Mitarbeiterentwicklung: HR als Enabler des Wandels

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HR darf mehr sein als Prozessbegleitung
Veränderung startet immer bei uns selbst. Und sie wirkt erst dann richtig, wenn Vertrauen, Technologie und Haltung zusammenkommen. Haltung bedeutet mehr als schöne Worte im Employer Branding, sie steht für echte strategische und kulturelle Ausrichtung auf Zukunfts- und Lernfähigkeit. Es geht darum, wie ernst wir es mit Entwicklung meinen: Sind wir wirklich bereit, Menschen Verantwortung zu geben? Schaffen wir Lernräume? Leben wir selbst vor, was wir erwarten?
In meiner Rolle als HR-Strategieberaterin sehe ich immer wieder, wie schnell Talentmanagement zum Verwaltungsjob wird. Die Prozesse laufen, und die Excel-Listen werden gepflegt – aber Wirkung bleibt aus. So versanden Potenziale, und Mitarbeiterentwicklung bleibt ein leeres Versprechen. Mitarbeitende spüren: Hier geht es nicht um mich. Und HR verliert seine Wirkkraft. Ein Satz aus einem Projekt ist mir besonders hängen geblieben: «HR fragt jedes Jahr, wer in den Talentpool soll. Dann trage ich die Namen ein – aber es passiert nichts.» Diese Aussage zeigt, wie gross die Lücke zwischen Anspruch und Realität sein kann. Denn echte Mitarbeiterentwicklung passiert im Alltag – in Projekten, in Aufgaben, in Verantwortung –, nicht im Tool.
Employee-led Talent Management bedeutet genau das. Es beschreibt einen Wandel, weg von vorgegebenen Programmen hin zu einer Kultur echter Mitgestaltung. Mitarbeitende kennen ihre Stärken, wählen passende Entwicklungsoptionen und erhalten gezielte Unterstützung, die sie wirklich weiterbringt. Das ist kein Kontrollverlust, sondern ein Ausdruck von Vertrauen. Es geht nicht um Selbstüberlassung, sondern darum, klare Leitplanken zu setzen und innerhalb dieser Spielräume Verantwortung zu ermöglichen. Statt «One-size-fits-all» gibt es Wahlmöglichkeiten, die zum Menschen und zur Rolle passen – auf klarer Basis. HR schafft den Rahmen, Führungskräfte begleiten, Mitarbeitende gestalten aktiv mit.
Skills: Das Fundament für selbstgesteuerte Entwicklung
Wir erleben aktuell eine spannende Zeitenwende. Die Skills-based Organisation (SBO) setzt sich durch – langsam, aber stetig. Unternehmen erkennen zunehmend, dass klassische Laufbahnsysteme und starre Programme nicht mehr ausreichen, um Potenziale zu entfalten. Der Fokus verschiebt sich: weg von fixen Karrierepfaden hin zu individuellen Stärken, flexiblen Rollen und lernfähigen Strukturen. Für mich ist die SBO kein Endzustand, sondern ein strategischer Hebel. Denn Mitarbeiterentwicklung entfaltet dann ihre Wirkung, wenn sie von innen – aus dem, was Menschen können, wollen und selbst anstossen. Dann wachsen Menschen über sich hinaus – und prägen ihre Organisation mit.
Mitarbeiterentwicklung: Beispiele aus der Praxis
Was auf dem Papier oft abstrakt klingt, zeigt seine Kraft im echten Arbeitsalltag. Ich erinnere mich an verschiedene Situationen, in denen genau das passiert ist – Mitarbeiterentwicklung, die von innen kam. Und plötzlich wurde Potenzial sichtbar, wo vorher nur ein Jobtitel stand. Hier ein paar Geschichten, die das greifbar machen:
Strategin aus Leidenschaft
Eine Mitarbeiterin brachte sich in ein strategisches Thema von sich aus ein, für das sie viel Herzblut verspürt. Sie durfte den Business Case dazu schreiben und dann ein kleines Team aufbauen. Sie hat sich eingebracht, überzeugte und wurde so sichtbar. Sie wurde weder nominiert, noch war ihr Skill-Profil Teil eines offiziellen Talentpools, aber ihre Wirkung war unübersehbar.
Mutiger Innovator
In einem anderen Fall wechselte ein Kollege temporär, neben seinem daily business, in ein cross-funktionales Innovationsprojekt. Es gab kein Matching-Tool. Er hatte immer wieder mutige Verbesserungsvorschläge gemacht – und jemand hörte zu. Heute moderiert er Design-Thinking-Sessions mit Teams, die früher nie über ihn nachgedacht hätten, weil er «nur» ein KV-Lernender war.
Skills Week im Start-up
Ein Start-up hat intern eine «Skills Week» durchgeführt. Mitarbeitende konnten ihre verborgenen Talente vorstellen: von Data Visualisation bis Storytelling – viele Talente wurden so sichtbar. Eine Mitarbeiterin aus dem Backoffice wurde danach Co-Trainerin in einem Analytics-Team. Nicht, weil sie es musste – sondern weil sie es konnte und wollte.
Offene Rollen im Konzern
Ein Unternehmen hat damit begonnen, Rollen temporär zu «öffnen»: Wer Interesse hat, kann sich für drei Monate in andere Bereiche einbringen. So hat eine Mitarbeiterin aus der IT an der Entwicklung eines neuen Leadership-Programms mitgewirkt – und dabei neue Karriereoptionen für sich entdeckt, die sie zuvor nicht als echte Möglichkeit für sich gesehen hat.
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Was all diese Beispiele verbindet
So sieht es aus, wenn selbstgesteuerte Mitarbeiterentwicklung Realität wird: Menschen übernehmen Verantwortung, nutzen Chancen und überraschen mit dem, was in ihnen steckt.
HR spielt dabei eine Schlüsselrolle – aber nicht allein. Selbstgesteuerte Entwicklung braucht Raum, aber auch Richtung. Sie braucht Führungskräfte, die Potenziale ermutigen und nicht verwalten. Die ihre Rolle als Coach und Türöffner verstehen. Und sie braucht eine Kultur, die nicht auf «Talent Hoarding», sondern auf «Talent Sharing» setzt. Nur dann werden Chancen ermöglicht, nicht verhindert. Karrierewege sichtbar gemacht statt kontrolliert – über Projekte, Feedback und interne Mobilität. HR schafft dafür die nötige Transparenz, coacht Führungskräfte und bringt mit Formaten wie Mentoring, Job Cafés oder Talentmärkten Bewegung ins System.
Technologie: Ermöglicher statt Ersatz
Viele Mitarbeitende kennen ihre Optionen gar nicht. Laut einer Studie von HR Campus sind nur rund 40% mit dem Aufzeigen ihrer Karriereplanung und Entwicklungsmöglichkeiten zufrieden – mehr als jede*r fünfte Mitarbeitende gibt an, mit der Sichtbarkeit der Möglichkeiten sogar unzufrieden zu sein. Und genau hier kommt Technologie ins Spiel.
- KI kann Skills sichtbar machen, Lernpfade vorschlagen und Potenziale matchen.
- Interne Plattformen bringen Menschen und Projekte zusammen – ohne formelle
Beförderungsschritte. - Self-Services bieten Orientierung: genau dann, wenn Interesse da ist – nicht erst im Jahresgespräch.
Aber: Tools allein reichen nicht. Nur 51,9% empfinden sie als hilfreich. Was wirkt, ist das Zusammenspiel: Technologie und Haltung. Sichtbarkeit und Vertrauen. Empfehlung und echtes Gespräch. Denn Entwicklung beginnt nicht im Tool – sie beginnt im Job. Im Projekt. Im Mut, etwas Neues zu tun.
Fazit: Employee-led heisst auch HR-led – aber anders
Employee-led Talent Management ist kein Trend – es ist ein Umdenken. Und eine echte Chance für HR, wirklich etwas zu bewegen. Es beginnt dort, wo wir den Menschen zutrauen, ihren Weg selbst mitzugestalten. Wo HR Strukturen schafft, die Potenziale sichtbar machen, statt sie zu verwalten. Wo Technologie Orientierung bietet – und Haltung den Weg weist. Jetzt ist der Moment, den Kulturwandel nicht nur zu beschreiben, sondern erlebbar zu machen. Mit Vertrauen, Mut und dem klaren Bekenntnis: Entwicklung gehört in die Hände der Mitarbeitenden.
How to: Employee-led Talent Management
Employee-led Talent Management kann man nicht verordnen – aber möglich machen. Lieber klein starten als gar nicht. Diese fünf Schritte schaffen den Rahmen:
1. Haltung klären Was verstehen wir unter Entwicklung? Wie viel Selbststeuerung lassen wir zu – bei Potenzial, Lernwegen, Chancen?
2. Transparenz schaffen Oft fehlt es nicht an Möglichkeiten, sondern an Orientierung. Einfache Übersicht zu Lernfeldern, Projektbeteiligungen oder internen Wechselmöglichkeiten kann schon viel bewegen.
3. Führung sensibilisieren Coaching statt Kontrolle fördern. Mini- Trainings oder Peer-Dialoge helfen, Entwicklung im Alltag sichtbar zu machen – durch Feedback, Vertrauen, Lernmomente.
4. Mitarbeitende aktivieren Entwicklungsgespräche neu denken: Nicht «Was brauchst du für die Rolle?», sondern «Was willst du lernen?». Kleine Fragen mit grosser Wirkung.
5. Technologie gezielt einbinden Kein Big Bang. Erst Wirkung und dann Skalierung. Starten Sie klein – zum Beispiel mit der Digitalisierung eines einzelnen Prozesses oder in einem motivierten Team.
Quelle
Repräsentative Studie «Mitarbeitenden-Zufriedenheit in der Schweiz 2025» in Auftrag von HR Campus durchgeführt