Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok

Rollen statt Stellen: Für die Arbeitswelt der Zukunft besser geeignet

Nicht zuletzt die Corona-Krise hat deutlich gemacht: Klassische Stellenbeschreibungen und statische Stellen verhindern rasches Handeln, Agilität, Flexibilität, Dynamik und Anpassungsfähigkeit. In einer Welt des ständigen Wandels sind Rollen, die unabhängig von Personen und Positionen existieren, besser geeignet.

22.07.2021 Von: Anne M. Schüller
Rollen statt Stellen

Rollen statt Stellen

In traditionellen Organisationen hat eine Stelle ein fest umrissenes Aufgabenpaket und ist fest an eine Person gebunden. Der Stelleninhaber hat die Pflicht, die ihm laut Stellenbeschreibung vorgegebenen Tätigkeiten zu erledigen. Im Zuge einer Stellenausschreibung wird er dementsprechend angeworben, über einen vordefinierten Recruiting-Prozess ausgewählt und dann in die Stelle eingearbeitet. Werden die ihm zugedachten Aufgaben nicht mehr benötigt, wird ihm womöglich gekündigt.

Fertigkeiten, die der Stelleninhaber zwar besitzt, aber im Rahmen seiner Stelle nicht benötigt, gehen dem Unternehmen verloren. Wertvolles Leistungsvermögen verpufft. Qualifikationen hingegen, die zur Stelle gehören, die der Stelleninhaber jedoch nicht besitzt, müssen mühsam erworben werden. Heisst: Man passt den Menschen an die Stelle an – und nicht umgekehrt. So blockieren eng umgrenzte Stellenbeschreibungen auch die Potenzialentfaltung. Wer das nicht akzeptiert, wird die Firma verlassen.

Feste Stellen fixieren die Unternehmen in Starrheit

Die Position ist der Platz, den der Stelleninhaber in einer Organisation einnimmt. Sie beschreibt auch das jeweilige hierarchische Über- und Unterordnungsverhältnis. Die Stelle definiert den dazugehörigen Zuständigkeitsbereich. Wofür man nicht zuständig ist, darum hat man sich nicht zu kümmern. „Das ist nicht Ihre Aufgabe“, hört der Stelleninhaber, wenn er sich in etwas „einmischt“, das nicht zu seiner fest umschriebenen Position gehört. „Das steht nicht in meiner Stellenbeschreibung“, heisst es hingegen, wenn man Aufgaben übernehmen soll, für die man nicht eingestellt wurde.

Demgegenüber spricht man in zeitgemässen Organisationen zunehmend von Rollen - Rollen statt Stellen. Rolle und Person sind dabei voneinander getrennt. Hierdurch kann die Aufgabenverteilung viel flexibler an die sich ständig verändernden Umstände angepasst werden. Je nach Bedarf werden kurzfristig neue Rollen kreiert. Wenn kein Bedarf mehr besteht, werden diese sogleich wieder aufgelöst. Durch solch kurzfristiges Justieren verhindert man auch, dass die eine Person zu viel, und die andere zu wenig Arbeit hat.

Eine Person kann mehrere Teilrollen übernehmen und in mehreren Projektteams arbeiten. Eine Rolle kann je nach Umfang auch durch mehrere Personen ausgeübt werden. Oder sie wird nur zeitweise besetzt. Rollenwechsel sind kurzfristig möglich. So können Arbeitsspitzen viel besser ausgeglichen werden. Und Kompetenzbedarfe lassen sich situativ zügig decken, ohne gleich neue Mitarbeitende einstellen zu müssen.

Rollen gewährleisten eine höchstmögliche Flexibilität

Der jeweilige Rolleninhaber erklärt sich verantwortlich für die Aufgabenpakete, die zu seiner Rolle gehören. Was die Rolle darf und was nicht, wird in Vereinbarungen festgelegt und öffentlich sichtbar gemacht. So kann es zum Beispiel die Rolle des Pricing Managers geben, der die Autorität hat, bei den ihm zugeordneten Produkten die Preise zu bestimmen, ohne sich Genehmigungen „von oben“ einholen zu müssen.

Oft wählen die Rolleninhaber für sich pfiffige Namen, wie etwa so: Content Magier, Customer Care Hero, Intergalactic President, Master of the IT-Universe, Chief Happiness Officer, Social-Media-Derwisch. Möchte man den Grad der Kompetenz zum Ausdruck bringen, stellt man dem ein Junior oder ein Senior voran.

Rollenkonzepte orientieren sich an den Stärken einer Person. Der Rolleninhaber tut das, was er am besten kann und auch mag. Zudem kann er sein individuelles Potenzial interessenbasiert weiter ausbauen und sich in neue Bereiche hineinentwickeln. So ermöglichen Rollenkonzepte auch dem einzelnen Mitarbeitenden mehr Flexibilität. Je nach Lebensphase lässt sich der Aufgabenumfang seiner Rolle erhöhen oder reduzieren.

Wie der Aufgabenbereich einer Rolle entsteht

Am besten beschreibt ein Rolleninhaber seinen Aufgabenbereich selbst. Durch die damit verbundene Selbstreflexion wird der Sinn der eigenen Arbeit im Gesamtkontext klarer und die Verbindlichkeit steigt. Motivation, Engagement und Produktivität nehmen zu. Folgende Fragestellungen sind dafür adäquat:

  • Was sind meine Aufgaben und mein konkreter Beitrag für das Unternehmen?
  • Mit welchen Bereichen arbeite ich zum Wohl unserer Kunden zusammen?
  • Was brauchen die Kollegen von mir, und was brauche ich von den Kollegen?
  • Was behindert mich bei meiner Arbeit und wie kann ich das ändern?
  • Wie kann ich meine Arbeit weiter verbessern und was muss ich dazu lernen?

Besteht Klarheit über diese einzelnen Punkte, wird die Rolle schriftlich definiert:

  • Wie heisst die Rolle?
  • Was ist der Sinn und Zweck dieser Rolle?
  • Welches sind die Verantwortungsbereiche?
  • Welche Beschränkungen gibt es (z. B. Budgetrestriktionen)?

Dabei listet man nur die Tätigkeiten, die in der Rolle tatsächlich ausgeübt werden.

Wie die Rollenverteilung am besten gelingt

Damit es zu einem möglichst perfekten Match zwischen Kompetenzträger und Rolle kommt, schaffen dezentrale Organisationen Rollenmärkte. Sie bestimmen also nicht, wer welchen Aufgabenkomplex übernimmt, sondern favorisieren Freiwilligkeit. „Wer will das machen?“, wird gefragt. Jemand meldet sich und wählt eine passende Rolle aus. Oder man wird vom Team für eine Rolle vorgeschlagen beziehungsweise gewählt. So ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die jeweils kompetenteste Person durchsetzt.

Menschen wählen in solchen Fällen nur nach Beliebtheit? Weit gefehlt! Denken Sie zurück an die Schulzeit. Galt es, im Mannschaftsport zu gewinnen, hat man die Besten ins eigene Team gewählt. Je nach Sportart waren das ganz verschiedene Leute. Und wenn man sich bei einem Outdoor-Event im Wald verirrte? Es war der mit dem besten Koordinationstalent, der grössten Besonnenheit und der stärksten Zuversicht, der die Gruppe zurück in die Sicherheit führte.

Menschen haben ein ziemlich gutes Gespür dafür, wer in einer jeweiligen Situation der Richtige ist. Dieser zunächst Richtige kann jedoch in einer späteren neuen Situation genau der Falsche sein. Wenn jedoch in klassischen Unternehmen institutionalisierte Machthierarchien regieren, klammert man sich an den Status quo. Dort stützt sich Macht gegenseitig, um an der Macht zu bleiben. Man hüllt sich in Geheimnisse, hütet Wissen und meidet Transparenz. Man schafft Bündnisse und verfolgt Ego-Ziele.

Die jeweils passendste Person am richtigen Platz

Wie im Sport sollte auch im Firmenkontext ein Rolleninhaber von seiner Rolle zurücktreten können, wenn die Passung nicht länger stimmt. Dies betrifft nicht zwangsläufig nur „normale“ Mitarbeitende, sondern auch Führungskräfte. In einigen Organisationen werden die Bereichsleiter per Mitarbeiter-Votum gewählt - und nach einem festgelegten Zeitpunkt bestätigt - oder wieder abgewählt.

Das klingt zunächst ungewohnt. Bei näherer Betrachtung sind die Vorteile aber gewaltig. Wer gewählt werden will, muss performen. „Wer ist der/die Beste, um die Herausforderungen, die vor uns liegen, zu meistern?“, ist die entscheidende Frage. Und damit rücken die Sachthemen nach vorn. In klassischen Organisationen hingegen verplempern Führungskräfte einen Grossteil ihrer Zeit mit politischen Spielchen.

Das Denken «Rollen statt Stellen» ist aus weiteren Gründen interessant. So muss man in klassischen Systemen immer hingehen und fragen, ob ein Vorgesetzter einer „seiner“ Mitarbeitenden abgibt, was aus sachlichen Gründen meist sicher ginge, oft jedoch an organisationalem Strukturdenken scheitert.

Im Rahmen seiner Ziel- und Bonusplanung ist es für den einzelnen Manager eben kontraproduktiv, jemanden aus dem eigenen Bereich in ein crossfunktionales Projekt abzugeben oder unterjährig in einen anderen Teil der Organisation ziehen zu lassen. Die Stelle ist schliesslich mit allen Kosten in seinem Bereich budgetiert und bei der Abteilungsergebnisplanung fest einkalkuliert.

Newsletter W+ abonnieren