Gesunde Mitarbeiterführung: Wie Sie Wertschätzung als Gesundheitsressource nutzen

Gesunde Mitarbeiterführung fördert Loyalität und Vertrauen Ihnen gegenüber. Es ist darüber hinaus belegt, dass gesunde Mitarbeiter leistungsfähiger sind. Eine Mitarbeiterbefragung der Bertelsmann AG ergab, dass ein Führungsstil, der als gesundheitsförderlich empfunden wird, sich positiv auf die Leistung der Mitarbeiter und die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse des Unternehmens auswirkt.

08.06.2023 Von: Matthias K. Hettl
Gesunde Mitarbeiterführung

Gesunde Mitarbeiterführung führt also zu einer Win-win-Situation – alle haben etwas davon. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter, Mög­lichkeiten zur Stressbewältigung und Erholungsstrategien anzuwenden, um gesünder durch den Arbeitsalltag zu kommen.

Der Gesundheitszustand Ihrer Mitarbei­ter wird zum Massstab für Führungs­qualität. Der demografische Wandel verschärft die Notwendigkeit, die Mit­arbeiter langfristig gesund zu erhalten. Dies hat zur Folge, dass Sie zukünftig nicht nur an Ihrer Leistung, sondern zunehmend auch am Gesundheitszu­stand Ihrer Mitarbeiter gemessen wer­den. Neben Leistungszielen werden zunehmend auch Ziele vereinbart, die sich auf Ihr Führungsverhalten und auf die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter bezie­hen.

Führungskraft ist entscheidend

Sie haben als Führungskraft eine zen­trale Position und grossen Einfluss da­rauf, wie in Ihrer Abteilung gearbeitet wird. Führung beinhaltet neben direk­ten mitarbeiterbezogenen Aufgaben, wie die Führung, Entwicklung und Un­terstützung Ihrer Mitarbeiter, auch ma­nagementorientierte Aufgaben wie Pla­nung, Organisation, Koordination und Kontrolle. Mitarbeiterführung bedeutet im Wesentlichen, die Rahmenbedin­gungen der Arbeit als solcher und die Unternehmenskultur mitzugestalten und die Mitarbeiter bei der Erfüllung ge­meinsamer Aufgaben zu unterstützen.

Als Führungskraft beeinflussen Sie die Arbeitsbedingungen Ihrer Mitarbeiter, indem Sie Ziele vereinbaren und die Zielerreichung überprüfen, Bedingun­gen schaffen, unter denen Teams be­ziehungsweise Mitarbeiter ihre Ziele er­reichen können, Rückmeldung geben zur Qualität ihrer Arbeit, Vorbild sind, die Stimmung in Teams durch struk­turelle Vorgaben oder auch das eigene Verhalten steuern.

Daher haben Sie die besondere Ver­antwortung dafür, dass die Arbeitsbe­dingungen so gestaltet sind, dass die Arbeitsaufträge auch umgesetzt wer­den können. Beispielsweise sollte störungs- und behinderungsfrei gearbeitet werden können, es sollten keine wider­sprüchlichen Anforderungen bestehen, Ziele sollten erreichbar und Aufgaben zumutbar sein und das soziale Klima nicht von Konkurrenz, Missgunst, Miss­trauen oder gar verdeckter Aggression geprägt sein.

Review im Verantwortungsbereich

Überlegen Sie einmal, wie folgende Aspekte der Arbeit in Ihrem Verantwor­ tungsbereich gestaltet sind und was Sie noch verbessern könnten. Fragen Sie bei Gelegenheit auch mal Ihre Mitarbei­ter, wie sie diese Aspekte empfinden.

  • die Arbeitsaufgabe – zum Beispiel Entscheidungskompetenzen und Verantwortungsinhalte, Tätigkeitsspielräume, Ganzheitlichkeit der Aufgabe, Aufgabenvielfalt und Aufgabenwech­sel, Rückmeldung zur Tätigkeitsaus­führung und den Arbeitsergebnissen, Leistungs- und Zeitvorgaben
  • die Arbeitsorganisation – zum Bei­spiel Bereichsstruktur und Projekt­organisation, Verantwortungsstruktur und Kompetenzen, Arbeitsprozesse, Arbeitsverteilung, Arbeitszeit, Infor­mationsmanagement, soziale und fi­nanzielle Gratifikation, Entwicklungs-und Lernchancen bei der Arbeit, Pausenregelung
  • die Arbeitsumgebung – zum Beispiel Lärm, Klima, Beleuchtung
  • die Arbeitsmittel – zum Beispiel (hö­henverstellbarer) Arbeitstisch, Büroarbeitsstuhl, Computerhardware, Soft­ware
  • die sozialen Faktoren – zum Beispiel Kommunikation, Abteilungs- und Betriebsklima, Kunden, Umgang mit Konflikten
  • Umsetzung des betrieblichen Arbeits­schutzes

Vorbildfunktion

Als Führungskraft haben Sie eine be­sondere Vorbildfunktion. Das gilt sowohl für den Umgang mit Problemen bei der Arbeit als auch für den Umgang mit der eigenen Gesundheit und den eigenen Belastungen.

Mitarbeiter, die in ihrer Führungskraft kein Vorbild für Gesundheit sehen, lei­den einer Studie von Franke & Felfe (2011) zufolge doppelt so häufig unter psychosomatischen Beschwerden, wie zum Beispiel Kopf- oder Magenschmer­zen, verglichen mit Mitarbeitern, die sich in puncto Gesundheit an ihrer Füh­rungskraft orientieren können.

Zeichen setzen für eine gesunde Mitarbeiterführung

Als Führungskraft müssen Sie Zeichen setzen. Nehmen Sie eine Vorreiterrolle für den Umgang mit der Gesundheit ein. Informieren Sie sich über die Ange­bote Ihres Unternehmens zur Gesund­heitsförderung und bewerben Sie diese aktiv. Unterstützen Sie gesundheitsför­derliches Verhalten Ihrer Mitarbeiter, indem Sie

  • eine angemessene Pausenkultur pflegen,
  • Wert auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben legen,
  • Angebote der Gesundheitsförderung wahrnehmen und auch Ihre Mitar­beiter zur Teilnahme ermutigen.

Schlechte Vorbilder wirken in zweifa­cher Hinsicht negativ. Es leidet sowohl die eigene Gesundheit als auch die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter. Wenn Sie sich als Vorgesetzter krank zur Arbeit schleppen oder ignorieren, wenn Ihre Mitarbeiter mit leichten Erkrankungen zur Arbeit kommen, hat das eine Sig­nalwirkung. Die anderen Mitarbeiter bilden die Erwartung aus, dass sie bes­ser krank zur Arbeit kommen sollten, anstatt zu Hause zu bleiben und sich auszukurieren.

Präsentismusphänomen

Ein Fall von Präsentismus ist auch das Verhalten von Herrn Huber, der sich krank in die Arbeit «schleppt», unbe­wusst Fehler verursacht, einen Tinnitus erleidet, längere Zeit ausfällt und dann auch noch wegen der gravierenden Fehler, welche ihm in seiner Arbeitszeit, in der er krank war, unterlaufen sind, das Unternehmen verlassen musste.

Herr Huber hat ein Verhalten gezeigt, das mit dem Begriff des «Präsentismus» bezeichnet wird. Sie sind zur Arbeit gekommen, obwohl sie krank waren. Ihnen unterliefen Fehler bei der Arbeit, und schliesslich hat Herr Huber mit langfristigen gesundheitlichen Fol­gen bezahlt.

Risiken von Präsentismus

Es ergibt sich also eine Vielzahl von Risiken und negativen Auswirkungen. Die Arbeitsleistung ist beeinträchtigt, weil:

  • Fehler passieren
  • Kollegen sich anstecken (und in der Folge ausfallen)
  • eine Krankheit verschleppt und chronifiziert wird

Studien von Steinke und Badura (2011) haben ergeben, dass die durch Produk­tionsausfall bedingten Kosten, die durch Präsentismus verursacht werden, um ein Mehrfaches über denen liegen, die auf krankheitsbedingte Abwesenheiten zurückzuführen sind.

Kennen Sie das Problem

Wie oft ist es bei Ihnen in den letzten zwölf Monaten vorgekommen, dass Sie

  • zur Arbeit gegangen sind, obwohl Sie sich richtig krank gefühlt haben?
  • mit der Genesung bis zum Wochen­ende abgewartet haben?
  • gegen den Rat des Arztes Ihrer Arbeit nachgegangen sind?
  • zur Genesung Urlaubstage genom­men haben?
  • sich vom Arzt ein Medikament verschreiben liessen, um fit für die Arbeit zu sein?

Wie sieht es bei Ihren Mitarbeitern aus?

Absentismus beziehungsweise krank­heitsbedingte Fehlzeiten sind seit Jah­ren rückläufig. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich die Gesundheit der Mitarbeitenden in den Betrieben verbessert hat. Die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz Krankheit kommt immer häufiger vor und hat negativen Einfluss auf die Produktivität der Unternehmen.

Umfassende Befragungen von Lohmann-Haislah (2013) verdeutlichen die zunehmende Relevanz des Präsentismusproblems. Bezogen auf einen Zeitraum von zwölf Monaten sind in Deutschland:

  • 70 Prozent der Mitarbeiter mindestens einmal krank zur Arbeit gegangen
  • 30 Prozent gegen den Rat des Arztes zur Arbeit gegangen
  • 21 Prozent bei Krankheit immer arbeiten gegangen, während nur 16 Prozent bei Krankheit immer zu Hause blieben
  • Mitarbeiter sind 3,7-mal krank zur Arbeit gegangen und waren 11,5 Ar­beitstage krank am Arbeitsplatz

Es gibt grundsätzlich eine Reihe von Gründen, die von Mitarbeitern ange­führt werden, was die Gründe für Präsentismus sind:

  • grosses Arbeitsvolumen
  • Rücksicht auf Kollegen
  • Pflichtgefühl, Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber
  • Angst vor beruflichen Nachteilen
  • Angst vor dem Verlust des Arbeits­platzes
  • Bewertung der Krankheit als Bagatellerkrankung

Wichtig ist das Führungsverhalten

Ihre Gesundheit und die Gesundheit Ih­rer Mitarbeiter sind nicht losgelöst voneinander. Wenn Sie stark gestresst sind, wird es Ihnen schwerfallen, gesund­heitsgerecht zu führen. Es ist wahr­scheinlich, dass Sie weniger empfäng­lich für die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter sind oder nicht in der Lage sind, diesen ausreichend gerecht zu werden.

Wenn Sie sich selbst dauerhaft zu stark fordern und einen extrem hohen An­spruch an sich selbst haben, passiert es schnell, dass Sie diese Erwartungs­haltung bewusst oder unbewusst auf Ihre Mitarbeiter übertragen. Solange für Sie «gestresst sein» eine individuel­le Schwäche oder den Normalzustand darstellt, werden Sie wenig Verständnis für die Belastung Ihrer Mitarbeiter auf­bringen und auch wenig Bereitschaft zeigen, den Stress Ihrer Mitarbeiter zu reduzieren.

Geben Sie Ihrer und der Gesundheit Ih­rer Mitarbeiter einen hohen Stellenwert und gehen Sie entsprechend sorgsam mit ihr um. Etablieren Sie eine Kultur in Ihrer Abteilung/Ihrem Team, in der Gesundheit ernst genommen wird und Krankheiten auskuriert werden.

Senden Sie durch Ihr Verhalten die richtigen Signale. Um den Stress und die Belastung Ihrer Mitarbeiter ange­messen wahrnehmen und beurteilen zu können, ist es erforderlich, dass Sie sich mit der Beanspruchung und der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter ausein­andersetzen. Als Führungskraft haben Sie durch Ihr tägliches Verhalten einen Einfluss auf die Gesundheit Ihrer Mitar­beiter. 

Viele Führungskräfte wissen jedoch nicht, was genau sich positiv oder nega­tiv auf die Gesundheit auswirkt und wo sie ansetzen können.

Eigene Ansprüche reflektieren

Reflektieren Sie doch bewusst Ihre ei­genen Motive und Verhaltensweisen bei der Arbeit, um zu überlegen, was einen positiven und was einen negativen Ef­fekt auf Ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter haben könnte.

Nehmen Sie sich also kurz Zeit und ma­chen Sie sich gedanklich oder schrift­lich Notizen zu den folgenden Fragen:

  1. Wie werde ich selbst geführt? Was ist positiv und was ist negativ am Ver­halten meiner direkten Führungs­kraft? Was löst dieses Verhalten bei mir aus?
  2. Wie würde ich mir wünschen, ge­führt zu werden?
  3. Wie führe ich meine Mitarbeiter?
  4. Inwiefern hat mein Führungsverhal­ten einen Einfluss auf die Gesundheit meiner Mitarbeiter?

Wertschätzung als Gesundheitsressource

Es gibt viele wissenschaftliche Belege, dass wertschätzendes und unterstützen­des Führungsverhalten grossen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter hat.

Positive Auswirkung von Wertschätzung

  • Wertschätzendes Führungsverhalten wirkt sich nach Ilmarinen & Tempel (2002) positiv auf die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter aus.
  • Mitarbeiter, die sich von ihren Füh­rungskräften akzeptiert, fair behan­delt und wertgeschätzt fühlen, haben nach Rixgens, Badura & Behr (2008) weniger körperliche Beschwerden, weniger depressive Verstimmungen und ein besseres Wohlbefinden als Mitarbeiter, die sich nur gering akzep­tiert und wertgeschätzt fühlen.
  • Mitarbeiter, die sich von ihren Füh­rungskräften sozial unterstützt füh­len (das heisst durch konkrete Hilfestellung oder ein offenes Ohr bei Problemen), berichten nach Lohmann-Haislah (2013) weniger über gesundheitliche Beschwerden als Mitarbeiter ohne oder mit nur ge­ringer sozialer Unterstützung von ih­ren Führungskräften.

Negative Auswirkung von fehlender Wertschätzung

  • In einer finnischen Längsschnittstudie von Ilmarinen & Tempel (2002) über einen Zeitraum von elf Jahren konnte gezeigt werden, dass «unbefriedigen­de Anerkennung und Wertschätzung am Arbeitsplatz» das Risiko einer Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit mehr als verdoppelt.
  • Zudem konnte in einer anderen Studie von Elovainio (2006) nachgewiesen werden, dass das Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, durch eine un­faire und ungerechte Behandlung bei der Arbeit langfristig erheblich steigt.
  • In einer schwedischen Längsschnitt-studie von Nyberg (2009) zeigte sich, dass Defizite im Führungsverhal­ten bedeutsam mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammenhängen. Wurde zum Beispiel gute Arbeit nicht gelobt, wurden Arbeitsziele nicht ge­klärt oder benötigte Informationen nicht bereitgestellt, war das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, er­höht.

Im Berufsalltag wirkt sich besonders die Delegation von Aufgaben auf die Gesundheit und das Engagement der Mitarbeiter aus. Eine angemessene De­legation von Aufgaben ist kein leichtes Unterfangen. Für den einen Mitarbeiter kann eine Aufgabe eine interessante Herausforderung darstellen, für den an­deren eine Überforderung.

Um einen «gesunden» Mittelweg zu finden, mit dem Sie gleichzeitig die Ge­sundheit und die Motivation Ihrer Mitar­beiter fördern, ist es hilfreich, folgende Anregungen zu berücksichtigen: 

  • Sprechen Sie mit Ihren Beschäftigten darüber, was sie sich zutrauen und welche Aufgaben sie gerne überneh­men möchten.
  • Lernen Sie die Stärken und Entwick­lungspotenziale Ihrer Beschäftigten kennen, damit Sie die Aufgaben passgenau übertragen können.
  • Fragen Sie Ihre Beschäftigten, wie es ihnen mit ihren Aufgaben geht, wo sie gegebenenfalls Unterstützung benöti­gen.
  • Klären Sie mit Ihren Beschäftigten, was sie als ihre nächsten Entwick­lungsschritte ansehen.
  • Überlegen Sie gemeinsam mit Ihren Beschäftigten, wer von welcher Auf­gabe profitiert und sich wodurch weiterentwickeln kann.

Es lohnt sich auch, dass Sie Ihr eigenes Führungsverhalten reflektieren. Dieses Wissen kann Sie darin unterstützen, die Ressourcen Ihrer Mitarbeiter zu aktivie­ren, und Sie zu gesunder Mitarbeiterführun befähigen.

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