Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht: Einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses

Statt eine Kündigung auszusprechen, kann das Arbeitsverhältnis auch mittels Aufhebungsvertrag beendet werden. Dazu müssen sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer ein Interesse an der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses haben. Was es beim Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht zu beachten gibt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

10.12.2024 Von: Leena Kriegers-Tejura
Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht

Einleitung

In der Praxis wird ein Arbeitsverhältnis oft mittels eines Aufhebungsvertrags aufgelöst, anstatt eine (ordentliche oder gar fristlose) Kündigung auszusprechen. Aufhebungsverträge sind geeignet, wenn sich strittige Forderungen gegenüberstehen und die Parteien ihre gegenseitigen Forderungen bei Vertragsbeendigung durch eine umfassende Regelung bereinigen wollen. In der Praxis bedient man sich des Aufhebungsvertrags überdies, um Arbeitsverhältnisse höher eingestufter Arbeitnehmer1 (Geschäftsleitungsmitglieder, höheres Management, Verwaltungsräte etc.) zu beenden.

Wenn beide Parteien ein Interesse an einer einvernehmlichen Auflösung haben oder der Arbeitnehmer einen solchen explizit wünscht, steht diesem Szenario grundsätzlich nichts im Weg. Wenn der Vorschlag eines Aufhebungsvertrags von der Arbeitgeberin ausgeht, sind einige Aspekte zu berücksichtigen, die nachfolgend erörtert werden.

Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht: Zulässigkeit und Form

Den Parteien im Arbeitsverhältnis steht es aufgrund der Vertragsfreiheit offen, jederzeit Verträge einzugehen und wieder aufzuheben. Im Arbeitsvertrag ist allerdings das zwingende Verzichtsverbot von Art. 341 Obligationenrecht (OR) zu beachten, wonach der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und eines Monats nach dessen Beendigung nicht wirksam auf Forderungen verzichten kann, welche sich aus unabdingbaren gesetzlichen oder unabdingbaren gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen ergeben.

Art. 341 OR verbietet den Abschluss von Aufhebungsverträgen grundsätzlich nicht. Falls jedoch der Verzicht auf bestehende Ansprüche vorliegt, ist ein angemessener Vergleich nötig. Das heisst, eine Ungültigkeit kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf ihm zwingend zustehende Ansprüche ohne Gegenleistung verzichtet. Dabei ist stets zu prüfen, wer ein überwiegendes Interesse an der Aufhebung hat und ob der Arbeitnehmer eine adäquate Gegenleistung erhält. Massgebend ist gemäss Bundesgericht immer der Einzelfall, und es bedarf einer Interessenabwägung, wobei zu beurteilen ist, ob die beidseitigen Ansprüche, auf die verzichtet wird, von ungefähr gleichem Wert sind.

Der Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht kann vorbehältlich einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung formfrei (Art. 115 OR) abgeschlossen werden. In der Praxis ist Schriftlichkeit üblich und empfehlenswert.

Voraussetzungen für einen gültigen Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht

Der Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht setzt voraus, dass ein bestehendes Arbeitsverhältnis noch existiert. Dieses kann bereits gekündigt, aber noch nicht beendet sein. Wichtig ist es auch, dass bei einem Aufhebungsvertrag, der von der Arbeitgeberin ausgeht, dem Arbeitnehmer eine Bedenkfrist eingeräumt wird. Wie lange diese Bedenkfrist sein soll, ist im Einzelfall zu entscheiden; strikte Regeln dazu gibt es nicht.

Das Bundesgericht hat in bereits ergangenen Fällen entschieden, dass ein Aufhebungsvertrag, welcher diese Voraussetzungen nicht erfüllt, nichtig ist.

Gegenseitigkeit und Gleichwertigkeit der Zugeständnisse

Durch den Aufhebungsvertrag kommt es meistens zur Aufhebung von Schutzrechten (z.B. Kündigungsschutz). Ein solcher Verzicht bedarf gemäss Rechtsprechung eines Interessenausgleichs zugunsten des Arbeitnehmers, da er sonst als ungültig erachtet wird. Dies wiederum führt zu einer einzelfallabhängigen Entscheidung.

Voraussetzung für die Annahme eines echten Vergleichs ist, dass die Arbeitgeberin nicht nur Leistungen erbringt, welche der Arbeitnehmer auch bei einer Arbeitgeberkündigung erhalten hätte. Werden darüber hinaus weitergehende Zugeständnisse gemacht (z.B. eine zusätzliche Entschädigung, Zahlung eines Outplacements, Vereinbarung über einen Bonus etc.) kann regelmässig von einem echten Vergleich ausgegangen werden. Wie hoch diese Leistungen sein müssen, damit ein echter Vergleich vorliegt, ist wiederum im Einzelfall zu prüfen.

Rechtsfolgen der Ungültigkeit

Konsequenz einer ungültigen Aufhebungsvereinbarung ist gemäss Bundesgericht die Nichtigkeit einer solchen Vereinbarung. Bei einer Nichtigkeit stellt sich die Frage, ob das Arbeitsverhältnis trotz einer angenommenen Ungültigkeit als aufgehoben gilt oder ob es zur Auflösung noch einer Kündigung bedarf (sofern vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags noch keine Kündigung ausgesprochen worden war). Die herrschende Lehre stellt sich auf den Standpunkt, dass das Arbeitsverhältnis auch bei Unzulässigkeit als beendet anzusehen ist.

Ausgewählter Praxisentscheid

Ein Arbeitnehmer buchte am 26. Oktober 2016 vier Tickets für eine gesponserte Veranstaltung, wobei er zwei Tickets nicht als private Ausgabe deklarierte und sich damit im Betrag von EUR 1875.– unrechtmässig bereicherte. Der Vorfall führte zu einer internen Untersuchung, in deren Rahmen der Arbeitnehmer am 1. März 2017 befragt wurde. Dabei räumte der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten ein. Anlässlich eines Meetings vom 17. März 2017 wurde der Arbeitnehmer über den Entschluss der Arbeitgeberin informiert, sich unverzüglich von ihm zu trennen. Dem Arbeitnehmer wurde ein Kündigungsschreiben (fristlose Kündigung) sowie «als Option» ein Separation Agreement zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgelegt, welches der Arbeitnehmer an Ort und Stelle unterzeichnete. Die Arbeitgeberin erfüllte daraufhin die Forderungen aus dem Separation Agreement. Am 22. November 2017 stellte der Arbeitnehmer die Gültigkeit des Separation Agreements und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses infrage und erhob Klage. Das Arbeitsgericht und das Obergericht hiessen die Klage des Arbeitnehmers teilweise gut. Das Bundesgericht2 kam nach Ausführungen zu den Voraussetzungen eines Aufhebungsvertrags ebenfalls zum Schluss, die Ansicht der Vorinstanz sei zu schützen. Das Bundesgericht bestätigte damit, dass der Arbeitnehmer das Separation Agreement nicht aus freien Stücken, jedenfalls aber offensichtlich nicht ohne Zwang, unterzeichnete. Deshalb sei das Separation Agreement ungültig. Die Vorinstanz sei nachvollziehbar von einer Umgehung der gesetzlichen Kündigungsfristen und damit von der Nichtigkeit des Separation Agreements ausgegangen, und diese Ansicht sei zu schützen.

Aufhebungsvertrag und Arbeitslosenversicherung

Aus Sicht des Arbeitnehmers erscheint ein Aufhebungsvertrag im Arbeitsrecht oft ein kleineres Übel zu sein als eine Arbeitgeberkündigung. Allerdings kann ein Aufhebungsvertrag bei einer Arbeitslosigkeit Konsequenzen haben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis auf einen früheren Zeitpunkt beendet wird, als es durch eine ordentliche Kündigung hätte beendet werden können, oder wenn der Aufhebungsvertrag auf Wunsch des Arbeitnehmers zustande kam. Kommt es nach dem Abschluss des Aufhebungsvertrags zu einer Arbeitslosigkeit, führt dies regelmässig zu Einstelltagen beim Arbeitnehmer, denn der Aufhebungsvertrag gilt nicht als Arbeitgeberkündigung, weshalb eine selbst verschuldete Arbeitslosigkeit vorliegt (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG).

Zu beachten ist ferner Art. 11 Abs. 3 AVIG. Danach ist ein Arbeitsausfall nicht anrechenbar für die Dauer, für welche dem Arbeitslosen Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses Entschädigungsansprüche zustehen. Darüber hinausgehende freiwillige Leistungen der Arbeitgeberin können zu einem nicht anrechenbaren Arbeitsausfall führen.

Fazit

Der Aufhebungsvertrag ist in der arbeitsrechtlichen Praxis ein bedeutendes Instrument, um Arbeitsverträge aufzulösen. Geht die Initiative von der Arbeitgeberin aus, ist darauf zu achten, dass der Aufhebungsvertrag als echter Vergleich interpretiert werden kann. Andernfalls besteht die Möglichkeit, dass ein Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag im Nachhinein, trotz einer vereinbarten Saldoklausel, gerichtlich überprüfen lassen kann. Stellt das Gericht fest, dass der Aufhebungsvertrag insbesondere Art. 341 OR widerspricht, kann der Aufhebungsvertrag für nichtig erklärt werden. Die herrschende Lehre vertritt die Ansicht, der Arbeitsvertrag sei gleichwohl als aufgehoben zu betrachten. In diesem Fall bleiben dem Arbeitnehmer die Ansprüche aus vertraglichen oder gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen erhalten (z.B. Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall).

Parteien sollten sich bei der Ausarbeitung von Aufhebungsvereinbarungen beraten lassen, vor allem wenn es im Vorfeld schon Diskussionen gab.

Fussnoten 
1 Wenn möglich wird eine geschlechtsneutrale Formulierung gewählt. Um den Lesefluss nicht zu stören, wird «die Arbeitgeberin» und «der Arbeitnehmer» verwendet. Die verschiedenen anderen Geschlechtsformen sind darin selbstverständlich eingeschlossen. 

2 BGer 4A_57/2021 vom 21. Juli 2021; Leena Kriegers-Tejura, Rechtmässigkeit einer fristlosen Kündigung bzw. Nichtigkeit einer Aufhebungsvereinbarung, in: WEKA Arbeitsrecht Newsletter 01 Dezember 2021|Januar 2022, verlinkt auf Webseite der Autorin auf www.bkt-legal.ch.

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