Gesunde Mitarbeiterführung: Wie Sie Wertschätzung als Gesundheitsressource nutzen
Passende Arbeitshilfen
Gesunde Mitarbeiterführung führt also zu einer Win-win-Situation – alle haben etwas davon. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter, Möglichkeiten zur Stressbewältigung und Erholungsstrategien anzuwenden, um gesünder durch den Arbeitsalltag zu kommen.
Der Gesundheitszustand Ihrer Mitarbeiter wird zum Massstab für Führungsqualität. Der demografische Wandel verschärft die Notwendigkeit, die Mitarbeiter langfristig gesund zu erhalten. Dies hat zur Folge, dass Sie zukünftig nicht nur an Ihrer Leistung, sondern zunehmend auch am Gesundheitszustand Ihrer Mitarbeiter gemessen werden. Neben Leistungszielen werden zunehmend auch Ziele vereinbart, die sich auf Ihr Führungsverhalten und auf die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter beziehen.
Führungskraft ist entscheidend
Sie haben als Führungskraft eine zentrale Position und grossen Einfluss darauf, wie in Ihrer Abteilung gearbeitet wird. Führung beinhaltet neben direkten mitarbeiterbezogenen Aufgaben, wie die Führung, Entwicklung und Unterstützung Ihrer Mitarbeiter, auch managementorientierte Aufgaben wie Planung, Organisation, Koordination und Kontrolle. Mitarbeiterführung bedeutet im Wesentlichen, die Rahmenbedingungen der Arbeit als solcher und die Unternehmenskultur mitzugestalten und die Mitarbeiter bei der Erfüllung gemeinsamer Aufgaben zu unterstützen.
Als Führungskraft beeinflussen Sie die Arbeitsbedingungen Ihrer Mitarbeiter, indem Sie Ziele vereinbaren und die Zielerreichung überprüfen, Bedingungen schaffen, unter denen Teams beziehungsweise Mitarbeiter ihre Ziele erreichen können, Rückmeldung geben zur Qualität ihrer Arbeit, Vorbild sind, die Stimmung in Teams durch strukturelle Vorgaben oder auch das eigene Verhalten steuern.
Daher haben Sie die besondere Verantwortung dafür, dass die Arbeitsbedingungen so gestaltet sind, dass die Arbeitsaufträge auch umgesetzt werden können. Beispielsweise sollte störungs- und behinderungsfrei gearbeitet werden können, es sollten keine widersprüchlichen Anforderungen bestehen, Ziele sollten erreichbar und Aufgaben zumutbar sein und das soziale Klima nicht von Konkurrenz, Missgunst, Misstrauen oder gar verdeckter Aggression geprägt sein.
Review im Verantwortungsbereich
Überlegen Sie einmal, wie folgende Aspekte der Arbeit in Ihrem Verantwor tungsbereich gestaltet sind und was Sie noch verbessern könnten. Fragen Sie bei Gelegenheit auch mal Ihre Mitarbeiter, wie sie diese Aspekte empfinden.
- die Arbeitsaufgabe – zum Beispiel Entscheidungskompetenzen und Verantwortungsinhalte, Tätigkeitsspielräume, Ganzheitlichkeit der Aufgabe, Aufgabenvielfalt und Aufgabenwechsel, Rückmeldung zur Tätigkeitsausführung und den Arbeitsergebnissen, Leistungs- und Zeitvorgaben
- die Arbeitsorganisation – zum Beispiel Bereichsstruktur und Projektorganisation, Verantwortungsstruktur und Kompetenzen, Arbeitsprozesse, Arbeitsverteilung, Arbeitszeit, Informationsmanagement, soziale und finanzielle Gratifikation, Entwicklungs-und Lernchancen bei der Arbeit, Pausenregelung
- die Arbeitsumgebung – zum Beispiel Lärm, Klima, Beleuchtung
- die Arbeitsmittel – zum Beispiel (höhenverstellbarer) Arbeitstisch, Büroarbeitsstuhl, Computerhardware, Software
- die sozialen Faktoren – zum Beispiel Kommunikation, Abteilungs- und Betriebsklima, Kunden, Umgang mit Konflikten
- Umsetzung des betrieblichen Arbeitsschutzes
Vorbildfunktion
Als Führungskraft haben Sie eine besondere Vorbildfunktion. Das gilt sowohl für den Umgang mit Problemen bei der Arbeit als auch für den Umgang mit der eigenen Gesundheit und den eigenen Belastungen.
Mitarbeiter, die in ihrer Führungskraft kein Vorbild für Gesundheit sehen, leiden einer Studie von Franke & Felfe (2011) zufolge doppelt so häufig unter psychosomatischen Beschwerden, wie zum Beispiel Kopf- oder Magenschmerzen, verglichen mit Mitarbeitern, die sich in puncto Gesundheit an ihrer Führungskraft orientieren können.
Zeichen setzen für eine gesunde Mitarbeiterführung
Als Führungskraft müssen Sie Zeichen setzen. Nehmen Sie eine Vorreiterrolle für den Umgang mit der Gesundheit ein. Informieren Sie sich über die Angebote Ihres Unternehmens zur Gesundheitsförderung und bewerben Sie diese aktiv. Unterstützen Sie gesundheitsförderliches Verhalten Ihrer Mitarbeiter, indem Sie
- eine angemessene Pausenkultur pflegen,
- Wert auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben legen,
- Angebote der Gesundheitsförderung wahrnehmen und auch Ihre Mitarbeiter zur Teilnahme ermutigen.
Schlechte Vorbilder wirken in zweifacher Hinsicht negativ. Es leidet sowohl die eigene Gesundheit als auch die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter. Wenn Sie sich als Vorgesetzter krank zur Arbeit schleppen oder ignorieren, wenn Ihre Mitarbeiter mit leichten Erkrankungen zur Arbeit kommen, hat das eine Signalwirkung. Die anderen Mitarbeiter bilden die Erwartung aus, dass sie besser krank zur Arbeit kommen sollten, anstatt zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren.
Präsentismusphänomen
Ein Fall von Präsentismus ist auch das Verhalten von Herrn Huber, der sich krank in die Arbeit «schleppt», unbewusst Fehler verursacht, einen Tinnitus erleidet, längere Zeit ausfällt und dann auch noch wegen der gravierenden Fehler, welche ihm in seiner Arbeitszeit, in der er krank war, unterlaufen sind, das Unternehmen verlassen musste.
Herr Huber hat ein Verhalten gezeigt, das mit dem Begriff des «Präsentismus» bezeichnet wird. Sie sind zur Arbeit gekommen, obwohl sie krank waren. Ihnen unterliefen Fehler bei der Arbeit, und schliesslich hat Herr Huber mit langfristigen gesundheitlichen Folgen bezahlt.
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Risiken von Präsentismus
Es ergibt sich also eine Vielzahl von Risiken und negativen Auswirkungen. Die Arbeitsleistung ist beeinträchtigt, weil:
- Fehler passieren
- Kollegen sich anstecken (und in der Folge ausfallen)
- eine Krankheit verschleppt und chronifiziert wird
Studien von Steinke und Badura (2011) haben ergeben, dass die durch Produktionsausfall bedingten Kosten, die durch Präsentismus verursacht werden, um ein Mehrfaches über denen liegen, die auf krankheitsbedingte Abwesenheiten zurückzuführen sind.
Kennen Sie das Problem
Wie oft ist es bei Ihnen in den letzten zwölf Monaten vorgekommen, dass Sie
- zur Arbeit gegangen sind, obwohl Sie sich richtig krank gefühlt haben?
- mit der Genesung bis zum Wochenende abgewartet haben?
- gegen den Rat des Arztes Ihrer Arbeit nachgegangen sind?
- zur Genesung Urlaubstage genommen haben?
- sich vom Arzt ein Medikament verschreiben liessen, um fit für die Arbeit zu sein?
Wie sieht es bei Ihren Mitarbeitern aus?
Absentismus beziehungsweise krankheitsbedingte Fehlzeiten sind seit Jahren rückläufig. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich die Gesundheit der Mitarbeitenden in den Betrieben verbessert hat. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit kommt immer häufiger vor und hat negativen Einfluss auf die Produktivität der Unternehmen.
Umfassende Befragungen von Lohmann-Haislah (2013) verdeutlichen die zunehmende Relevanz des Präsentismusproblems. Bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten sind in Deutschland:
- 70 Prozent der Mitarbeiter mindestens einmal krank zur Arbeit gegangen
- 30 Prozent gegen den Rat des Arztes zur Arbeit gegangen
- 21 Prozent bei Krankheit immer arbeiten gegangen, während nur 16 Prozent bei Krankheit immer zu Hause blieben
- Mitarbeiter sind 3,7-mal krank zur Arbeit gegangen und waren 11,5 Arbeitstage krank am Arbeitsplatz
Es gibt grundsätzlich eine Reihe von Gründen, die von Mitarbeitern angeführt werden, was die Gründe für Präsentismus sind:
- grosses Arbeitsvolumen
- Rücksicht auf Kollegen
- Pflichtgefühl, Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber
- Angst vor beruflichen Nachteilen
- Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes
- Bewertung der Krankheit als Bagatellerkrankung
Wichtig ist das Führungsverhalten
Ihre Gesundheit und die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter sind nicht losgelöst voneinander. Wenn Sie stark gestresst sind, wird es Ihnen schwerfallen, gesundheitsgerecht zu führen. Es ist wahrscheinlich, dass Sie weniger empfänglich für die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter sind oder nicht in der Lage sind, diesen ausreichend gerecht zu werden.
Wenn Sie sich selbst dauerhaft zu stark fordern und einen extrem hohen Anspruch an sich selbst haben, passiert es schnell, dass Sie diese Erwartungshaltung bewusst oder unbewusst auf Ihre Mitarbeiter übertragen. Solange für Sie «gestresst sein» eine individuelle Schwäche oder den Normalzustand darstellt, werden Sie wenig Verständnis für die Belastung Ihrer Mitarbeiter aufbringen und auch wenig Bereitschaft zeigen, den Stress Ihrer Mitarbeiter zu reduzieren.
Geben Sie Ihrer und der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter einen hohen Stellenwert und gehen Sie entsprechend sorgsam mit ihr um. Etablieren Sie eine Kultur in Ihrer Abteilung/Ihrem Team, in der Gesundheit ernst genommen wird und Krankheiten auskuriert werden.
Senden Sie durch Ihr Verhalten die richtigen Signale. Um den Stress und die Belastung Ihrer Mitarbeiter angemessen wahrnehmen und beurteilen zu können, ist es erforderlich, dass Sie sich mit der Beanspruchung und der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter auseinandersetzen. Als Führungskraft haben Sie durch Ihr tägliches Verhalten einen Einfluss auf die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter.
Viele Führungskräfte wissen jedoch nicht, was genau sich positiv oder negativ auf die Gesundheit auswirkt und wo sie ansetzen können.
Eigene Ansprüche reflektieren
Reflektieren Sie doch bewusst Ihre eigenen Motive und Verhaltensweisen bei der Arbeit, um zu überlegen, was einen positiven und was einen negativen Effekt auf Ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter haben könnte.
Nehmen Sie sich also kurz Zeit und machen Sie sich gedanklich oder schriftlich Notizen zu den folgenden Fragen:
- Wie werde ich selbst geführt? Was ist positiv und was ist negativ am Verhalten meiner direkten Führungskraft? Was löst dieses Verhalten bei mir aus?
- Wie würde ich mir wünschen, geführt zu werden?
- Wie führe ich meine Mitarbeiter?
- Inwiefern hat mein Führungsverhalten einen Einfluss auf die Gesundheit meiner Mitarbeiter?
Wertschätzung als Gesundheitsressource
Es gibt viele wissenschaftliche Belege, dass wertschätzendes und unterstützendes Führungsverhalten grossen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter hat.
Positive Auswirkung von Wertschätzung
- Wertschätzendes Führungsverhalten wirkt sich nach Ilmarinen & Tempel (2002) positiv auf die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter aus.
- Mitarbeiter, die sich von ihren Führungskräften akzeptiert, fair behandelt und wertgeschätzt fühlen, haben nach Rixgens, Badura & Behr (2008) weniger körperliche Beschwerden, weniger depressive Verstimmungen und ein besseres Wohlbefinden als Mitarbeiter, die sich nur gering akzeptiert und wertgeschätzt fühlen.
- Mitarbeiter, die sich von ihren Führungskräften sozial unterstützt fühlen (das heisst durch konkrete Hilfestellung oder ein offenes Ohr bei Problemen), berichten nach Lohmann-Haislah (2013) weniger über gesundheitliche Beschwerden als Mitarbeiter ohne oder mit nur geringer sozialer Unterstützung von ihren Führungskräften.
Negative Auswirkung von fehlender Wertschätzung
- In einer finnischen Längsschnittstudie von Ilmarinen & Tempel (2002) über einen Zeitraum von elf Jahren konnte gezeigt werden, dass «unbefriedigende Anerkennung und Wertschätzung am Arbeitsplatz» das Risiko einer Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit mehr als verdoppelt.
- Zudem konnte in einer anderen Studie von Elovainio (2006) nachgewiesen werden, dass das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, durch eine unfaire und ungerechte Behandlung bei der Arbeit langfristig erheblich steigt.
- In einer schwedischen Längsschnitt-studie von Nyberg (2009) zeigte sich, dass Defizite im Führungsverhalten bedeutsam mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen. Wurde zum Beispiel gute Arbeit nicht gelobt, wurden Arbeitsziele nicht geklärt oder benötigte Informationen nicht bereitgestellt, war das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, erhöht.
Im Berufsalltag wirkt sich besonders die Delegation von Aufgaben auf die Gesundheit und das Engagement der Mitarbeiter aus. Eine angemessene Delegation von Aufgaben ist kein leichtes Unterfangen. Für den einen Mitarbeiter kann eine Aufgabe eine interessante Herausforderung darstellen, für den anderen eine Überforderung.
Um einen «gesunden» Mittelweg zu finden, mit dem Sie gleichzeitig die Gesundheit und die Motivation Ihrer Mitarbeiter fördern, ist es hilfreich, folgende Anregungen zu berücksichtigen:
- Sprechen Sie mit Ihren Beschäftigten darüber, was sie sich zutrauen und welche Aufgaben sie gerne übernehmen möchten.
- Lernen Sie die Stärken und Entwicklungspotenziale Ihrer Beschäftigten kennen, damit Sie die Aufgaben passgenau übertragen können.
- Fragen Sie Ihre Beschäftigten, wie es ihnen mit ihren Aufgaben geht, wo sie gegebenenfalls Unterstützung benötigen.
- Klären Sie mit Ihren Beschäftigten, was sie als ihre nächsten Entwicklungsschritte ansehen.
- Überlegen Sie gemeinsam mit Ihren Beschäftigten, wer von welcher Aufgabe profitiert und sich wodurch weiterentwickeln kann.
Es lohnt sich auch, dass Sie Ihr eigenes Führungsverhalten reflektieren. Dieses Wissen kann Sie darin unterstützen, die Ressourcen Ihrer Mitarbeiter zu aktivieren, und Sie zu gesunder Mitarbeiterführun befähigen.