Arbeitsvertrag ändern: So gelingt es mit und ohne Änderungskündigung

Die Arbeitswelt befindet sich in einem stetigen Wandel. Insbesondere die finanzielle Lage eines Unternehmens oder aber auch der Wunsch, dieses neu auszurichten, können personelle Veränderungen nach sich ziehen. In solchen Fällen stellt sich häufig die Notwendigkeit, den Arbeitsvertrag ändern zu müssen. Um solche Veränderungen zu vollziehen, können Änderungskündigungen ein geeignetes Mittel darstellen. In der Folge wird deshalb aufgezeigt, was eine Änderungskündigung ist, wie eine solche vorzunehmen ist und welche Folgen eine unzulässige Änderungskündigung nach sich ziehen kann.

28.07.2025 Von: Michael Balmer, Alessandro Giangreco
Arbeitsvertrag ändern

Begriff und Notwendigkeit der Änderungskündigungen

Wird eine Kündigung mit einer Offerte zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags verbunden, so spricht man von einer Änderungskündigung. Diese ist im schweizerischen Obligationenrecht (OR) nicht ausdrücklich geregelt, wird jedoch von der Lehre und Rechtsprechung unter gewissen Voraussetzungen akzeptiert. In der Praxis ist diese jedenfalls ein weitverbreitetes Instrumentarium, um einen Arbeitsvertrag ändern zu können. Doch wann ist eine Änderungskündigung aus betrieblicher Sicht notwendig?

Der Inhalt eines Arbeitsvertrags kann grundsätzlich weder von der Arbeitgeberin noch von der Arbeitnehmenden einseitig geändert werden. Die Vertragsänderung ist vom Weisungsrecht der Arbeitgeberin abzugrenzen (Art. 321d OR), wonach die Arbeitgeberin die Möglichkeit hat, das Arbeitsverhältnis im Rahmen der Bestimmungen des Arbeitsvertrags mittels einseitiger, empfangsbedürftiger Anordnungen zu konkretisieren. Auf diese Art kann die Arbeitgeberin die Arbeitnehmende beispielsweise hinsichtlich der Ausführung der Arbeit, der Benutzung von IT und Arbeitsgeräten, der zu tragenden Kleidung und der zu beachtenden Sicherheits- und Gesundheitsmassnahmen anweisen. Dabei hat die Arbeitgeberin im Einzelfall jeweils zu entscheiden, ob es sich um eine Weisung handelt. Andernfalls könnte eine unzulässige, einseitige Vertragsänderung vorliegen. Dementsprechend ist der Arbeitgeberin zu empfehlen, sich im Zweifelsfall rechtlich beraten zu lassen.

Wie soeben dargelegt wurde, kann ein Arbeitsvertrag nicht mittels Weisung geändert werden. So sind beispielsweise bei Änderungen des vertraglich vereinbarten Arbeitsorts, des Arbeitspensums, des Lohns und der Funktion Vertragsänderungen vorzunehmen. Soll also der Vertrag geändert werden, so drängen sich dazu zwei Möglichkeiten auf. Zunächst steht der Arbeitgeberin und der Arbeitnehmenden die einvernehmliche Vertragsanpassung offen. Dabei ist vorerst zu klären, ob im Arbeitsvertrag eine Bestimmung enthalten ist, wonach man den Arbeitsvertrag ändern muss – etwa durch Schriftform – oder ob von Gesetzes wegen (z. B. beim Lehrvertrag, Handelsreisendenvertrag oder bei Konkurrenzverboten) formelle Vorgaben gelten. Auch wenn die Schriftlichkeit zur Vertragsänderung nicht zwingend ist, ist sie aus Beweisgründen empfehlenswert. Diese Anpassung kann auch durch einen Zusatzvertrag erfolgen.

Können sich die Arbeitnehmende und die Arbeitgeberin nicht auf einen angepassten Vertrag einigen, so besteht der ursprüngliche Arbeitsvertrag weiter. In diesem Fall muss die Arbeitgeberin, sofern sie eine Vertragsänderung durchsetzen möchte, eine Änderungskündigung, also eine Kündigung kombiniert mit dem Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags aussprechen. Sofern die Änderungskündigung eine grosse Zahl Arbeitnehmender betrifft, so muss die Arbeitgeberin die Bestimmungen zum Massenentlassungsverfahren beachten.

Vorgehen in der Praxis

In der Praxis werden Änderungskündigungen in verschiedenen Formen durchgeführt. Bei der «eigentlichen Änderungskündigung» kündigt die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis und legt der Arbeitnehmenden einen neuen Vertrag vor. Wird dieser Vertrag von der Arbeitnehmenden akzeptiert, so gilt der neue Vertrag nach Ablauf der Kündigungsfrist. Hierbei gilt es zu beachten, dass das Arbeitsverhältnis auch bei Vertragsänderung fortgesetzt wird und demnach die Dienstjahre der jeweiligen Arbeitnehmenden im Unternehmen weiter angerechnet werden müssen. Lehnt die Arbeitnehmende den Vertrag ab, so ist die Kündigung wirksam, und das Arbeitsverhältnis endet nach Ablauf der Kündigungsfrist. Die Arbeitgeberin muss somit keine erneute Kündigung aussprechen. Bei der «uneigentlichen Änderungskündigung» kann die Arbeitgeberin ein erstes Angebot zur Vertragsänderung machen und erst dann kündigen, wenn die Arbeitnehmende das Angebot nicht akzeptiert.

Gerade wenn es darum geht, einen Arbeitsvertrag ändern zu wollen, ist Sorgfalt geboten – insbesondere bei der Wahl des richtigen Vorgehens (z. B. einvernehmliche Vertragsänderung oder Änderungskündigung).

Da – sofern eine Vertragsänderung nicht möglich sein sollte– eine Kündigung (auf einen bestimmten Zeitpunkt) erreicht werden soll, sind die ordentlichen Kündigungsfristen einzuhalten. Weiter sind die allgemeinen Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung (Art.336 ff. OR) und zur Kündigung zur Unzeit (Art.336c OR) zu beachten. Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitgeberin mit der Änderungskündigung einen gewissen Druck auf Arbeitnehmende ausüben kann – entweder wird das Arbeitsverhältnis unter neuen Bedingungen weitergeführt oder es endet–, sind die erwähnten Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung besonders zu beachten. Eine gewisse Druckausübung ist zwar grundsätzlich zulässig, sofern diese aber das zulässige Mass überschreitet, liegt eine missbräuchliche Änderungskündigung vor. Zur Frage, wann eine Änderungskündigung als missbräuchlich gilt, hat sich das Schweizerische Bundesgericht im publizierten Entscheid BGE 123 III 246 geäussert. Demnach ist eine Änderungskündigung missbräuchlich, wenn durch diese Kündigung eine 

  • Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden soll, die
  • unbillig und
  • ohne betriebliche Notwendigkeit ist.

 

Dementsprechend sind Verbesserungen der Anstellungsbedingungen respektive Änderungen auf Wunsch der Arbeitnehmenden in aller Regel unproblematisch. Verschlechtern sich jedoch die Anstellungsbedingungen oder die Position einer Arbeitnehmenden, so ist die Möglichkeit einer missbräuchlichen Änderungskündigung genauer zu prüfen. Wo jedoch genau die Grenze zwischen rechtmässiger Vertragsänderung und Missbrauch liegt, lässt sich nicht generell beantworten. Es gilt jedoch der Grundsatz: Je weniger einschneidend die Vertragsänderung wirkt, desto geringer sind auch die Anforderungen an die betriebliche Notwendigkeit. So kann beispielsweise die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses mit einem geringeren Lohn gerechtfertigt sein, wenn die Arbeitnehmende im innerbetrieblichen Quervergleich einen ungerechtfertigt hohen Lohn erzielt oder wenn das Unternehmen seine Kosten reduzieren muss, um wirtschaftlich zu überleben. Missbräuchlichkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn • die Kündigungsfristen nicht eingehalten werden; 

  • der Arbeitnehmenden zu wenig Bedenkzeit gewährt wird;
  • eine Vertragsänderung angeboten wird, welche gesetzeswidrig oder gegen einen anwendbaren Gesamt- oder Normalarbeitsvertrag verstösst und die Arbeitgeberin deshalb kündigt;
  • der Lohn gekürzt wird, um den Ertrag des Unternehmens zu steigern.

 

Diese Aufzählung ist nicht abschliessend. Vielmehr soll damit dargestellt werden, wann Änderungskündigungen missbräuchlich sein können. Letztlich ist jedoch immer jeder Fall einzeln zu betrachten, und alle Umstände sind miteinzubeziehen. Auch hinsichtlich der Frage, ob eine Änderungskündigung missbräuchlich sein könnte, empfiehlt es sich, sich im Zweifelsfall rechtlich beraten zu lassen – insbesondere, wenn Arbeitgeberinnen den Arbeitsvertrag ändern möchten, ohne einvernehmliche Lösung zu erreichen.

Folgen einer unzulässigen Änderungskündigung

Die Wirkung einer unzulässigen Änderungskündigung richtet sich nach deren Grund. Wurde eine Änderungskündigung während einer Sperrfrist nach Art.336c OR (z.B. Schwangerschaft, Militär o.Ä.) ausgesprochen, so besteht das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fort, sofern die Arbeitnehmende die Vertragsänderung nicht annimmt. Die Kündigung ist in diesem Fall nichtig.

In solchen Fällen zeigt sich, wie wichtig es ist, rechtlich korrekt vorzugehen, wenn man einen Arbeitsvertrag ändern möchte.

Ist die Änderungskündigung missbräuchlich, so entfaltet sie ihre Wirkung. Der Arbeitsvertrag wird demnach gekündigt, sofern die Arbeitnehmende die Vertragsänderung nicht annimmt. Die Arbeitgeberin muss dann jedoch Strafzahlungen nach Art.336a OR leisten. Gemäss Art. 336a OR kann das Gericht die Arbeitnehmerin, die eine missbräuchliche Änderungskündigung angeordnet hat, dazu verpflichten, der Arbeitnehmenden eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen zu leisten (zuzüglich allfälliger Gerichtskosten und Parteientschädigungen). Diese Strafzahlung aus Art. 336a OR entfällt aber, wenn das Arbeitsverhältnis zu veränderten Bedingungen fortgesetzt wird, da gemäss Art. 336a OR das Arbeitsverhältnis wegen der missbräuchlichen Kündigung tatsächlich beendet worden sein muss.

Fazit

Änderungskündigungen stellen ein aus Sicht der Arbeitgeberin interessantes Instrument dar, um Vertragsänderungen vorzunehmen. Nichtsdestotrotz dürfte eine einvernehmliche Vertragsanpassung in der Regel das geeignetere Werkzeug darstellen, um die fruchtende Beziehung zwischen der Arbeitgeberin und der Arbeitnehmenden zu wahren und somit konsensual einen Arbeitsvertrag ändern zu können. Der Versuch der einvernehmlichen Vertragsänderung sollte (sofern keine besonderen Argumente wie beispielsweise die zeitliche Dringlichkeit dagegensprechen) einer Änderungskündigung vorgezogen werden. Ganz allgemein sollte sich eine Arbeitgeberin vor einer Vertragsanpassung mit den nachfolgenden Fragen auseinandersetzen:

  1. Handelt es sich bei der erstrebten Veränderung um eine Weisung? 
    Wenn ja: Eine Änderungskündigung ist nicht erforderlich.
  2. Ist eine einvernehmliche Vertragsänderung möglich? 
    Wenn ja: Eine Änderungskündigung ist nicht erforderlich.
  3. Wie viele Personen wären von einer Änderungskündigung betroffen? 
    Je nach Anzahl sind die Bestimmungen zu den Massenentlassungen zu beachten.
  4. Auf welchen Zeitpunkt soll gekündigt werden? 
    Die Kündigungsfristen müssen beachtet werden, andernfalls eine missbräuchliche Kündigung vorliegen könnte.
  5. Liegt eine missbräuchliche Kündigung vor?
    Die Kündigung wäre zwar gültig, ein Gericht könnte die Arbeitgeberin jedoch zu Strafzahlungen verpflichten.
  6. Liegt eine Kündigung zur Unzeit vor?
    Die Kündigung wäre nichtig und müsste rechtsgültig wiederholt werden.

Wie bereits erwähnt kann es in Grenzfällen angezeigt sein, sich rechtlich beraten zu lassen, da aufgrund des Risikos einer missbräuchlichen Kündigung erhebliche prozessuale Risiken bestehen und Entschädigungen geschuldet sein könnten – insbesondere, wenn man einen Arbeitsvertrag ändern will, ohne klare rechtliche Grundlage oder Zustimmung.

FAQ - Häufige Fragen zu Abänderung von Arbeitsverträgen und Reglementen ohne Änderungskündigung

Frage: Wie können geltende Arbeitsverträge und Personalreglemente möglichst einfach abgeändert werden, das heisst einseitig, ohne vorherige Zustimmung der Arbeitnehmer und ohne Änderungskündigungen?

Antwort: Da der Arbeitsvertrag und die dazugehörigen Reglemente zweiseitig eingegangen wurden, d.h., sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber haben ihre Zustimmung gegeben, können sie grundsätzlich auch nur zweiseitig abgeändert werden. Im Schweizer Arbeitsrecht gibt es aber diverse Möglichkeiten, um die Dokumente den veränderten Umständen anzupassen – unter Umständen ist dies auch einseitig durch den Arbeitgeber möglich.

Weisungen

Die einfachste Art, die Dinge im Arbeitsverhältnis zu regeln und bei Veränderungen einseitig anzupassen, ist, sie in Weisungen anzuordnen. Aufgrund des Subordinationsverhältnisses (der Arbeitnehmer hat sich in die Organisation des Arbeitgebers einzuordnen und dessen Anordnungen zu befolgen) darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmern Weisungen betreffend die Erbringung der Arbeit und das Verhalten erlassen. Die Arbeitnehmer haben diesen Weisungen Folge zu leisten, sofern sie nicht gesetzeswidrig oder unsittlich sind. In vielen Betrieben werden zum Beispiel der Code of Conduct oder die Benutzung von E-Mails und Internet mithilfe von Weisungen geregelt. Der grosse Vorteil der Weisungen ist, dass sie keinen Vertragsbestandteil bilden, sondern einseitig angeordnet und dadurch auch einseitig abgeändert werden können. Aber auch der Arbeitsvertrag und die Reglemente können unter Umständen einseitig abgeändert werden.

Arbeitsvertrag

Aufgrund der Vertragsfreiheit steht es Arbeitgebern und Arbeitnehmern frei, den Vertragsinhalt so zu gestalten, wie sie wollen. Es ist also theoretisch zulässig, in einen Arbeitsvertrag reinzuschreiben, dass der Arbeitgeber diesen einseitig abändern darf. Wenn der Arbeitnehmer zustimmt, ist dies im Prinzip zulässig. Natürlich gibt es aber auch hier Ausnahmen. Zum Beispiel darf der Arbeitnehmer sich nicht übermässig binden, und die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers müssen stets gewahrt bleiben. Aber auch ohne diese Klausel ist es denkbar, dass der Arbeitgeber z.B. den Lohn des Arbeitnehmers einseitig kürzt, ohne eine Änderungskündigung durchzuführen. Das Bundesgericht hat verschiedentlich einseitige Lohnkürzungen des Arbeitgebers geschützt, wenn gewisse Umstände gegeben waren und der Arbeitnehmer sich nicht dagegen gewehrt hat.

Oft sieht man Klauseln im Arbeitsvertrag wie z.B. «Das Personalreglement in der jeweils gültigen Fassung bildet einen integrierenden Bestandteil des Arbeitsvertrages.» Reicht das bereits, damit der Arbeitgeber das Personalreglement einseitig abändern kann?

Reglemente

Die Reglemente können Vertragsbestandteil werden und mit vertraglichem Abänderungsvorbehalt einseitig abgeändert werden. Das gilt aber nicht immer. Reglemente werden nach den gleichen Regeln wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ausgelegt. Namentlich die Ungewöhnlichkeitsregel, welche besagt, dass ungewöhnliche (überraschende) Bestimmungen in den Reglementen nicht anwendbar sind, kann dazu führen, dass einseitige Änderungen eines Reglements nicht zulässig sind.

Wenn alle Stricke reissen und alle Möglichkeiten der einseitigen Abänderung nicht zulässig sind, bleibt nur noch die Änderungskündigung. Dabei ist zu beachten, dass diese nicht zur Unzeit erfolgt (z.B. Krankheit eines Arbeitnehmers), nicht missbräuchlich ist und, wenn es eine grosse Zahl von Arbeitnehmenden betrifft, die Regeln der Massenentlassung eingehalten werden.

Roy Levy, personalSCHWEIZ März 2020

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