Beitragspflicht: Das gilt es im Schweizer Sozialversicherungssystem zu beachten

Die Beitragspflicht ist ein zentrales Element im schweizerischen Sozialversicherungssystem. Sie bildet die finanzielle Grundlage für die verschiedenen Sozialversicherungen und gewährleistet unter anderem, dass die Versicherten ihren Beitrag zur Solidarität und Absicherung der Gesellschaft leisten. Es ist deshalb essenziell, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmende ein klares Verständnis der unterschiedlichen Zeitpunkte der Beitragspflicht haben.

20.01.2025 Von: Marco Riedi
Beitragspflicht

Einleitung

Die Komplexität der Sozialversicherungen widerspiegelt sich nicht nur etwa in koordinationsrechtlichen Fragestellungen oder bei der Bestimmung von konkreten Leistungsansprüchen. Verschiedene Zeitpunkte für den Beginn der Beitragspflicht innerhalb der einzelnen Sozialversicherungen müssen ebenfalls berücksichtigt werden, was wiederum bekanntermassen zu entsprechenden Konsequenzen für Arbeitnehmende, Arbeitgeber, Selbstständigerwerbende und Nichterwerbstätige führt. 

AHV/IV/EO 

Beitragspflichtig sind Arbeitnehmende sowie deren Arbeitgeber. Ebenfalls sind Selbstständigerwerbende wie auch Nichterwerbstätige von dieser Beitragspflicht umfasst. Hingegen sind die Zeitpunkte der erstmaligen Beitragspflicht nicht für alle Versicherten identisch. 

Für Erwerbstätige beginnt diese Beitragspflicht frühestens ab dem 1. Januar nach Vollendung des 17. Altersjahrs, während Nichterwerbstätige ab dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahrs AHV-Beiträge begleichen müssen. Letztere sind bekanntlich von ihrer eigentlichen Beitragspflicht befreit, wenn deren erwerbstätige Ehepartner mindestens den doppelten AHV-Mindestbeitrag pro Jahr entrichten. 

BEISPIELE 
A ist am 12. Februar 2007 geboren und absolviert seit 1. August 2023 eine Schreinerlehre. A wird ab dem 1. Januar 2025 gegenüber der AHV beitragspflichtig. 
B wurde am 21. Juli 2004 geboren. Sie ist ledig, studiert seit Mitte September 2023 an der ETH Zürich und übt sonst keinen Erwerb aus. B muss ab 1. Januar 2025 als Nichterwerbstätige AHV-Beiträge leisten. 

Grundsätzlich sind Beiträge bis zur Erreichung des Referenzalters geschuldet, was hingegen auf Erwerbstätige im Referenzalter nicht vollständig zutrifft. Bekanntlich dauert die Beitragspflicht für Lohnanteile über dem AHV-Freibetrag von CHF 1400.– pro Monat und pro Arbeitgeber an. Mit der Umsetzung der Massnahmen der Reform AHV 21 kann hingegen eine solche Person auch auf diesen Freibetrag verzichten und Beiträge auf dem gesamten Einkommen entrichten. 

Dieselben Regelungen gelten auch für die Beitragspflicht gegenüber der IV wie auch der EO.

Arbeitslosenversicherung 

In der Arbeitslosenversicherung sind alle Arbeitnehmenden und ihre Arbeitgeber zu Beiträgen verpflichtet. Selbstständigerwerbende sollten sich gemäss Bundesverfassung zwar freiwillig versichern können (und diese Deckung folglich mit Beiträgen finanzieren);1 jedoch ist diese Verfassungsbestimmung bis heute auf Gesetzes- und Verordnungsebene nicht umgesetzt. 

Wie in der AHV/IV/EO beginnt die Beitragspflicht für Erwerbstätige frühestens ab dem 1. Januar nach Vollendung des 17. Altersjahrs. Hingegen endet sie zum einen mit der Aufgabe des Erwerbs, sicher aber am Ende des Monats, in dem das Referenzalter erreicht wird. Das bedeutet, dass erwerbstätige Altersrentnerinnen und Altersrentner keinerlei Beiträge gegenüber der Arbeitslosenversicherung mehr entrichten müssen, auch nicht auf Einkommensteilen über dem monatlichen AHV-Freibetrag.2 

BEISPIEL 
C, geboren am 30. September 1959, arbeitet im Anstellungsverhältnis. Er wird bis Ende 2024 weiterhin seinen Beruf ausüben. Da sich C ab 1. Oktober 2024 im Referenzalter befindet, besteht für ihn und seinen Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt gegenüber der Arbeitslosenversicherung keine Beitragspflicht mehr. 

Berufliche Vorsorge nach BVG 

Eine Besonderheit in Bezug auf die Beiträge stellt die berufliche Vorsorge nach BVG dar. So stützt sich das BVG nicht ausschliesslich auf altersmässige Voraussetzungen. Damit eine Beitragspflicht besteht, gelten die folgenden, kumulativ zu erfüllenden Punkte: 

  • Die betreffende Person ist AHV-versichert,
  • verfügt über einen Arbeitsvertrag, der entweder unbefristet oder länger als drei Monate befristet ist,
  • befindet sich am 1. Januar des betreffenden Jahres mindestens im 18. Altersjahr,
  • erzielt ein Jahreseinkommen von mindestens CHF 22 050.– und
  • ist nicht zu 70% und mehr invalid. 

Keine Beitragspflicht nach Gesetz liegt hingegen dann vor, wenn die betreffende Person zwar alle oben genannten Punkte erfüllt, jedoch nebenberuflich tätig und im Haupterwerb bereits obligatorisch nach BVG versichert ist oder im Haupterwerb eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt. 

Erfüllt also eine Person diese Kriterien, ist sie ab Antritt des Arbeitsverhältnisses beitragspflichtig. 

BEISPIEL 
D ist am 31. Mai 1999 geboren und am 1. Juli 2024 ins Unternehmen eingetreten. Sie bezieht in ihrem 100%-Pensum einen Monatsverdienst von CHF 6500.–, der Arbeitsvertrag ist unbefristet und beinhaltet eine Probezeit von drei Monaten. D ist ab Unternehmenseintritt dem BVG unterstellt und beitragspflichtig. 

Zusätzlich sind auch Personen in kontrollierter Arbeitslosigkeit und dementsprechendem Bezug von Arbeitslosenentschädigung BVG-beitragspflichtig, hingegen nur gegen die Risiken Tod und Invalidität.3 

Hinlänglich bekannt sein dürfte, dass die Beiträge für die Risiken Tod und Invalidität frühestens ab dem 1. Januar des auf das 17. Altersjahr folgenden Jahres geschuldet sind und das Alterssparen am 1. Januar des dem 24. Altersjahr folgenden Jahres beginnt. 

Die Praxis zeigt, dass die Pensionskassen im Sinne der überobligatorischen Abdeckung unter Umständen andere Voraussetzungen für die Versicherteneigenschaft (und folglich die Beitragspflicht) definieren können. 

Unfallversicherung nach UVG 

Beitragspflichtig im UVG sind Arbeitnehmende ab dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis anfängt oder erstmals Lohnanspruch besteht, in jedem Fall aber zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitsweg angetreten wird. Daneben sind auch arbeitslose Personen und Personen, die sich in Eingliederungsmassnahmen der IV befinden, davon umfasst. 

Im Gegensatz zu den Regelungen der vorgenannten Sozialversicherungszweige kennt das UVG weder eine altersmässige Unter- noch Obergrenze, für die Versicherungsdeckung jedoch eine Mindestanzahl an wöchentlichen durchschnittlichen Arbeitsstunden. 

In Bezug auf eine nicht vorhandene, altersmässige Begrenzung bedeutet das, dass beispielsweise eine 16 Jahre alte Lernende gegenüber der Unfallversicherung ihres Arbeitgebers beitragspflichtig ist, ohne dass aufgrund ihres Alters für sie AHV-Beiträge geschuldet sind. In diesem Beispiel der 16 Jahre alten Lernenden gilt für sie ausschliesslich eine Beitragspflicht gegenüber der Nichtberufsunfallversicherung, da der Arbeitgeber von Gesetzes wegen her die Prämien für die Berufsunfalldeckung übernehmen muss.4 Dasselbe gilt auch für Personen, die sich bereits im Referenzalter befinden und weiterhin in einem Anstellungsverhältnis stehen. Für eben diese Personengruppe ist zudem zu beachten, dass die Thematik des AHV-Freibetrags im UVG keinerlei Anwendung findet.5 

BEISPIEL 
E, geboren am 19. Dezember 1959, bezieht seit 1. Januar 2024 ihre AHV-Altersrente. Sie arbeitet weiterhin in einem Unternehmen, wo sie jeweils drei Tage pro Woche im Einsatz steht. Sie ist vollumfänglich UVG-beitragspflichtig, wobei diese Beiträge in ihrem Fall auf dem vollen Lohn zu leisten sind.

Krankenversicherung

Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz ist unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit beitragspflichtig. Damit diese Beitragspflicht erfüllt werden kann, müssen sich diese Personen innert drei Monaten seit Wohnsitznahme versichern. Dasselbe gilt auch für Neugeborene, die innert drei Monaten seit Geburt bei einer Krankenkasse versichert werden müssen und folglich eine Beitragspflicht auslösen, die von deren Eltern wahrgenommen wird.6 Ebenso sind Personen, die über eine Aufenthaltsbewilligung von drei Monaten und länger verfügen, zu Beiträgen verpflichtet.7 

BEISPIEL 
F, geboren am 11. März 1975, lässt sich per 1. September 2024 in der Schweiz nieder. Er muss sich innert drei Monaten seit Wohnsitznahme (also bis Ende November 2024) bei einer Krankenkasse obligatorisch versichern. F schliesst am 15. Oktober 2024 bei der Krankenkasse ABC die obligatorische Deckung nach KVG ab. Da er die Anmeldefrist von drei Monaten eingehalten hat, ist er rückwirkend per Datum seiner Wohnsitznahme versichert und muss dementsprechend auch seit eben diesem Datum – also ab 1. September 2024 – rückwirkend Krankenkassenprämien entrichten. 

Bei Personen, die für ihren Schweizer Arbeitgeber vorübergehend in einem anderen Land arbeiten, besteht während der Dauer der Entsendung weiterhin eine Beitragspflicht. So bewirkt eine Entsendung auch im Bereich der Krankenversicherung keine Änderungen an der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellung. 

Besonderheiten 

Eine Besonderheit in Bezug auf die Beitragspflicht ist bei den Familienzulagen nach FamZG auszumachen. Deren Finanzierung ist kantonal geregelt, was sich etwa in unterschiedlichen Beitragssätzen widerspiegelt.8 Identisch ist hingegen der Umstand, dass diese Beiträge im Grundsatz ausschliesslich von den Arbeitgebern zu entrichten sind. Ausnahme bildet dabei jedoch der Kanton Wallis, wo Arbeitnehmende ebenfalls einer Beitragspflicht unterliegen. Selbstständigerwerbende sind ohne Ausnahme zur Beitragszahlung verpflichtet. Aufgrund der bundesrechtlichen Regelung unterstehen Nichterwerbstätige keiner Beitragspflicht.9 Hingegen liegt es auch hier in der Kompetenz der Kantone, Beiträge für Nichterwerbstätige vorzusehen. Davon Gebrauch machen aktuell die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Glarus, St. Gallen, Solothurn, Thurgau und Tessin. 

Bei den Ergänzungsleistungen und den Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose kann von einer indirekten Beitragspflicht gesprochen werden: Die Finanzierung der Ergänzungsleistungen erfolgt über Steuergelder durch Bund und Kantone,10 während Überbrückungsleistungen aus allgemeinen Bundesmitteln finanziert werden.11 In diesen beiden Sozialwerken sind von Arbeitgebern, Arbeitnehmenden, Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen keinerlei direkte Beiträge zu leisten.

FUSSNOTEN 

1 Art. 114 Abs. 2 lit. c BV
2 Art. 2 Abs. 2 lit. c AVIG
3 Art. 2 Abs. 3 BVG
4 Art. 91 Abs. 1 und 2 UVG
5 Art. 22 Abs. 2 UVV und Art. 115 Abs. 1 UVV
6 Art. 3 Abs. 1 und Art. 61a KVG
7 Art. 1 Abs. 2 lit. a KVV
8 Art. 16 FamZG
9 Art. 20 Abs. 2 FamZG
10 Art. 13 ELG
11 Art. 25 ÜLG

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