englische Bezeichnung für Menge – gegeben. Das Unternehmen kann so in der Crowd den perfekten Kandidaten für diesen Mikrojob aussuchen.
Beschränkter Anwendungsbereich neuer Arbeitsformen
Einleuchtend ist, dass solche neuen Arbeitsformen nicht für jede Arbeitstätigkeit infrage kommen. Einerseits existieren Berufe, in welchen digitales Arbeiten schlicht nicht umsetzbar ist. Ein Busfahrer, eine Pflegefachperson oder eine Kellnerin beispielsweise können in ihren klassischen Tätigkeiten diese Flexibilität von neuen Arbeitsformen kaum beanspruchen. Hingegen existieren Tätigkeitsfelder, in welchen flexible Arbeitsmodelle problemlos möglich sind. Es spielt für einen Blogger keine Rolle, ob er seinen Beitrag für Social Media von zu Hause oder vom Strand in Hawaii schreibt. Auch ein Programmierer kann am anderen Ende der Welt sitzen und von dort aus eine Software testen, obwohl sein Arbeitgeber hier in der Schweiz ist.
Vorteile neuer Arbeitsformen
Die Vorteile von solch neuen Beschäftigungsformen sind offensichtlich. Arbeitnehmende können weltweit ihre Arbeitskraft über das Internet anbieten, ohne dabei an einen festen Arbeitsplatz oder den lokalen Arbeitsmarkt gebunden zu sein. Die zeitliche und örtliche Flexibilität wird in der Regel sehr geschätzt, Arbeitnehmende sparen sich allfällige Pendelzeiten. Überdies können Kosten für auswärtige Verpflegung oder Abonnemente für den öffentlichen Verkehr bzw. Treibstoff gespart werden. Crowdworker können durch diese neuen Arbeitsformen selbst bestimmen, welche Aufgaben sie auswählen möchten und wann, wie viel und von wo sie arbeiten. Dies erlaubt ein hohes Mass an Freiheit, Selbstverwirklichung und Selbstorganisation – und damit Vereinbarkeit von Beruf und Familie – anstelle der Fremdbestimmung durch klassische Arbeitsformen.
Arbeitgebende hingegen können auf zusätzliches kreatives Potenzial zurückgreifen. Ein solcher Input von aussen ist frisch und losgelöst von starren Firmenstrukturen. Die Auswahl an Abnehmern für solche Mikrojobs im Internet ist gross, da eine solche Plattform eine globale Reichweite hat. In der Regel sparen Arbeitgebende Steuern durch eine solche Auslagerung. Ebenso sind auch die Personalkosten tiefer, da Arbeitnehmende in anderen Ländern tiefere Lohn- und Lebenskostenstandards haben. Ferner spielt der zeitliche Faktor für Arbeitgebende oftmals eine wichtige Rolle; durch ICT können Arbeitsaufträge innert kürzester Zeit an einen Crowdworker im Ausland vergeben werden. Arbeitgebende müssen nicht neue Fachkräfte einstellen, und durch das Crowdworking bleiben im Unternehmen selbst freie Kapazitäten für andere Aufgaben.
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Nachteile neuer Arbeitsformen
Crowdworker geniessen nicht die gleiche arbeitsrechtliche und soziale Absicherung wie lokal angestellte Arbeitnehmende. Für Risiken wie z. B. Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall müssen sich Crowdworker oftmals selbst absichern. Sie sehen sich unsicheren Arbeitsbedingungen ohne den Rückhalt einer möglichen Gewerkschaft gegenübergestellt. Häufig fehlt es an der Subordination eines Plattformbeschäftigten, welche für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses nach Schweizer Recht notwendig ist. Solche Crowdworker sind daher oftmals als selbstständige Dienstleistungserbringer anzusehen. Des Weiteren ist das Lohnniveau regelmässig tief, denn es gibt immer jemanden, der die gleiche Arbeit für einen günstigeren Lohn anbietet. Dies erhöht gleichzeitig auch den Druck auf und die Ansprüche an die Arbeitnehmenden. Wenn nicht genügend Aufgaben zur Verfügung stehen, führt dies dazu, dass Arbeitnehmende kein regelmässiges Einkommen erzielen können. Die ständige Erreichbarkeit durch ICT kann ausserdem negative Folgen für das Privat- und Familienleben von Arbeitnehmenden mit sich bringen. Wenn die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen, kann dies zu Mehrarbeit oder Stress führen. Auch sehen sich Crowdworker dem Risiko ausgesetzt, keine genügende Altersvorsorge aufbauen zu können.
Ein negativer Aspekt für Arbeitgebende ist das Risiko der Scheinselbstständigkeit der Crowdworker. Das eigene Image kann ferner aufs Spiel gesetzt werden, wenn Arbeitsaufträge von Crowdworkern nicht zufriedenstellend ausgeführt werden. Mangelndes Zeit- und Selbstmanagement von Crowdworkern kann ein Risiko für Arbeitgebende darstellen. Auch fehlende Aufsicht oder Führung kann dazu führen, dass ein Projektauftrag am Ende scheitert. Denn ein Weisungsrecht besteht oftmals nur in formalen oder materiellen Anweisungen, da Crowdworker sich nicht in den Betrieb des Plattformbetreibers eingliedern wollen. Die Anforderungen an den Datenschutz sind durch neue Arbeitsformen enorm gestiegen. Denn die neue Arbeitswelt 4.0 funktioniert grösstenteils elektronisch und resultiert darin, dass durch virtuelle Arbeit bearbeitete Daten rund um die Welt verschickt werden.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass insbesondere im Rahmen von internationalen Plattformbeschäftigungen Arbeitgebende sich vielen und neuartigen Herausforderungen gegenübergestellt sehen. In solch neuen Beschäftigungsformen stellen sich Fragen zur Abgrenzung des Crowdworkers als unselbstständiger Arbeitnehmer oder selbstständiger Auftragnehmer, zur Absicherung durch Sozialversicherungen, zur Anwendbarkeit schweizerischen oder ausländischen Rechts, zum Subordinationsverhältnis oder zur Anwendbarkeit der Vorschriften zur Arbeitsvermittlung.
Neue Beschäftigungsformen entwickeln sich von der klassischen engen Betriebseinordnung hin zur losen Arbeitsbeziehung. Eine starre Anwendung des Begriffs des Arbeitsvertrags sowie von arbeitsrechtlichen Vorschriften wird in der Arbeitswelt 4.0 nicht immer möglich sein. Zukünftige Rechtsprechung sowie Gesetzgebung wird zeigen, inwiefern innovative Lösungsansätze für neue Arbeitsformen Anwendung finden werden.
FAQ - Häufige Fragen zum Thema Neue Arbeitsformen
Frage: Was unterscheidet den Freelancingvertrag vom Arbeitsvertrag?
Antwort: Bei neuen Beschäftigungsformen wie Freelancing stellt sich regelmässig die rechtlich zentrale Frage, ob es sich beim konkreten Vertragsverhältnis tatsächlich um eine Kooperation unter Selbständigen handelt – oder ob die Merkmale eines klassischen Arbeitsverhältnisses erfüllt sind.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Arbeitsvertrags:
Auch wenn ein Vertrag als Freelancingvertrag bezeichnet wird, kann in der Praxis dennoch ein Arbeitsverhältnis vorliegen – mit entsprechenden rechtlichen Folgen. Typische Indizien dafür sind:
- Einbindung in betriebliche Strukturen,
- Vorgabe fixer Arbeitszeiten oder Blockzeiten,
- Zurverfügungstellung der Arbeitsmittel durch das Unternehmen (z. B. Computer, PW),
- Aufgaben, die nicht projektbezogen, sondern dauerhaft erbracht werden,
- regelmässige, eher fixe Entlöhnung,
- Weisungsgebundenheit des Freelancers.
Bedeutung der Abgrenzung:
Liegt ein Arbeitsverhältnis vor, sind die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen sowie die Beitragspflichten im Bereich der Sozialversicherungen (AHV, IV, allenfalls BVG) anwendbar. Der vermeintliche Freelancer wäre in diesem Fall als unselbstständiger Arbeitnehmer zu qualifizieren.
Warnung vor Scheinselbständigkeit:
Unternehmen, die fälschlicherweise von einer selbständigen Tätigkeit ausgehen, obwohl die Sozialversicherungsbehörden ein Arbeitsverhältnis erkennen, müssen unter Umständen rückwirkend für bis zu fünf Jahre sämtliche Sozialversicherungsbeiträge nachbezahlen. Besonders bei mehreren betroffenen Personen kann dies zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.
Hinweis:
Die zuständige Ausgleichskasse beurteilt im Einzelfall, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt – unabhängig davon, wie die Vertragsparteien ihr Verhältnis betitelt oder welche Vereinbarungen sie zur Beitragspflicht getroffen haben.
Sind Sie unsicher, ob es sich um ein echtes Freelance-Verhältnis oder ein Arbeitsverhältnis handelt, empfiehlt sich die frühzeitige Rücksprache mit der zuständigen Ausgleichskasse. Eine Übersicht finden Sie unter: www.ausgleichskasse.ch
Frage: Was sollte ein Freelancingvertrag beinhalten?
Antwort: Damit ein Freelancingverhältnis rechtskonform und praxisgerecht ausgestaltet ist, empfiehlt es sich, im Vertrag insbesondere folgende Punkte zu regeln:
- Vertragsgegenstand (Art und Umfang der beauftragten Leistungen)
- Klarstellung der Selbständigkeit des Vertragspartners (bei Einzelpersonen)
- Honorar sowie allfällige Spesen und Abrechnungsmodalitäten
- Substitutionsrecht (Stellvertretung möglich?)
- Auftritt gegenüber Dritten (im eigenen oder fremden Namen?)
- Rechenschaftspflicht über den Fortschritt oder Abschluss der Arbeiten
- Übergabe und Abnahme des Arbeitsergebnisses
- Haftung bei Nichteinhaltung von Terminen (z. B. Konventionalstrafe)
- Rechtsgewährleistung
- Rechte an den Arbeitsergebnissen (Urheberrecht, Nutzungsrechte etc.)
- Vertragsdauer, inkl. Kündigungsmöglichkeiten (auch unbefristet möglich)
- Vertraulichkeit und Datenschutz
- Versicherungsschutz, inkl. Hinweise auf Selbstverantwortung bei Sozialversicherungen
- Konkurrenzverbot oder Verzicht auf spätere Anstellung
- Gerichtsstand und anwendbares Recht
Ein sorgfältig formulierter Vertrag schützt beide Seiten vor Missverständnissen und rechtlichen Unsicherheiten. Vorlagen für entsprechende Verträge finden Sie in unseren empfohlenen Arbeitshilfen.