Bestellungsänderungen: Bei Bauwerkverträgen

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Der abgeschlossene Werkvertrag bindet beide Seiten. Leistungen, Termine und Preise werden damit fixiert. Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten - so der römisch-rechtliche Leitsatz. Das ist auch die werkvertragliche Ausgangslage im Obligationenrecht.
Das praktische Bedürfnis bei Bauprojekten sieht jedoch anders aus, denn der Bauherr benötigt Spielraum bei der Bestellung. Dabei gibt es verschiedene Varianten.
Ein Werkvertrag, der ausschliesslich dem OR folgt, kann grundsätzlich nur über neuen Konsens, also einen gemeinsam vereinbarten «Nachtrag», abgeändert werden. Über OR 377 stehen dem Besteller jedoch einseitige Kündigungsrechte zu, was auch im Rahmen von Teilkündigungen praktiziert werden kann. So kann der Besteller auf Teilleistungen verzichten, aber es muss den Unternehmer voll schadlos halten. Der Besteller kann den Unternehmer jedoch nicht zu Mehrleistungen verpflichten, denn Mehrleistungen sind in OR 377 nicht enthalten. Der Unternehmer kann den Wunsch auf Mehrleistungen ablehnen.
Vertragliches Änderungsrecht
Ein Werkvertrag, der der SIA Norm 118 unterstellt ist, beinhaltet vertragliche Abreden über Bestellungsänderungen. Das ist ein Teil der Vertragsfreiheit. Die SIA Norm 118 regelt das praktische Bedürfnis der Baustelle: Der Bauherr kann nur die Art und Weise der Herstellung oder die Menge einseitig abändern, so lange der Gesamtcharakter des Werkes bestehen bleibt. Eine einseitige Abänderung betreffend der Vergütung ist selbstredend nicht möglich.
Das einseitige Änderungsrecht des Bestellers ergibt sich nicht aus dem Gesetz und muss daher ausdrücklich im Vertrag selbst durch Einfügen von Änderungs-Klauseln oder durch den pauschalen Einbezug der SIA-Norm 118 vereinbart werden. Bestellungsänderungen im Rahmen der SIA-Norm 118 führen zu veränderten Mengen, Mehr- oder Minderleistungen und folglich zu Anpassungen der Preise. Ebenso bedeutsam ist, dass auch der Bauablauf und die Koordination der Zulieferungen tangiert werden mit Auswirkungen auf Fristen und Termine. Während der Unternehmer einerseits vertraglich verpflichtet ist, derartige Bestellungsänderungen anzugehen - er hat kein Leistungsverweigerungsrecht – stehen dem Unternehmer deshalb andererseits bei Bestellungsänderungen auch Anpassungen von Preisen und Terminen zu.
Wichtig: Bedingt eine Bestellungsänderung eine Anpassung der Baubewilligung, so ist das grundsätzlich Sache des Bauherrn und seines Architekten.
Vergütungen bei Bestellungsänderungen
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Einheitspreis: Nach SIA Norm 118 Wird durch eine Bestellungsänderung die zu einem Einheitspreis gehörende Menge gegenüber der im Leistungsverzeichnis vorgesehenen Menge verändert, so wird wie folgt unterschieden:
Einheitspreis: Beträgt die Abweichung nicht mehr als 20%, dann bleibt der vereinbarte Einheitspreis für die gesamte Menge massgebend. Bei Änderungen über 20%, welche also auf mehr als 120% oder weniger als 80% zielen, wird für den übersteigenden bzw. unterschrittenen Teil ein neuer Einheitspreis vereinbart. Basis für diesen Nachtragspreis bildet die ursprüngliche Kostengrundlage. Im Werkvertrag kann jedoch auch von der 20%-Grenze abgewichen und die Toleranzgrenze anders festgesetzt werden.
Kein Einheitspreis: Fordert der Bauherr durch die Bestellungsänderung eine Leistung, für die das Leistungsverzeichnis keinen Einheitspreis enthält, muss ein zusätzlicher Einheitspreis als Nachtragspreis vereinbart werden. Dabei soll der Einheitspreis auf der Basis des Einheitspreises für die ähnlichste vertragliche Leistung und aufgrund der ursprünglichen Kostengrundlage festgesetzt werden (Primat der Preisfortsetzung). Kommt keine Vereinbarung zustande, kann der Bauherr die Arbeiten in Regie ausführen lassen. Wird dazu preislich nichts mehr vereinbart, dann gelten grundsätzlich die Marktpreise (BGE 4A_125/2017 vom 20.11.2017).
Pauschalpreis: Führt eine Bestellungsänderung zur Änderung einer pauschal zu vergütenden Leistung, so wird für diese Leistung ein Mehr- oder Minderpreis vereinbart. Der vereinbarte Pauschalpreis wird durch einen solchen Nachtragspreis ersetzt oder ergänzt. Basis für diesen Nachtragspreis ist die Kostengrundlage im Zeitpunkt der Bestellungsänderung (Primat Preisfortsetzung).
Kommt keine Vereinbarung zustande, gilt die Vergütung in Regie. Das ist elegant, aber wenn eine Preisabmachung zum Regie-Tarif fehlt, dann hilft dieser Verweis auch nicht weiter. Dazu hat das Bundesgericht in einem neueren Entscheid (BGE 4A_125/2017) festgehalten, dass im Streitfall über die Vergütungshöhe derartiger Leistungen keine Abrechnung in Regie erfolgen soll. Der Nachtragspreis muss objektiv und unabhängig von der Kostenstruktur und dem Ermessen des Unternehmers festgelegt werden. Eine Objektivierung wird angestrebt. Daher soll die Bestimmung der Nachtragspreise bei vereinbarten Pauschalpreisen generell nach den allgemeinen Marktpreisen im Zeitpunkt der Bestellungsänderung erfolgen. Das Gericht hat bei der Festsetzung derartiger Nachtragspeise einen Ermessensentscheid zu treffen und dabei alle Preiselemente zu berücksichtigen, die von den Parteien vorgebracht werden.
Fazit: Vor Beginn der Arbeiten nach Bestellungsänderung sollte man sich auf einen Preis einigen. Noch besser man fügt die Möglichkeit der Bestellungsänderung gleich in den Vertrag über das Bauprojekt ein und regelt darin auch die Kriterien der Preisbestimmung je nach Situation. Ohne einen Konsens über die Nachträge werden teure Prozesse zu führen sein.
Wichtig: Die SIA Norm 118 wird den Neuerungen im Werkvertragsrecht angepasst, die am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Es ist möglich, dass man dann auch noch andere Änderungen vornimmt.
Vergütung bei Bestellungsänderungen nach OR
Einigen sich die Parteien bei Werkverträgen, die alleine dem OR folgen, auf Bestellungsänderungen, dann sollte man Preise und Termine festsetzen.
Unterlassen die Parteien bei Bestellungsänderungen eine Einigung über den Werklohn, so gilt diesbezüglich OR 374. Folglich bemisst sich die Vergütung der Bestellungsänderung anhand des Wertes der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers (OR 374). Unseres Erachtens sind auch in den Fällen die Marktpreise anzuwenden. Entspricht die Bestellungsänderung einem Verzicht auf eine Teilleistung, so wird das bei reinen OR Verträgen sinngemäss unter OR Art. 377 subsumiert.
Nachtragsmanagement und Fristen
Über Bestellungsänderung schliesst man am besten einen schriftlichen Vertrag ab mit Klauseln über Leistung, Qualität, Termine, Fristen und Preise.
Eine Bestellungsänderung kann Einfluss auf die vorher vereinbarten Vertragsfristen, insbesondere die Ausführungsfristen haben. Auch die Zahlungsfristen bzw. Akontozahlungen sind davon betroffen, allenfalls gibt es Zulieferengpässe. Das ist alles in dem neuen Vertrag zu regeln.
Es liegt auf der Hand, dass Bestellungsänderungen administrativ und baulich genau zu führen sind. Baumängel können auch in gebauten Abweichungen zu Bestellungsänderungen auftreten, Mehrpreise bedingen entsprechende Absprachen und das Einhalten von Fristen und Terminen ist schnell an Verzug und Schadenersatz gekoppelt. Die Nachvollziehbarkeit von Bestellungsänderungen ist da entscheidend. Dabei ist das neue Werkvertragsrecht über Mängelrügen und die betreffenden Fristen zu beachten, das am 1. Januar 2026 in Kraft tritt.
Bei noch nicht absolut und endgültig definierten Bestellungen sind die Parteien in der Baubranche gut beraten, sich der SIA-Norm 118 zu unterwerfen und damit eine grundsätzlich taugliche Regelung zu treffen.
Missbräuche der Bestellungsänderung
Aus der Möglichkeit der jederzeitigen Bestellungsänderung durch den Bauherrn hat sich jedoch teilweise eine Untugend entwickelt: Es werden Werkverträge frühzeitig abgeschlossen, bevor die exakte Leistung und annähernd genaue Termine definiert werden können. Das Änderungsrecht über die SIA Norm 118 soll es dann richten.
Ein Beispiel ist der Werkvertrag vor Bestand einer rechtskräftigen Baubewilligung: da müssen unter Umständen Auflagen oder Projektanpassungen berücksichtigt werden, die den ursprünglichen Plänen widersprechen. Dann gibt es vor Baustart Bestellungsänderungen. Derartiges Vorgehen widerspricht dem Gebot von SIA Norm 118 Art. 5 Abs. 1, wonach die Ausschreibung ein hinreichend klares Projekt voraus setzt. Starten die Bauarbeiten bereits mit Projekt- und Bestellungsänderungen, führt das zu einer rollenden dynamischen Planung, bei der Fristen, Leistungen und Preise, aber oft auch die Qualität dauernd hinterfragt und geändert werden.
Ein anderer Unfug ist, jede Weisung des Bauherrn als Bestellungsänderung einem Nachtragsverfahren zu unterziehen und so den Bauablauf zu hemmen und zu verkomplizieren. Wählt der Bauherr eine andere Farbe bei einem Anstrich, dann ist das eher eine Konkretisierung der ursprünglichen Bestellung als eine Bestellungsänderung.
Beispiele für echte Bestellungsänderungen sind aber: Wenn anstelle von mineralischen synthetische Verputze (Kunstharzprodukte) verwendet werden. Eine solche Änderung kann andere bauphysikalische Eigenschaften haben und Umplanungen erfordern. Beim Wechsel von Dämmstoffen in der Fassade können beispielsweise die Brandschutzanforderungen ändern. Es ist Augenmass anzuwenden. Das kann auch passieren, wenn es während der Bauphase plötzlich neue gesetzliche Vorschriften bzw. Verordnungen gibt.
Wichtig: Die Materialfrage regelt man wenn möglich am besten, bevor man mit dem Bau beginnt, also im ursprünglichen Vertrag. Beide Seiten sollten das Nachtragswesen mit den Bestellungsänderungen immer à jour, akkurat und schriftlich dokumentieren.