Plattformbesteuerung: MWST-Regeln für Online-Plattformen

Die Plattformbesteuerung bringt erhebliche steuerliche Pflichten für Plattformbetreiberinnen mit sich. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den neuen Regelungen vertraut machen und steuerliche Beratung einholen, um Risiken zu minimieren. Der folgende Artikel stellt eine Zusammenfassung der MWST-Branchen-Info 27 dar, welcher sich auf die Artikel 20a ff. MWSTG bezieht.

15.09.2025 Von: Florian Hanslik
Plattformbesteuerung

Einleitung

Die Einführung der Plattformbesteuerung verfolgt mehrere zentrale Ziele:

  • Bekämpfung von Steuerumgehungen im digitalen Handel

Viele Unternehmen mit Sitz im Ausland umgehen bisher die Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz. Die Plattformbesteuerung sorgt dafür, dass Steuerausfälle minimiert werden.

  • Schaffung einer einheitlichen und fairen Besteuerung für inländische und ausländische Verkäufer

Die neue Regelung stellt sicher, dass alle Händler, unabhängig von ihrem Sitz, der MWST-Pflicht unterliegen.

  • Erleichterung der Steuererhebung

Die Plattformen fungieren als zentrale Akteure bei der Steuerabfuhr, was die administrative Handhabung für die Steuerverwaltung vereinfacht.

Diese Regelung betrifft somit eine Vielzahl von Unternehmen, darunter Betreiber z.B. von:

  • Online-Marktplätzen
  • Online-Shops mit Drittanbietern
  • Auktionsplattformen
  • Vermittlungsportalen für Waren oder Dienstleistungen

Diese Plattformen bringen Käufer und Verkäufer zusammen und übernehmen oft wesentliche Funktionen im Kaufprozess, wie Zahlungsabwicklung, Versandorganisation und die Berechnung von Gebühren. Durch die Plattformbesteuerung können sie unter bestimmten Bedingungen steuerpflichtig werden. Abbildung 1

Anwendungsbereich der Plattformbesteuerung

Grundsatz (Art. 20a MWSTG)

Laut dem MWSTG gilt als Leistungserbringer grundsätzlich die Person, die nach aussen hin als solche auftritt. Normalerweise ist dies der ursprüngliche Verkäufer eines Produkts. Die Plattformbesteuerung führt jedoch eine wesentliche Ausnahme ein: Wenn eine Plattform den Verkaufsprozess massgeblich beeinflusst, wird sie selbst als steuerpflichtige Leistungserbringerin betrachtet.

Definition der Plattformbetreiberin

Abweichend vom Grundsatz, dass die nach aussen auftretende Person als Leistungserbringerin gilt, sind Verkäufe von Gegenständen, bei denen Verkäufer und Käufer zu einem Vertragsabschluss auf einer elektronischen Plattform zusammengebracht werden, der Plattformbetreiberin als Leistungserbringerin zuzuordnen. Aus Sicht der Mehrwertsteuer bestehen – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – zwei Lieferungen:

  • eine erste Lieferung vom Verkäufer an die Plattformbetreiberin
  • eine zweite Lieferung von der Plattformbetreiberin an den Käufer

Ist eine Plattformbetreiberin steuerpflichtig, und befindet sich der Ort der von ihr ermöglichten Lieferungen im Inland, schuldet die Plattformbetreiberin die Mehrwertsteuer auf diesen Lieferungen. Die steuerpflichtige Plattformbetreiberin hat insbesondere die Pflicht, die Mehrwertsteuerschuld gegenüber der ESTV zu deklarieren und zu bezahlen. Dem Käufer muss die steuerpflichtige Plattformbetreiberin auf Verlangen eine Rechnung ausstellen, die den gesetzlichen Anforderungen genügt. Je nach Umständen gilt die erste Lieferung zwischen dem Verkäufer und der steuerpflichtigen Plattformbetreiberin als von der Steuer befreit oder als im Ausland erbracht.

Die Plattformbetreiberin ist eine juristische oder natürliche Person, die eine elektronische Plattform bereitstellt und über diese den Kaufprozess zwischen Verkäufern und Käufern ermöglicht. Die Plattform kann entweder als Vermittler auftreten oder den Verkauf vollständig kontrollieren.

  • Typische Funktionen einer Plattform können sein:
  • Bereitstellung einer digitalen Infrastruktur für den Handel
  • Abwicklung von Zahlungen zwischen Käufern und Verkäufern
  • Kontrolle oder Steuerung der Vertragsbedingungen
  • Festlegung der Versand- oder Lieferkonditionen
  • Berechnung und Einzug von Steuern und Gebühren

Voraussetzungen für die Steuerpflicht der Plattformbetreiberin

Die Plattformbesteuerung kommt zur Anwendung, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

1. Die Plattform ermöglicht den Verkauf von Gegenständen durch Drittanbieter.

Der Anwendungsbereich ist auf MWSTG-Lieferungen von Gegenständen beschränkt. Andere Lieferungen nach («Verkäufe von Gegenständen»), wie das Abliefern eines Gegenstandes, an dem Arbeiten besorgt worden sind, und das Überlassen zum Gebrauch und zur Nutzung, sowie Dienstleistungen fallen nicht unter die Plattformbesteuerung.

2. Die Plattformbetreiberin bringt den Verkäufer und den Käufer auf der Plattform zusammen.

Die Plattformbesteuerung kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Plattformbetreiberin den Verkäufer und den Käufer zum Vertragsabschluss «auf der Plattform zusammenbringt». Verkauft die Plattformbetreiberin auf der Plattform Waren im eigenen Namen, liegt kein Zusammenbringen von Verkäufer und Käufer vor. Die Zuordnung dieser Lieferungen an die Plattformbetreiberin erfolgt nicht auf Grundlage der Plattformbesteuerung. Die Plattformbesteuerung gilt daher nur für Lieferungen, bei denen die Plattformbetreiberin im Namen und auf Rechnung des Verkäufers handelt.

3. Der Verkauf wird über diese Plattform abgeschlossen.

Für den Vertragsabschluss auf der Plattform veröffentlicht im Regelfall der Verkäufer ein Verkaufsangebot für einen Gegenstand. Interessenten sehen sich das Angebot auf der Plattform an und leiten den Kaufprozess ein oder geben im Falle von Auktionen ein Kaufangebot ab. Wenn dieser Kaufprozess bzw. der Zuschlag bei der Auktion auf der Plattform erfolgt, gilt der Vertrag als auf der Plattform abgeschlossen. Dass allenfalls der Verkäufer den Vertragsabschluss auf der Plattform bestätigen muss, ändert daran nichts.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, übernimmt die Plattformbetreiberin die steuerlichen Verpflichtungen für die über sie getätigten Verkäufe. Bei eingeführten Gegenständen gilt die Plattformbesteuerung sowohl für Kleinsendungen als auch für alle anderen Sendungen.

Fälle, in denen die Plattformbesteuerung nicht gilt

Die Plattformbesteuerung gilt nicht, wenn die Plattform eine rein passive Rolle im Verkaufsprozess einnimmt.

Dazu zählen folgende Szenarien:

  • Die Plattform ist weder unmittelbar noch mittelbar am Bestellvorgang beteiligt.
  • Die Plattform erzielt keine Umsätze, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Geschäft stehen.
  • Die Plattform stellt nur Werbeflächen für Verkäufer bereit, ohne aktiv in den Verkaufsprozess einzugreifen.
  • Die Plattform stellt lediglich Platz für Anzeigen zur Verfügung.
  • Die Plattform nimmt lediglich die Zahlungsabwicklung im Zusammenhang mit der Lieferung vor.

Als Beispiel könnte eine Preisvergleichsseite genannt werden, die Kunden lediglich zu externen Shops weiterleitet.

Steuerliche Behandlung der Verkäufe über Plattformen

Verkäufe durch steuerpflichtige Verkäufer

Einfuhr

Bei Lieferungen von Gegenständen, die ins Inland eingeführt werden, gilt die erste Lieferung zwischen dem Verkäufer und der steuerpflichtigen Plattformbetreiberin als im Ausland erbracht und unterliegt daher nicht der Inlandsteuer. Die Ausstellung einer Rechnung durch den Verkäufer an die Plattformbetreiberin ist aus Sicht der Mehrwertsteuer nicht erforderlich.

Die zweite Lieferung von der Plattformbetreiberin an den Käufer unterliegt der Inlandsteuer, sofern

  1. die Plattformbetreiberin die Umsatzgrenze von CHF 100 000.– pro Jahr für Kleinsendungen, die ins Inland eingeführt wurden, erreicht, oder
  2. die Plattformbetreiberin die Anwendung der Unterstellungserklärung Ausland beantragt.

Unterliegt die zweite Lieferung der Inlandsteuer, ist die Plattformbetreiberin die Person, die in der Einfuhrzollanmeldung als Importeurin aufgeführt werden muss.

Inlandlieferungen

Die erste Lieferung zwischen dem Verkäufer und der steuerpflichtigen Plattformbetreiberin ist befreit, sofern die Person, die die Lieferung ermöglicht hat, als Leistungserbringerin gilt (Plattformbetreiberin) und im Register der steuerpflichtigen Personen eingetragen ist.

Der Verkäufer kann – mit Einverständnis der Plattformbetreiberin – auf die Steuerbefreiung seiner Lieferung an die Plattformbetreiberin verzichten, indem er die Mehrwertsteuer in Rechnung stellt.

Die zweite Lieferung von der Plattformbetreiberin an den Käufer unterliegt der Inlandsteuer, soweit keine Steuerausnahme vorliegt.

Exporte

Wird der Gegenstand direkt ins Ausland befördert oder versendet, ist die Lieferung der Plattformbetreiberin von der Steuer befreit. Die ESTV behält sich vor, bei den Verkäufern zu überprüfen, ob diese in Bezug auf ihre steuerbefreiten Lieferungen über einen entsprechenden Nachweis verfügen. Kann ein solcher Nachweis nicht erbracht werden, wird die Steuer beim Verkäufer erhoben.

Verkäufe durch nicht steuerpflichtige Verkäufer

Wenn ein nicht steuerpflichtiger Verkäufer über eine Plattform verkauft, wird die Plattformbetreiberin als Leistungserbringerin behandelt und muss die Mehrwertsteuer auf die Verkäufe abführen. Dabei kann sie eine fiktive Vorsteuer geltend machen, wenn sie im Rahmen ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigenden unternehmerischen Tätigkeit einen individualisierbaren beweglichen Gegenstand bezieht. Der Abzug ist nur möglich, wenn keine Mehrwertsteuer offen überwälzt wird.

Die Plattformbetreiberin kann den Abzug der fiktiven Vorsteuer geltend machen, sofern der Verkäufer des Gegenstands im Inland ansässig und nicht im Mehrwertsteuerregister eingetragen ist. Die Plattformbetreiberin darf sich diesbezüglich auf die Angaben des Verkäufers stützen.

Steuerbemessung

Die Haftung der Plattformbesteuerung für die Entrichtung beschränkt sich auf die Mehrwertsteuer, die auf den Wert geschuldet ist, den die Plattformbetreiberin dem Käufer des Gegenstands mitgeteilt hat (gegebenenfalls einschliesslich eventueller Transportkosten, Frachtkosten, Zollgebühren usw.). Die Plattformbetreiberin schuldet auf einem diesen Betrag übersteigenden Entgelt keine Mehrwertsteuer – etwa weil der Käufer dem Verkäufer direkt ein höheres Entgelt bezahlt hat, ohne dass die Plattformbetreiberin davon Kenntnis hatte oder haben konnte.

Nebenleistungen zur Lieferung (insbesondere, wenn sie in dem vom Käufer bezahlten Preis enthalten sind, wie die Beförderung des Gegenstands zum Bestimmungsort) können wie die Hauptleistung (Verkauf des Gegenstands) behandelt werden.

Entgeltsminderungen

Kann die Plattformbetreiberin nachweisen, dass der Käufer in den Genuss der Entgeltsminderung (Rabatt, Skonto, Minderung etc.) gekommen ist, kann sie diese bei der Abrechnung der Mehrwertsteuer geltend machen.

Marge/Provision der Plattformbetreiberin

Sämtliche Entgelte für Leistungen der Plattformbetreiberin an den Verkäufer, die vom Vertragsabschluss auf der Plattform abhängig und damit nur geschuldet sind, wenn ein Vertragsabschluss auf der Plattform zustande kommt, gelten als Marge der Plattformbetreiberin. Sie sind als solche nicht zusätzlich zum Verkaufspreis des Gegenstands steuerbar. Die auf die Marge entfallende Mehrwertsteuer ist bereits im Mehrwertsteuerbetrag enthalten, der dem Käufer in Rechnung gestellt wird.

Stellt die Plattformbetreiberin Leistungen in Rechnung, die unabhängig davon geschuldet sind, ob ein Vertragsabschluss auf der Plattform zustande kommt, gilt das Entgelt für diese Leistungen nicht als in der Marge der Plattformbetreiberin inbegriffen. Es handelt sich um Entgelt für eine selbstständige Leistung und ist entsprechend seiner mehrwertsteuerlichen Qualifikation zu behandeln.

Subsidiärhaftung des Verkäufers

Für Verkäufe auf Plattformen werden die Plattformbetreiberinnen steuerpflichtig, sofern die Voraussetzungen für die Steuerpflicht erfüllt sind. Sie haben die Steuer gegenüber der ESTV zu deklarieren und zu bezahlen. Verkäufer, die Lieferungen über eine Plattform erbringen, haften subsidiär für die Steuer, die von der Plattformbetreiberin für diese Lieferungen geschuldet ist.

Rechnungsstellung

Auf Verlangen des Käufers muss eine Rechnung ausgestellt werden, die den Anforderungen des Art. 26 MWST entspricht. Folgende Elemente müssen in der Regel enthalten sein:

  • der Name und der Ort des Leistungserbringers
  • der Name und der Ort des Leistungsempfängers
  • Datum oder Zeitraum der Leistungserbringung, soweit diese nicht mit dem Rechnungsdatum übereinstimmen
  • Art, Gegenstand und Umfang der Leistung
  • Entgelt für die Leistung
  • der anwendbare Steuersatz und der vom Entgelt geschuldete Steuerbetrag, schliesst das Entgelt die Steuer ein

Bei Verkäufen kann die Rechnung an den Käufer sowohl von der Plattformbetreiberin als auch vom Verkäufer ausgestellt werden. Dabei besteht die Möglichkeit, dass der Verkäufer in seinem eigenen Namen – ohne Angabe der Mehrwertsteuer – Rechnung stellt. Stellt der Verkäufer des Gegenstands eine Rechnung an den Käufer aus und wird darauf die Mehrwertsteuer ausgewiesen, ist zusätzlich die Plattformbetreiberin anzugeben und darauf hinzuweisen, dass es sich um ein Geschäft nach Art. 20a MWSTG handelt (beispielsweise «MWST 8,1% mit der ESTV abgerechnet nach Artikel 20a MWSTG durch [Name und MWST-Nummer der Plattformbetreiberin]»).

Stellt der Verkäufer die Mehrwertsteuer in Rechnung, und unterlässt er diesen Hinweis, schuldet er die ausgewiesene Mehrwertsteuer.

Verfahrenspflichten der Plattformbetreiberin

Plattformbetreiberinnen haben folgende steuerlichen Pflichten:

  • Registrierung bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV)
  • vierteljährliche MWST-Abrechnung
  • Ernennung einer Steuervertretung in der Schweiz für ausländische Plattformbetreiber
  • Führen detaillierter Aufzeichnungen über Verkäufe und Steuerabgaben

Einfuhrsteuer und Verlagerungsverfahren

Grundsätze der Einfuhrbesteuerung

Beim Import von Waren in die Schweiz fällt eine Einfuhrsteuer an.

Wurde die zur Wareneinfuhr führende Lieferung mithilfe einer Plattform ermöglicht, und ist die Plattformbetreiberin im Inland steuerpflichtig, dann gilt steuerrechtlich grundsätzlich diese Plattformbetreiberin als Importeurin. Entsprechend ist in der Zollanmeldung im Feld Importeur die Plattformbetreiberin anzugeben.

Verlagerungsverfahren

Mittels Verlagerungsverfahren können steuerpflichtige Plattformbetreiberinnen, die als Leistungserbringerin i.S.v. Art. 20a MWSTG gelten, die Einfuhrsteuer in der periodischen Steuerabrechnung mit der ESTV deklarieren, anstatt diese dem BAZG zu entrichten. Die Plattformbetreiberinnen können die Anwendung dieses Verfahrens beantragen.

Für die Anwendung des Verlagerungsverfahrens wird zudem vorausgesetzt, dass die Plattformbetreiberinnen Lieferungen i.S.v. Art. 20a Abs. 1 MWSTG erbringen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, können die Plattformbetreiberinnen das Verlagerungsverfahren auch für im eigenen Namen getätigte Verkäufe anwenden.

Auf die Einfuhr von Gegenständen erhebt sodann das BAZG keine Einfuhrsteuer, wenn die Anwendung des Verlagerungsverfahrens in der Zollanmeldung beantragt und die entsprechende Bewilligungsnummer angegeben wird.

Die Deklaration der Einfuhrsteuer bei bewilligtem Verlagerungsverfahren erfolgt in der vorgesehenen elektronischen Form, die sich auf den Zeitraum erstreckt, in dem die Gegenstände eingeführt wurden. Dort kann die Einfuhrsteuer sogleich wieder als Vorsteuer geltend gemacht werden.

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