Darlehen an Aktionäre: Fallstricke aus rechtlicher und steuerrechtlicher Sicht

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Aktienrechtliches Verbot der Einlagenrückgewähr
Gemäss Art. 680 Abs. 2 OR dürfen geleistete Einlagen, gleichgültig ob in Form von Aktienliberierung, Agio oder freiwilliger Zuwendungen, den Aktionären weder direkt noch indirekt zurückerstattet werden. Diese gesetzliche Regelung kodifiziert die bisherige Rechtsprechung und dehnt das Rückgewährverbot ausdrücklich auch auf nahestehende Personen aus.
Exkurs: Zwischendividende
Seit der Aktienrechtsrevision ist die Ausschüttung einer Zwischendividende unterjährig zulässig, sofern ein geprüfter Zwischenabschluss nach den für den Jahresabschluss geltenden Vorschriften vorliegt (Art. 675a OR). Dies eröffnet neuen Spielraum für vorzeitige Gewinnausschüttungen an Aktionäre, birgt jedoch zusätzliche Risiken, insbesondere bei gleichzeitig gewährten Darlehen. Die Gesellschaft muss sicherstellen, dass die Zwischendividende nicht mit einem Darlehen an den Aktionär gegenverrechnet oder verbunden wird, um das Rückgewährverbot nicht zu verletzen. Zudem ist die Zwischenrechnung dem Revisionsorgan vorzulegen, sofern eine eingeschränkte oder ordentliche Revision erforderlich ist.
Zivilrechtliche Vorgaben zum Darlehen
Damit ein Darlehen an einen Aktionär zivilrechtlich zulässig ist, muss es insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Es darf nicht aus gebundenem Eigenkapital stammen;
- Es muss marktüblich verzinst und besichert sein;
- Es muss rückzahlbar sein und darf die Gesellschaft nicht in ihrer finanziellen Substanz gefährden;
- Die Modalitäten müssen vertraglich fixiert und durchgesetzt werden.
Ein Verstoss gegen Art. 680 Abs. 2 OR führt zur Unwirksamkeit der Zahlung und verpflichtet zur Rückzahlung. Bei objektiver Zahlungsunfähigkeit des Aktionärs kann auch der Verwaltungsrat haftbar werden, wenn er das Darlehen gewährt oder nicht zurückgefordert hat (Art. 754 OR).
Bundesgerichtsentscheid: Fallstricke bei Darlehen an Aktionäre
Das Bundesgericht verschärfte in einem Entscheid von Mitte Oktober 2014 seine Praxis zum Verbot der Einlagenrückgewähr, wonach Forderungen zwischen Aktionär und seiner Gesellschaft oder innerhalb von Konzerngesellschaften – wie Darlehensgewährungen oder Kontokorrentguthaben – nur zu marktgerechten Konditionen gewährt werden dürfen. Im Umkehrschluss werden alle Forderungen, die nicht zu marktüblichen Konditionen gewährt werden, als faktische Dividendenausschüttungen betrachtet.
Zur Veranschaulichung ist an einen im eigenen Handwerkerbetrieb mitarbeitenden Aktionär zu denken, der von seiner Gesellschaft ein Darlehen für den privaten Hauskauf erhält. Hier stellt sich die Frage, ob der Handwerker das Darlehen zu marktgerechten Konditionen gewährt wird.
In der Praxis ist entscheidend, ob die kreditgebende Gesellschaft einem Dritten ein Darlehen zu gleichen Konditionen anbieten würde. Fehlende Bonität des Darlehensnehmers, ungenügende Sicherheiten, keine Vereinbarungen über die Rückzahlung, ausstehende Rückzahlungen, Umwandlung des Darlehenszinses in eine Darlehensschuld usw. sprechen eher für unübliche Marktkonditionen.
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Wird die Forderung unter Berücksichtigung aller Umstände als nicht marktgerecht qualifiziert, kann die Steuerverwaltung die Darlehensforderung als faktische Dividendenausschüttung behandeln – mit der Folge, dass unter Umständen der gesamte Betrag der Verrechnungssteuer und den Einkommenssteuern unterliegt.
Darüber hinaus sperren diese faktischen Dividendenausschüttungen gemäss der Bundesgerichtspraxis das frei verfügbare handelsrechtliche Eigenkapital einer Gesellschaft. Ist bei einer effektiven oder faktischen Dividendenausschüttung nicht mehr genügend frei verfügbares Eigenkapital vorhanden, wird nach der Argumentation des Bundesgerichts das Haftungssubstrat der Gesellschaft geschmälert. Dies stellt folglich einen Verstoss gegen das zivilrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr dar. In der Folge können die Aktionäre auf privatrechtlicher Basis unter Umständen gezwungen werden, Dividendenausschüttungen zurückzuerstatten. Allenfalls wäre der Dividendenbeschluss selbst nichtig, und es stellen sich Haftungsfragen der Organe.
Unterschiedliche Konstellationen
Neben direkten Darlehen an Aktionäre sind auch Darlehen an mit diesen wirtschaftlich oder familiär verbundene Dritte (z. B. Ehegatten, Gruppengesellschaften, Beteiligungsfirmen) kritisch zu würdigen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise führt zur Einbeziehung solcher Konstellationen in die Beurteilung der Zulässigkeit.
Steuerliche Folgen
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) betrachtet nicht marktgerechte Aktionärsdarlehen als geldwerte Leistungen. Die Folge ist eine nachträgliche Verrechnungssteuerpflicht (35%) sowie eine Aufrechnung beim Empfänger als Einkommen.
Die steuerliche Verwaltungspraxis verlangt daher:
- schriftliche Vereinbarung des Darlehens (inkl. Zins, Sicherheiten, Fälligkeit);
- marktübliche Konditionen (Zinssatz, Besicherung);
- effektive Einbringlichkeit des Darlehens.
Werden diese Anforderungen nicht eingehalten, liegt eine geldwerte Leistung vor. Diese wird der Gesellschaft angerechnet, auch wenn das Darlehen formell zurückgeführt wird.
Dreifaches Risiko
Darlehen an Aktionäre können folgende Risiken auslösen:
- Zivilrechtlich: Unzulässige Einlagenrückgewähr, Rückzahlungsverpflichtung und allfällige Organhaftung;
- Steuerlich: Verrechnungssteuerfolgen und Einkommensteuer beim Aktionär;
- Strafrechtlich: Gefährdungstatbestände bei Insolvenz (z. B. Gläubigerschädigung).
Fazit
Darlehen an Aktionäre sind rechtlich zulässig, aber mit erheblichen Risiken verbunden. Sie bedürfen klarer Regeln, sauberer Vertragsgestaltung, marktgerechter Konditionen und transparenter Offenlegung. Ein Verstoss gegen die Vorgaben führt zu zivil-, steuer- und strafrechtlichen Konsequenzen.