Beschränkte Haftung: Wann und wo ist die Haftung beschränkt?

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Die beschränkte Haftung in der AG
In der Aktiengesellschaft ist die beschränkte Haftung am striktesten umgesetzt: Art. 620 OR hält fest, dass für die Verbindlichkeiten der AG nur das Gesellschaftsvermögen haftet und dass die Aktionäre nur zu den in den Statuten vorgesehenen Leistungen verpflichtet sind. Art. 680 OR konkretisiert weiter, dass «der Aktionär […] auch durch die Statuten nicht verpflichtet werden [kann], mehr zu leisten als den für den Bezug einer Aktie bei ihrer Ausgabe festgesetzten Betrag.»
Es gibt allerdings bereits hier zwei Ausnahmen: Erstens ist es möglich, eine AG zu gründen und das Aktienkapital bei der Gründung offiziell nur teilweise einzuzahlen. Hier sind die Aktionäre verpflichtet, das fehlende Aktienkapital nachzuzahlen, sobald der Verwaltungsrat dieses einfordert. Zweitens gibt es Situationen, in denen Aktionäre trotz gesetzlichen Verbots das bereits einbezahlte Aktienkapital zurückerhalten haben – sei dies durch gewährte Darlehen oder sonstige nicht gerechtfertigte Ausschüttungen oder Leistungen. Auch in diesem Fall besteht ein Rückerstattungsanspruch.
Die beschränkte Haftung in der GmbH
Die GmbH ist in vielen Bereichen ähnlich wie die AG organisiert. Auch hier haftet nur das Gesellschaftsvermögen für die Schulden der Gesellschaft, und es gilt weitgehend dasselbe wie bei der AG. Zusätzlich können die Statuten aber Nachschusspflichten vorsehen, und zwar betragsmässig begrenzt auf maximal das Doppelte des Nennwerts. Ist dies der Fall, dann müssen die Gesellschafter im Sanierungsfall oder bei sonstigem Bedarf weitere Mittel in die GmbH einschiessen. Spätestens wenn die Gesellschaft in Konkurs geht, werden diese Nachschüsse eingefordert.
Keine Nachhaftung bei Veräusserung von Aktien oder Stammanteilen
Wer seine Aktien oder Stammanteile veräussert, haftet grundsätzlich nicht mehr für vergangene oder zukünftige Verpflichtungen der Gesellschaft. Eine Nachhaftung wie bei Personengesellschaften (Art. 579 OR) besteht nicht.
Die Haftung der Organe
Anders sieht es bei Personen aus, die mit der Geschäftsführung oder Verwaltung befasst sind. Verwaltungsräte, Geschäftsführer und faktische Organe haften persönlich, wenn sie ihre Pflichten verletzen (Art. 754 OR). Voraussetzungen sind:
- eine Pflichtverletzung
- ein Schaden
- ein Kausalzusammenhang
- ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
In der Praxis geht es dabei oft um:
- unterlassene Buchführung
- verspätete Konkursanmeldung
- Verstösse gegen das Gleichbehandlungsgebot
- Pflichtwidrige Kreditgewährung oder Dividendenauszahlung
Auch faktische Organe haften: Wenn Sie z. B. als dominierender Mehrheitsaktionär Entscheidungen treffen, die in die operative Geschäftsführung eingreifen, können Sie als Organ qualifiziert werden – mit allen haftungsrechtlichen Folgen.
Die AHV greift durch
Ein besonders praxisrelevanter Haftungstatbestand ergibt sich aus dem AHVG: Wenn die Gesellschaft fällige Arbeitnehmerbeiträge nicht abliefert, haftet das Organ, das dies vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht hat (Art. 52 AHVG). Dabei handelt es sich um eine Durchgriffshaftung: Die AHV kann den fehlbaren Organen direkt den gesamten Schaden überbinden – unabhängig vom Gesellschaftsvermögen. Eine Entlastung ist nur möglich, wenn die Pflichtwidrigkeit klar widerlegt werden kann.
Berufsbezogene Haftung
Die beschränkte Haftung entfällt auch dort, wo das Gesetz oder Berufsrecht eine persönliche Verantwortung vorsieht. Das gilt z. B. für:
- Ärzte (Haftung nach Art. 398 OR)
- Rechtsanwälte (Standesrecht, Mandatsrecht)
- Revisoren (Art. 755 OR)
Wer trotz Kapitalgesellschaft persönlich Leistungen zusichert oder berufliche Pflichten verletzt, haftet persönlich – auch ohne besonderen Haftungsvorbehalt im Vertrag.
Vertragliche Haftung und Kredite
In der Praxis verlangen Banken, Vermieter und andere Vertragspartner oft persönliche Sicherheiten, wenn sie mit einer GmbH oder AG Verträge abschliessen. Typisch sind:
- Bürgschaften (Art. 492 OR)
- Solidarschuldnerschaft (Art. 143 OR)
- Pfandbestellungen auf Privatvermögen
Auch Geschäftsführer, die mit "i.A." unterschreiben, haften persönlich, wenn sie die Vertretungsverhältnisse nicht offenlegen oder gegen Art. 718a OR verstossen.
Fazit
Die beschränkte Haftung schützt passive Gesellschafter, nicht aber aktive Entscheider. Wer Verantwortung übernimmt, haftet (potenziell) mit. Auch externe Berater, dominierende Aktionäre oder Gläubigervertreter können bei aktiver Mitwirkung haftbar werden. Die AG oder GmbH bietet also einen Schutzrahmen – keine Haftungsgarantie.