Aktionärsrechte: Mitwirkungs-, Informations- und Schutzrechte der Aktionäre

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Mitwirkungsrechte
Die Mitwirkungs- und Schutzrechte des Aktionärs sind im Schweizerischen Obligationenrecht an verschiedenen Stellen geregelt, insbesondere in den Art. 692 ff. OR.
Teilnahmerecht an der Generalversammlung (Art. 689 OR)
Aktionäre haben das Recht, an der Generalversammlung (GV) teilzunehmen, dort das Wort zu ergreifen und ihre Rechte auszuüben. Die Teilnahme kann physisch oder digital erfolgen, sofern die Statuten dies ausdrücklich vorsehen (Art. 701b–701d OR). Die Generalversammlung kann auch als hybride Veranstaltung oder ausschliesslich digital durchgeführt werden.
Der Aktionär übt seine Mitwirkungsrechte (Aktionärsrechte) in den Angelegenheiten der Gesellschaft, wie Bestellung der Organe, Abnahme des Geschäftsberichtes und Beschlussfassung über die Gewinnverwendung, in der Generalversammlung aus (Art. 689 Abs. 1 OR). Er kann seine Aktien in der Generalversammlung selbst vertreten oder durch einen Dritten vertreten lassen (Art. 689b Abs. 1 OR). Das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung bildet die Voraussetzung für die Ausübung der persönlichen Mitgliedschaftsrechte. Die Teilnahme an der Generalversammlung setzt voraus, dass diese gesetzes- und statutenkonform einberufen wurde. Ein Nichtaktionär, der auch keinen Aktionär vertritt, hat kein Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung. Das Recht auf Teilnahme an der Generalversammlung wird unter anderem durch die gesetzlichen Regelungen über Einberufung der Generalversammlung konkretisiert.
Einberufungsrecht (Art. 699 OR)
Art. 699 Abs. 1 OR schreibt vor, dass die Generalversammlung durch den Verwaltungsrat, nötigenfalls durch die Revisionsstelle, einberufen wird. Das Einberufungsrecht steht auch den Liquidatoren und den Vertretern der Anleihensgläubiger zu. Die ordentliche Versammlung findet alljährlich innerhalb sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt, ausserordentliche Versammlungen werden je nach Bedarf einberufen (Art. 699 Abs. 2 OR). Die Einberufung einer Generalversammlung kann auch von einem oder mehreren Aktionären, die zusammen mindestens 10 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, verlangt werden (Art. 699 Abs. 3 Ziff. 2 OR). Bei börsenkotierten Gesellschaften liegt der Schwellenwert bei 5% (Ziff. 1).
Traktandierungsrecht (Art. 699b OR)
Aktionäre, die 5 Prozent des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, können die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes verlangen (Art. 699b Abs. 1 Ziff. 2). Bei börsenkotierten Gesellschaften liegt der Schwellenwert bei 0,5 Prozent (Ziff. 1). Mit der Traktandierung oder den Anträgen können die Aktionäre eine kurze Begründung einreichen. Diese muss in die Einberufung der Generalversammlung aufgenommen werden (Art. 699 Abs. 3 OR). Entspricht der Verwaltungsrat diesem Begehren nicht binnen angemessener Frist, so hat der Richter auf Antrag der Gesuchsteller die Einberufung anzuordnen (Art. 699 Abs. 4 OR).
Nach Art. 700 Abs. 1 OR ist die Generalversammlung spätestens 20 Tage vor dem Versammlungstag in der durch die Statuten vorgeschriebenen Form einzuberufen. In der Einberufung sind die Verhandlungsgegenstände sowie die Anträge des Verwaltungsrates und der Aktionäre bekanntzugeben, welche die Durchführung einer Generalversammlung oder die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes verlangt haben (Art. 700 Abs. 2 OR), inkl. allfälliger Begründung.
Über nicht gehörig angekündigte Verhandlungsgegenstände können keine Beschlüsse gefasst werden ( Art. 700 Abs. 3 OR); ausgenommen bleiben Anträge auf Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung, auf Durchführung einer Sonderprüfung (Art. 697c OR) sowie auf Wahl einer Revisionsstelle auf Begehren eines Aktionärs (Bundesgerichtliche Praxis zu Art. 698 Abs. 2 Ziff. 5 OR). Anträge im Rahmen der Verhandlungsgegenstände sowie Diskussionen dazu bedürfen keiner vorgängigen Ankündigung (Art. 700 Abs. 4 OR). Eine schriftliche Zustimmung zu Beschlüssen oder Wahlen ohne Generalversammlung ist – ausser im Rahmen einer gültigen Universalversammlung (Art. 701 OR) – nicht zulässig. Beschlüsse und Wahlen der Generalversammlung bedürfen einer formgültigen Durchführung gemäss Gesetz und Statuten.
Stimm- und Wahlrecht (Art. 692 ff. OR)
Das zentrale Mitwirkungsrecht des Aktionärs (Aktionärsrechte) ist sein Stimmrecht an der Generalversammlung, welches er auch durch einen Stellvertreter ausüben kann. Es umfasst das Recht auf Mitwirkung sowohl bei Sachabstimmungen als auch bei Wahlen. Die Aktionäre üben ihr Stimmrecht in der Generalversammlung nach Verhältnis des gesamten Nennwerts der ihnen gehörenden Aktien aus (Art. 692 Abs. 1 OR). Jeder Aktionär hat, auch wenn er nur eine Aktie besitzt, mindestens eine Stimme, doch können die Statuten die Stimmenzahl der Besitzer mehrerer Aktien beschränken (Art. 692 Abs. 2 OR).
In den Statuten können Stimmrechtsaktien geschaffen werden. Das sind Aktien mit einem kleineren Nennwert als die übrigen Aktien, die unabhängig von ihrem Nennwert eine Stimme in der Generalversammlung erhalten (Art. 693 Abs. 1 OR). In diesem Falle können Aktien, die einen kleineren Nennwert als andere Aktien der Gesellschaft haben, nur als Namenaktien ausgegeben werden und müssen voll liberiert sein. Der Nennwert der übrigen Aktien darf das Zehnfache des Nennwertes der Stimmrechtsaktien nicht übersteigen (Art. 693 Abs. 2 OR). Die Bemessung des Stimmrechts nach der Zahl der Aktien ist nicht anwendbar für die Wahl der Revisionsstelle, die Ernennung von Sachverständigen zur Prüfung der Geschäftsführung oder einzelner Teile, die Beschlussfassung über die Einleitung einer Sonderprüfung oder die Beschlussfassung über die Anhebung einer Verantwortlichkeitsklage (Art. 693 Abs. 3 OR).
Eng mit dem Stimmrecht hängen das Diskussions- und Antragsrecht, das Recht zur Abgabe von Erklärungen zu Protokoll, das Recht zum Einspruch wegen Teilnahme Unberechtigter zu Protokoll und das Recht auf Auskunft und Einsicht zusammen. Das Diskussionsrecht beinhaltet die Befugnis, im Rahmen der Verhandlungsgegenstände gemäss Traktandenliste, Stellungnahmen (Voten) sowie Abstimmungs- und Wahlparolen abzugeben. Das Antragsrecht steht dem Aktionär bzw. seinem Vertreter sowohl bezüglich des formellen Vorgehens als auch bezüglich der Sachfragen und Wahlen zu. Die Anträge müssen sich aber auf die traktandierten Verhandlungsgegenstände beziehen. Davon ausgenommen sind lediglich Anträge auf Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung oder auf Durchführung einer Sonderprüfung sowie Anträge zur Traktandierung von Verhandlungsgegenständen an der nächsten Generalversammlung.
Informationsrechte
Recht auf Bekanntgabe des Geschäftsberichts
Spätestens 20 Tage vor der ordentlichen Generalversammlung müssen der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht den Aktionären zur Einsicht zur Verfügung stehen. Dies kann durch physische Auflage am Sitz der Gesellschaft oder durch elektronische Bereitstellung erfolgen (Art. 699a OR). Ein Anspruch auf Zustellung per Post besteht nicht mehr, die Gesellschaft kann diesen aber freiwillig erfüllen. Eine Pflicht zur Mitteilung an Namenaktionäre oder zur Publikation im SHAB besteht ebenfalls nicht mehr.
Jeder Aktionär kann während eines Jahres nach der Generalversammlung von der Gesellschaft eine Ausfertigung des genehmigten Geschäftsberichts sowie des Revisionsberichts verlangen (Art. 697 Abs. 3 OR).
Auskunftsrecht
An der Generalversammlung haben Aktionäre das Recht, vom Verwaltungsrat Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen (Art. 697 Abs. 1 OR). Die Auskunft kann verweigert werden, wenn dem überwiegende Gesellschaftsinteressen, insbesondere das Geschäftsgeheimnis, entgegenstehen. Fragen sind mündlich oder schriftlich zu stellen.
Schutzrechte
Sonderprüfung (Art. 697a–g OR)
Aktionäre mit mindestens 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen können an der Generalversammlung die Einleitung einer Sonderprüfung verlangen. Vorausgesetzt ist, dass sie zuvor das Auskunftsrecht ausgeübt und ungenügende Informationen erhalten haben. Wird die Sonderprüfung von der GV abgelehnt, kann innert drei Monaten ein gerichtliches Gesuch eingereicht werden. Die Kosten trägt in der Regel die Gesellschaft.
Anfechtung von GV-Beschlüssen (Art. 706 OR)
Aktionäre können binnen zwei Monaten nach der Generalversammlung beim Gericht Beschlüsse anfechten, die gegen Gesetz oder Statuten verstossen. Beispiele sind: Verletzung von Einladungsfristen, formwidrige Beschlussfassung, Missachtung von Mitwirkungsrechten oder Gleichbehandlungsgrundsatz.
Verantwortlichkeitsklage (Art. 754 OR)
Aktionäre können Klage gegen Mitglieder des Verwaltungsrats und andere mit der Geschäftsführung betraute Personen erheben, wenn diese ihre Sorgfaltspflichten verletzt haben und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entstanden ist. Die Anspruchsvoraussetzungen sind Pflichtverletzung, Schaden, Kausalzusammenhang und Verschulden.
Fazit
Aktionärsrechte wurden durch die Aktienrechtsrevision 2023 spürbar gestärkt: Die Schwellenwerte für Einberufungs- und Traktandierungsrechte wurden gesenkt, digitale Teilnahmerechte und Abstimmungen wurden gesetzlich verankert, Fristen und Formvorgaben wurden präzisiert. Wer seine Rechte wirksam wahrnehmen will, muss sich mit den aktuellen Regelungen und den konkreten Statuten der jeweiligen Gesellschaft vertraut machen.