Erwachsenenbildung: 7 Thesen für die Zukunft

Die Erwachsenenbildung hat sich rasant weiterentwickelt. Technologische Innovationen wie generative KI sowie veränderte Lernbedürfnisse erfordern neue Konzepte. Die folgenden sieben Thesen greifen aktuelle Trends auf und zeigen auf, in welche Richtung sich die Weiterbildung künftig entwickeln wird.

23.07.2025 Von: Daniel Herzog
Erwachsenenbildung

These 1: Virtuelles und hybrides Lernen als neuer Standard 

Was einst als Übergangslösung in der Corona-Pandemie begann, ist heute fest etabliert: Lernen im virtuellen Raum gehört zum Alltag. Bildungsformate finden über Videokonferenzen, Lernplattformen und digitale Tools statt. Soziale Interaktionen, Gruppenarbeiten und Feedback lassen sich mittlerweile auch online gut abbilden, da unterstützt durch Breakout-Räume, Chats oder kollaborative Whiteboards.

Die technologische Entwicklung schreitet rasant voran: Virtual Reality, KI-Tutoren und immersive Lernräume werden zunehmend erprobt und eingesetzt. Gleichzeitig erkennen Bildungsanbieter, dass physische Präsenz nicht mehr zwingend notwendig ist, um qualitativ hochwertige Bildung zu vermitteln.

Blended Learning, die Mischung aus Präsenz und Online, hat sich dabei als Brückentechnologie etabliert. Doch langfristig wird der Präsenzunterricht zur Ausnahme: Hybride und digitale Formate ermöglichen mehr Flexibilität, Zugänglichkeit und Individualisierung. Bildung wird mobil, adaptiv und weitgehend ortsungebunden. Zudem wächst der Qualitätsanspruch.

These 2: Generative KI verändern die Lernlandschaft grundlegend

Seit dem Durchbruch von Anwendungen wie ChatGPT, Claude oder Gemini ist generative Künstliche Intelligenz ein integraler Bestandteil moderner Lernprozesse. Sie verändert die Art und Weise, wie Wissen vermittelt, angeeignet und gestaltet wird, und das in atemberaubendem Tempo.

Inhalte lassen sich automatisiert erstellen, strukturieren und zusammenfassen. Lernende nutzen KI-gestützte Tools als persönliche Tutor*innen, um Fragen zu klären, Denkanstösse zu erhalten oder Inhalte individuell zu vertiefen. Gleichzeitig unterstützt KI Lehrpersonen bei der Konzeption, Evaluation und kontinuierlichen Anpassung ihrer Kurse.

Diese neue Technologie fordert ein Umdenken in der Didaktik: Rollen verschieben sich, klassische Lehrformate werden hinterfragt, und der Fokus verlagert sich stärker auf Lernbegleitung, Reflexion und die kritische Auseinandersetzung mit KI-generierten Inhalten. Generative KI ist damit nicht nur Werkzeug, sondern auch Treiber eines fundamentalen Wandels in der Bildungswelt.

These 3: Individualisierung ist Standard

Lernen nach dem Giesskannenprinzip gehört der Vergangenheit an. Heute erwarten Lernende personalisierte Lernpfade, die sich an ihrem Vorwissen, Lerntempo und individuellen Zielsetzungen orientieren. Adaptive Lernsysteme analysieren das Lernverhalten in Echtzeit und passen Inhalte dynamisch an.

Microlearning-Einheiten, mobile Lernimpulse und Learning-on-Demand-Angebote fördern Autonomie und Motivation. Lernende entscheiden selbst, wann, wo und wie sie lernen. Individualisierung ist damit nicht mehr Ausnahme, sondern Normalität, insbesondere in der beruflichen Weiterbildung und im Corporate Learning.

These 4: Didaktik wird dialogisch, interaktiv und KI-unterstützt

Der klassische Frontalunterricht verliert zunehmend an Bedeutung. Stattdessen dominieren dialogische, aktivierende Lernformate, die auf Beteiligung, Reflexion und Transfer setzen. Methoden wie Gamification, Simulationen, Storytelling und der Einsatz interaktiver Tools, wie z. B. Mentimeter, Padlet oder Miro, schaffen lebendige Lernräume mit hoher Involvierung.

Gleichzeitig eröffnen KI-gestützte Dialogsysteme wie Chatbots und virtuelle Tutor*innen neue Möglichkeiten für personalisierte Lerninteraktionen in Echtzeit. Sie reagieren auf individuelle Fragen, geben Feedback und fördern selbstgesteuertes Lernen. 

Die Didaktik der Zukunft ist damit nicht nur digital, sondern vor allem partizipativ, flexibel und auf kontinuierlichen Dialog ausgelegt.

These 5: Lehrende werden zu Coaches, Lernarchitekt*innen und KI-Kompetenzträger*innen

Die Rolle der Lehrperson verändert sich grundlegend: Statt reiner Wissensvermittlung stehen heute Lernbegleitung, didaktisches Design und Beziehungsarbeit im Fokus. Lehrende entwickeln Lernumgebungen, strukturieren individuelle Lernpfade und fördern Selbststeuerung. 

Digitale Kompetenz, medienpädagogisches Denken und ein reflektierter Umgang mit KI-Tools gehören zum neuen Berufsbild. Wer Lernprozesse heute gestaltet, muss sowohl technische als auch soziale Brücken schlagen: zwischen Plattform und Präsenz, zwischen Algorithmen und Empathie.

Lehrende werden damit zu Schlüsselpersonen einer Bildung, die personalisiert, technologiegestützt und menschlich zugleich ist.

These 6: Lernprozesse werden datenbasiert und intelligent gesteuert

Learning Analytics ermöglichen erstmals eine präzise, kontinuierliche Auswertung von Lernverhalten, Fortschritt, Verständnis und Motivation. Digitale Plattformen erfassen in Echtzeit, wie Lernende mit Inhalten interagieren, und liefern damit die Grundlage für gezielte Rückmeldungen, adaptive Lernpfade und individuelle Unterstützung. Diese datenbasierte Steuerung macht Bildungsprozesse transparenter, wirksamer und messbarer. Gleichzeitig steigt die Verantwortung: Der sorgfältige, ethisch reflektierte Umgang mit personenbezogenen Lerndaten wird zum neuen Qualitätsmerkmal von Bildungseinrichtungen und Anbietern. Lernen wird damit nicht nur personalisiert, sondern auch systematisch optimiert – in einem Spannungsfeld zwischen Chancen, Transparenz und Datenschutz.

These 7: Weiterbildung ist strategischer Erfolgsfaktor und Teil der Unternehmenskultur

In einer dynamischen Arbeitswelt ist Weiterbildung nicht mehr Kostenstelle, sondern zentraler Hebel für Innovationskraft, Fachkräftesicherung und langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen investieren gezielt in eigene Lernökosysteme, Corporate Academies und Plattformstrategien, um Mitarbeitende zukunftsfit zu machen.

Gefragt sind Programme, die Future Skills fördern, wie z. B. Problemlösekompetenz, Kollaboration, KI-Kompetenz oder Selbstlernfähigkeit. Unterstützt durch generative KI, soziale Lernformate, Peer Learning und agile Entwicklungskulturen wird Weiterbildung zum integralen Bestandteil der Unternehmens-DNA.

Lebenslanges Lernen ist damit nicht nur individuell notwendig, sondern wird organisational bewusst gestaltet.

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