Notizen: Die unterschätzte Kunst der selektiven Dokumentation
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Notizen sind immer selektiv
Notizen werden oft als etwas Neutrales angesehen, ganz im Sinne von «Ich schreibe ja nur das auf, was gesagt wurde.» Doch so einfach ist es nicht. Notizen haben immer eine ganz individuelle Färbung. Sie schreiben eben nicht einfach alles auf, was gesagt wurde. Sie selektieren - gezielt oder auch nicht – gewisse Dinge und lassen andere aus. Sie schreiben vielfach nicht genau das auf, was gesagt wurde, sondern notieren es sich in ihren eigenen Worten. Und mit dem verändern Sie den Inhalt des Gesagten. Was bei einer persönlichen Notiz kaum einen Unterschied macht, kann in anderen Fällen eine grosse Wirkung haben. Wenn Sie zum Beispiel in einem Gespräch, das Sie mit Ihrem Mitarbeitenden führen, in eigenen Worten aufschreiben und das im Gespräch wieder ansprechen, dann kann dies leicht zu Verwirrung sorgen, da Ihr Gegenüber das ja nie so gesagt hat.
Für wen schreiben Sie auf?
Notizen können
- Für den persönlichen Gebrauch bestimmt sein, wenn Sie zum Beispiel einem Vortrag lauschen und für sich die wichtigsten Inhalte zusammenfassen,
- mit Kolleg*innen, Vorgesetzten, Kund*innen oder Klient*innen geteilt werden, wenn Sie zum Beispiel eine Sitzung protokollieren oder für jemanden Notizen machen und ihre Aussagen aufschreiben, oder
- sie können dazu dienen, dass Sie das entsprechende Gespräch gut führen können, wenn Sie zum Beispiel in einem Coachinggespräch notieren, was Ihre Klientin gerne möchte und sie dann anschliessend danach befragen.
Notieren Sie für sich selbst, können Sie eine informelle Struktur und Sprache verwenden. Sie können so notieren, wie sie dies möchten und es für sie gut ist. Ihr eigenen Notizen haben allenfalls eine Wirkung auf Sie.
Wenn die Notizen jedoch für andere bestimmt sind, ist es wichtig, Klarheit und Verständlichkeit zu gewährleisten. Überlegen Sie, wer die Zielgruppe Ihrer Notizen ist, und passen Sie Ihren Stil entsprechend an. Wenn Sie die Notizen mit anderen teilen, dann sollten sie möglichst das wiedergeben, was alle in der jeweiligen Interaktion darunter verstanden haben. Dies ist gar nicht so einfach, weil möglicherweise alle eine andere Perspektive einnehmen. Da kann es sich lohnen, jeweils transparent zu machen, was sie genau notieren und dies dann so bereits während dem Notizen machen sichtbar und besprechbar zu machen. Gerade mit kollaborativen online Tools, auf die alle gleichzeitig Zugriff haben und bei denen die Notizen jederzeit sichtbar sind, lässt es sich hier gut arbeiten.
Schreiben Sie jedoch auf, um im Gespräch wieder darauf Bezug zu nehmen, zum Beispiel in einem Coachinggespräch, dann ist es wichtig, dass Sie sich gut überlegen, welche Notizen fürs Weiterkommen Ihres Gegenübers wichtig sind. Denn mit grosser Wahrscheinlichkeit werden Sie im Gespräch wieder auf das zurückkommen, was in Ihren Notizen steht und so das Gespräch in die eine oder andere Richtung lenken. In unserer Praxis schreiben wir vor allem, das auf, was die Person möchte und das, was sie bereits gut kann. Auf diese beiden Aspekten können wir dann jederzeit wieder Bezug nehmen, in dem wir das Gegenüber danach befragen, zum Beispiel mit «Du hast gesagt, dass du gerne wieder glücklicher sein möchtest. Welche Unterschiede könnte dies für dich machen?» oder «Du hast gesagt, dass deine Priorisierung bereits gut funktioniert. Wie schaffst du das genau?». So können wir einfach einen stärkenden Dialog führen.
Wofür schreibe ich auf?
Das Aufschreiben dient nicht nur der Dokumentation von Fakten, sondern auch der Verarbeitung und Reflexion von Informationen. Es hilft dabei, komplexe Ideen zu strukturieren, Gedanken zu klären und Prioritäten zu setzen. Im beruflichen Kontext kann das Notieren dazu beitragen, wichtige Entscheidungen zu treffen, kreative Lösungen zu entwickeln, die Kommunikation innerhalb des Teams zu verbessern oder das Gespräch wieder auf diese Inhalte zu lenken.
Notieren ermöglicht uns, aus dem Strom von Informationen das Wesentliche herauszufiltern. Dabei stellt sich für den jeweiligen Zweck die Frage, was das Wesentliche ist. Geht es in einem Entscheidungsprotokoll darum, die Entscheidungen zu protokollieren, dann sind andere Informationen nicht so relevant. Wollen wir mit dem Protokoll jedoch die Mitarbeitenden informieren, was läuft, ist es relevant die entsprechenden Entscheidungen gut einzubetten. Schreibe ich in einem Gespräch Notizen für mich auf, damit ich mich daran erinnern kann, was gesagt wurde, dann kann ich einfach den Inhalt zusammenfassen und aufnotieren. Geht es mir jedoch darum, dass die andere Person im Gespräch weiterkommt, so müssen es Inhalte sein, die für die andere Person wichtig und handlungsfördernd sind.
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Was schreibe ich auf?
Die Kunst des Notizenmachens liegt darin, die Balance zwischen einerseits zu viel und zu wenig Information zu finden und andererseits die für den jeweiligen Zweck richtigen Inhalte zu notieren. Leiten können uns die beiden oberen Fragen «Für wen schreibe ich auf?» und «Wofür schreibe ich auf?». Aus diesen beiden Fragen ergibt sich dann, was Sie sinnvollerweise aufschreiben, um den Unterschied zu machen, den Sie sich mit Ihren Notizen erhoffen.
Wann schreibe ich auf?
Der Zeitpunkt des Notizenmachens kann einen grossen Unterschied machen. Notieren Sie für sich selber oder für andere, und möchten keine Informationen verpassen, dann ist es sinnvoll, Ihre Notizen während der Sitzung anzufertigen und diese falls möglich, direkt mit Ihren Kolleginnen und Kollegen zu prüfen, ob sie das Relevante aufgeschrieben haben. Geht es darum, Dinge zu reflektieren, lohnt es sich Ihre Notizen nach dem Event nochmals anzuschauen und sich die Zeit zu nehmen, um Ihre neuen Gedanken aufzuschreiben.
Machen Sie während eines 1:1 Gespräches Notizen, dann werden Sie merken, dass dem Zeitpunkt Ihrer Notizen eine wichtige Bedeutung zukommt. Immer wenn Sie aufschreiben, nehmen Sie Ihren Blick weg von Ihrem Gegenüber und schauen auf Ihre Notizen. Dies verlangsamt das Gespräch ganz oft.
Im Normalfall schauen wir als Zuhörende unser Gegenüber, das uns etwas erzählt an, während sein Blick beim Reden wegschweift, um anschliessend wieder zurückzukommen und unseren Blick zu finden. In diesem Moment schauen sich beide an, ein Blickfenster entsteht. Dieses Blickfenster ist wichtig für die Koordination des Gespräches. Auf der einen Seite müssen wir als Zuhörende nun zeigen, dass wir dem Gesagten folgen konnten, zum Beispiel mit einem Nicken. Auf der anderen Seite wird mit dem Blickkontakt in Sekundenbruchteilen koordiniert, wer weiterspricht. Fehlt dieses Blickfenster in einem 1:1 Gespräch, muss die sprechende Person warten, bis die zuhörende Person wieder mit ihrem Blick da ist.
In unserer Praxis hat es sich bewährt in 1:1 Gesprächen entweder
- Notizen zu machen, ohne zu schauen – dies verlang jedoch Übung, damit Sie es dann auch wieder lesen können -, oder
- dann aufzuschreiben, wenn die andere Person gerade am Denken oder Reden ist und mit Ihrem Blick abschweift, so dass sie mit ihrem Blick wieder da sind, wenn die andere Person mit ihrem Blick zu Ihnen zurückkommt.
Notizen machen ist eine Fertigkeit, die verfeinert werden kann. Indem Sie sich diese vier Fragen regelmässig stellen, können Sie Ihr Aufschreiben verbessern und sicherstellen, dass Ihre Notizen effektiv und nützlich sind. Gute Notizen halten nicht nur Informationen fest, sondern dienen auch als Katalysator für Ideen, Entscheidungen und Aktionen.