Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok

Organisationsreglement: Delegation durch den Verwaltungsrat

Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen hat der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft umfassende Geschäftsführungskompetenzen. Der Verwaltungsrat ist also das geschäftsführende Organ der Gesellschaft (Art. 716 und Art. 716b Abs. 3 OR). Gleichzeitig sieht das Gesetz vor, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats sowohl der Gesellschaft als auch den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich sind, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen (Art. 754 Abs. 1 OR).

03.08.2021 Von: Christoph D. Studer
Organisationsreglement

Zweck des Organisationsreglements

Diese gesetzliche Regelung ist dispositiv, d.h., es kann unter Beachtung gewisser Voraussetzungen davon abgewichen werden: Sehen die Statuten der Gesellschaft die Möglichkeit zur Übertragung der Geschäftsführung vor, ist der Verwaltungsrat befugt, die Geschäftsführung an einzelne oder mehrere seiner Mitglieder oder an Dritte zu delegieren (Art. 716 Abs. 2 und Art. 716b Abs. 1 OR). Die Delegation erfolgt dabei durch Erlass eines schriftlichen Organisationsreglements. Mit der rechtmässigen Delegation geht eine Haftungsbeschränkung einher, die aus Sicht des Verwaltungsrats erwünscht ist (Art. 754 Abs. 2 OR).

Rechtmässige Delegation durch das Organisationsreglement

Adressaten der Delegation

Der Verwaltungsrat ist befugt, die Geschäftsführung nicht nur an Dritte, sondern auch innerhalb des Verwaltungsrats an einzelne Mitglieder zu delegieren. Für die Delegation sind gewisse formelle und materielle Voraussetzungen zu beachten:

Auch für Delegationen innerhalb des Verwaltungsrats braucht es ein schriftliches Organisationsreglement.

Formelle Voraussetzungen

In formeller Hinsicht sind für eine rechtmässige Delegation zwei Voraussetzungen zu beachten:

  • Zunächst kann der Verwaltungsrat nur dann eine Übertragung von Geschäftsführungsaufgaben vornehmen, wenn eine Grundlage in den Statuten der Gesellschaft besteht, welche die Möglichkeit zur Delegation ausdrücklich vorsieht.
  • Neben dem Erfordernis einer statutarischen Bestimmung ist für die rechtmässige Delegation der Geschäftsführung die Errichtung eines zwingend schriftlichen Organisationsreglements durch den Verwaltungsrat erforderlich.

Hinweis: Statuten überprüfen, ob diese eine Bestimmung enthalten, welche denVerwaltungsrat ermächtigt, die Geschäftsführung zu delegieren. Andernfalls ist eine solche Grundlage zu schaffen: Beschluss Generalversammlung, inkl. öffentlicher Beurkundung, Anmeldung beim Handelsregister.

In materieller Hinsicht stehen beim Erlass des Organisationsreglements wiederum zwei Aspekte im Vordergrund, welche es zu beachten gilt:

  • Das Organisationsreglement muss den Mindestinhalt im Sinne von Art. 716b Abs. 2 OR umfassen: Es soll die Geschäftsführung ordnen, die hierfür erforderlichen Stellen bestimmen, deren Aufgaben allgemein umschreiben sowie die Berichterstattung regeln.
  • Zudem ist sicherzustellen, dass die Schranken in Bezug auf die nichtdelegierbarenGeschäftsführungsaufgaben beachtet werden. Gemäss Art. 716a Abs. 1 OR hat der Verwaltungsrat die folgenden unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben: die Oberleitung der Gesellschaft und die Erteilung der nötigen Weisungen; die Festlegung der Organisation; die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist; die Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung betrauten Personen; die Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen; die Erstellung des Geschäftsberichts sowie die Vorbereitung der Generalversammlung und die Ausführung ihrer Beschlüsse sowie die Benachrichtigung des Gerichts im Falle der Überschuldung.

Hinweis: Es ist sicherzustellen, dass im Organisationsreglement keine unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben delegiert werden.

Haftungsbeschränkende Wirkung der Delegation

Umfang der Haftungsbeschränkung

Werden die vorher erwähnten Voraussetzungen berücksichtigt, kann durch die Delegation die persönliche Haftung derjenigen Mitglieder des Verwaltungsrats beschränkt werden, die nicht mehr mit der Geschäftsführung betraut sind.

Die Haftungsbeschränkung gilt im Umfang der übertragenen Geschäftsführungsaufgaben, und soweit in Bezug auf die Auswahl, Unterrichtung und Überwachung der eingesetzten Geschäftsführer dienach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet wurde (Art. 754 Abs. 2 OR). Im Schadenfall hat der Verwaltungsrat die entsprechenden Beweise zu erbringen. Gelingt ihm dies nicht, haftet der gesamte Verwaltungsrat uneingeschränkt.

Grenzen der Haftungsbeschränkung

Die uneingeschränkte Haftung des ganzen Verwaltungsrats gilt im Bereich der nichtdelegierbaren Geschäftsführungsaufgaben (Art. 716a Abs. 1 OR). Selbst wenn solche Aufgaben im Organisationsreglement an einzelne oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrats oder an Dritte delegiert werden, kann sich der Verwaltungsrat durch diese unbefugte Delegation nicht von der Haftung befreien.

Zu beachten ist, dass das Organisationsreglement auf die jeweiligen Bedürfnisse der Gesellschaft zugeschnitten und ständig aktuell ist. Andernfalls entfaltet es seine haftungsbeschränkende Wirkung nicht. Diesen Anforderungen wird beispielsweise nicht gerecht, wenn die gelebte Organisation nicht (mehr) dem Organisationsreglement entspricht oder ein Muster eines Organisationsreglements unverändert übernommen wird.

Hinweis: Mindestens einmal im Jahr sollte in einer Verwaltungsratssitzung das Organisationsreglement auf Aktualität geprüft werden (Standardtraktandum).

Überblick über den weiteren Inhalt des Organisationsreglements

Im Organisationsreglement werden neben der Delegation der Geschäftsführung üblicherweise weitere Aspekte geregelt als nur der Mindestinhalt nach Art. 716b Abs. 2 OR. Namentlich enthält es Vorschriften betreffend die Zusammensetzung und Konstituierung des Verwaltungsrats, die Verwaltungsratssitzungen, die Beschlussfassung, die Zeichnungsberechtigungen, die Vertretungsbefugnisse, die Entschädigung, den Ausstand und die Protokollführung (vgl. dazu das Organisationsreglement des Verwaltungsrats der X AG).

Literaturtipps

Studer, Christoph, D.: § 48 Delegation (inkl. Musterorganisationsreglement), in: Fischer, Willi/Drenckhan, Helke/Gwelessiani, Michael/Theus Simoni, Fabiana (Hrsg.): Handbuch Schweizer Aktienrecht, Basel 2014.

Müller, Roland/Lipp, Lorenz/Plüss, Adrian: Der Verwaltungsrat, ein Handbuch für Theorie und Praxis, 4. Auflage, Zürich 2014 (Kapitel 3.3 Delegation).

Forstmoser, Peter: Organisation und Organisationsreglement der Aktiengesellschaft, rechtliche Ordnung und Umsetzung in der Praxis, Zürich 2011.

Newsletter W+ abonnieren