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Handelsregister: Rechtliche Praxis und Zeichnungsberechtigungen

Die Publizitätsfunktion des Handelsregisters sorgt unter anderem dafür, dass das interessierte Publikum von der organschaftlichen Vertretung und den standardisierten Vertretungen bei einer Unternehmung Kenntnis nehmen kann.

17.02.2021 Von: Urs Fasel
Handelsregister

Generelle Eintragungsfähigkeit von Zeichnungsberechtigungen

Grundsatz

Generell sind Vertretungsbefugnisse einzutragen, wobei einerseits die Erteilung der Organstellung, anderseits die Erteilung einer Prokura gehören kann. In diesem Zusammenhang ist aber in Erinnerung zu rufen, dass die Eintragung von weiteren Handlungsvollmachten gemäss Art. 462 OR nach herrschender Lehre und ständiger Handelsregisterpraxis nicht zulässig ist. Daraus folgt, dass im Handelsregister die tatsächliche Vertretungskonstellation einer Gesellschaft nicht lückenlos wiedergegeben ist, selbst dann nicht, wenn davon ausgegangen wird, dass alle Personen, deren Zeichnungsberechtigung im Handelsregister eingetragen werden kann, auch eingetragen werden müssen. Im Rahmen des organschaftlichen Handelns und der Vertretung gilt zu beachten, dass im Handelsregister nur natürliche Personen als Zeichnungsberechtigte bei einer Rechtseinheit eingetragen werden können (so BGE 108 II 129, sowie darauf hinweisend Zihler/Krähenbühl, a.a.O., S. 55). Im Einzelnen werden folgende eintragungsfähige Zeichnungsberechtigungen unterschieden:

Prokura

Nach der gesetzlichen Definition von Art. 458 Abs. 1 OR ist ein Prokurist ein Geschäftsführer, der für seinen Geschäftsherrn das Gewerbe betreibt. Die Zeichnungsberechtigung besteht dabei nach Art. 459 Abs. 1 OR für alle Arten von Rechtshandlungen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann, ja nach der bundesgerichtlichen Praxis sogar nicht geradezu ausgeschlossen hat.

Unterschrift

Währendem das Gesetz mit dem Begriff Prokura eine für alle Rechtseinheiten gleichermassen geltende Art der Zeichnungsberechtigung bezeichnet, kennt das Gesetz keinen ähnlich einprägsamen Begriff für die Zeichnungsberechtigung von ‹zur Vertretung befugten Personen›, die weiter geht als die Prokura.

Hinweis: In der Praxis nennt man diese Art der Zeichnung ‹Unterschrift› oder ‹Vollunterschrift›.

Ohne Zeichnungsberechtigung

Für Dritte kann auch die Kenntnis der Tatsache, dass eine bestimmte Person nicht zeichnungsberechtigt ist, genauso nützlich sein wie die Information über die Art und den Umfang einer Zeichnungsberechtigung, sodass es möglich ist, im Handelsregister den Zusatz ‹ohne Zeichnungsberechtigung› aufzunehmen.

Eintragung durch Bevollmächtigte

Seit 1. Januar 2021 kann nach Art. 17 Abs. 1 lit. b HRegV die Anmeldung auch durch eine bevollmächtigte Person erfolgen und nicht mehr nur durch eine oder mehrere für die betroffene Rechtseinheit zeichnungsberechtigte Personen gemäss ihrer Zeichnungsberechtigung. Zu diesen bevollmächtigten Personen zählen bspw. Treuhänder, Anwälte und Notare.

Verwendung der AHV-Versichertennummer

Seit 1. Januar 2021 verwenden die Handelsregisterbehörden zur Identifizierung von natürlichen Personen systematisch die AHV-Versichertennummer (Art. 928c OR i.V.m Art. 10 HRegV). Sie geben die AHV-Versichertennummer nur anderen Stellen und Institutionen bekannt, die sie zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Zusammenhang mit dem Handelsregister benötigen und zur systematischen Verwendung dieser Nummer berechtigt sind. Den in der zentralen Datenbank Personen erfassten natürlichen Personen wird zusätzlich eine nichtsprechende Personennummer zugeteilt, denn die AHV-Versichertennummer untersteht nicht der Öffentlichkeit des Handelsregisters.

Kosten

Für das Handelsregister gilt ab 1. Januar 2021 zudem uneingeschränkt das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip. Dieses schreibt vor, dass der Gesamtbetrag der erhobenen Abgaben die Gesamtkosten des Gemeinwesens für den betreffenden Verwaltungszweig oder die betreffende Einrichtung nicht oder höchstens geringfügig übersteigen darf. Um diese Vorgaben einzuhalten, werden die Gebühren um rund einen Drittel gesenkt. Der Bundesrat hat die entsprechende Änderung der Verordnung über die Gebühren im Handelsregister gutgeheissen und auf den 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt. Von dieser Änderung profitiert namentlich die Wirtschaft, die um rund 14 Millionen Franken pro Jahr entlastet wird. Die genauen Kosten sind dem Anhang zur GebV-HReg (in Anwendung von dessen Art. 3 Abs. 1) zu entnehmen, wobei bspw. die Kosten für die Eintragung, Änderung oder Löschung der Zeichnungsberechtigung einer Person bei einer Kapitalgesellschaft Fr. 20.- betragen.

Beschränkungen der Zeichnungsberechtigung

Ausdrückliche Beschränkungen der Zeichnungsberechtigung finden sich insbesondere in Statuten, Reglementen und Arbeitsverträgen, wobei spezielle Beschränkungen sich auch in internen Weisungen und Instruktionen niederschlagen können. In das Handelsregister können nur die gesetzlich eigens aufgezählten Beschränkungen eingetragen werden, nämlich die Kollektivzeichnungsberechtigung und die Beschränkung auf den Hauptsitz oder eine Zweigniederlassung. Nicht eintragungsfähig sind damit zum Beispiel summenmässige Beschränkungen oder sachliche Beschränkungen auf bestimmte Art von Rechtshandlungen. Eine Kollektivzeichnungsberechtigung setzt das Mitwirken mehrerer Zeichnungsberechtigter voraus, wobei in der Praxis am häufigsten die ‹Kollektivunterschrift› bzw. ‹Kollektivprokura zu zweien› vorgesehen ist, woraus folgt, dass zwei zeichnungsberechtigte Personen gemeinsam handeln müssen. Diese Praxis wurde mit dem BGer-Urteil 4A_536/2015 vom 3. März 2016 bestätigt (siehe insb. E. 2.3.3).

Somit sind verschiedene Konstellationen möglich, nämlich:

  • Eine bestimmte Kombination soll vermieden werden: A. mit Kollektivunterschrift zu zweien, aber nicht mit B.;
  • mehrere Kombinationen sollen vermieden werden: A. mit Kollektivunterschrift zu zweien, aber nicht mit B. oder C.;
  • der Mitwirkende wird genannt: A. mit Kollektivunterschrift zu zweien mit B.;
  • eine Auswahl an Mitwirkenden wird genannt: A. mit Kollektivunterschrift zu zweien mit B. oder C.;
  • mögliche Mitwirkende werden mit ihrer Funktion genannt, eine bestimmte Person soll aber wiederum ausgeschlossen werden: A. mit Kollektivunterschrift zu zweien mit einem Mitglied, aber nicht mit B.

Beschränkung auf den Hauptsitz oder eine Zweigniederlassung

Voraussetzung für eine eintragbare Beschränkung der Zeichnungsberechtigung auf den Hauptsitz oder eine Zweigniederlassung ist die Tatsache, dass die jeweilige Rechtseinheit (Hauptsitz) über mindestens eine inländische Zweigniederlassung verfügt (so Zihler/Krähenbühl, a.a.O., S. 61).

Personen, deren Zeichnungsberechtigung auf eine Zweigniederlassung beschränkt ist, werden dabei nur bei der jeweiligen Zweigniederlassung mit der entsprechenden Zeichnungsberechtigung eingetragen, hingegen am Hauptsitz nicht registriert.

Wildwuchs von Bezeichnungen

Währendem sich viele Funktionen im Handelsregister finden, deren Bezeichnung logisch ist (Präsident, Vizepräsident, Beisitzer, Kassier, Sekretär, Geschäftsleiter, Geschäftsführer, Generaldirektor), kommen sehr viele spezielle Funktionen hinzu, deren Eintragung die Handelsregisterpraxis bisher zugelassen hat, wie namentlich Commodore, Schatzmeister, Schriftführer, Bau-Brunnen-Kellermeister, Hafenwart, Heimleiter usw. Zihler/Krähenbühl (a.a.O., S. 64 ff.) weisen auf die problematische Eintragungspraxis hin, mit verschiedenen Argumenten:

  • Die Mehrzahl dieser Funktionen ist weder im Gesetz noch in der Handelsregisterverordnung vorgesehen. Folglich sind auch die Aufgaben, Kompetenzen und Pflichten, die mit solchen Funktionen verknüpft sind, rechtlich nicht geregelt (was anzufügen ist: was den Betroffenen oft nicht bewusst ist).
  • Rechtseinheiten lassen wohlklingende Funktionen, wie namentlich Vizedirektor, im Handelsregister eintragen, obschon die betreffenden Personen weder zur engen noch zur erweiterten Geschäftsleitung gehören.
  • Werden Funktionen im Handelsregister eingetragen, ist die gleichwertige Übersetzung in eine andere Landessprache oft nicht gewährleistet.
  • Die liberale Praxis beeinträchtigt die Lesbarkeit der Handelsregistereinträge und die interkantonale Vergleichbarkeit unter anderem über die Sprachgrenzen hinweg ist problematisch, sodass das Täuschungsverbot bzw. Klarheitsgebot tangiert ist.
  • Das Handelsregister bezweckt die Erfassung und Offenlegung rechtlich relevanter Tatsachen (vgl. Art. 1 HRegV). Die interne und individuell gestaltete Organisation einer Rechtseinheit bildet keine rechtlich relevante Tatsache, welche im Handelsregister zu publizieren ist.
  • Je mehr rechtlich nicht normierte Funktionen im Handelsregister eingetragen werden, desto schwieriger wird es für die Handelsregisterbehörden, Begehren um Eintragung weiterer solcher Funktionen abzuweisen. Präsentiert wurde ein Vorschlag zur Entschlackung des Handelsregisters, sodass abzuwarten ist, ob der Wildwuchs durch einen Machetenschlag des eidgenössischen Handelsregisteramtes zurückgestutzt wird.

Insbesondere zu Eintragungen bei der Aktiengesellschaft

Hinweis: Nach Art. 718 Abs. 2 OR kann der Verwaltungsrat die Vertretungsbefugnis, die jedem Mitglied zusteht, einem oder mehreren seiner Mitglieder (= Delegierte) oder Dritten (= Direktoren) übertragen.

Auf die Eintragung der Bezeichnung Delegierter bzw. Direktor ins Handelsregister sollte trotzdem verzichtet werden, weil eine solche Eintragung keine zusätzlichen, rechtlich gesicherten Informationen enthält, weder über die Art und den Umfang der Vertretungsbefugnis, noch über die teilweise oder vollständige Delegation von Geschäftsführungsbefugnissen.

Wichtig: Der Verwaltungsrat hat zwingend einen Sekretär zu bezeichnen, doch sollte der Verwaltungsrat auch diesbezüglich darauf verzichten, die Funktionsbezeichnung einzutragen.

Die wohl herrschende Lehre hält ferner Suppleanten/Ersatzmänner, also von der Generalversammlung gewählte Personen, die ein Mitglied des Verwaltungsrates unter bestimmten Umständen als eigenständiges Mitglied zeitlich befristet ersetzen, für zulässig.

Achtung: Nach neuerer Auffassung sind Suppleanten unzulässig und können nicht ins Handelsregister eingetragen werden.

Das Aktienrecht sieht nämlich keine Möglichkeit vor, für denselben Posten zwei Arten von Verwaltungsräten zu schaffen. Entweder ist jemand vollwertiges Mitglied des Verwaltungsrates, oder eben nicht, sodass die Privatautonomie nicht so weit geht, dass das höchste Verwaltungsorgan der Aktiengesellschaft ohne explizite gesetzliche Grundlage in personeller Hinsicht zweigeteilt werden kann.

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