Flexibel arbeiten: Arbeitszeit, Arbeitsort und Lohn

Die Welt wird nicht nur globaler, sie wird auch immer flexibler. Veränderungsdrang birgt das Risiko, wichtige Details zu übersehen. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er soll dazu anregen, Zusammenarbeit flexibel und rechtssicher zu gestalten. Denn die absolute Flexibilität wird rechtlich eingeschränkt. Wer flexibel arbeiten möchte, sollte deshalb immer auch die rechtlichen Rahmenbedingungen im Blick behalten.

11.09.2025 Von: Myriam Minnig
Flexibel arbeiten

Arbeitszeit

Es gibt zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen, die keine vertraglichen Abweichungen zulassen. In Bezug auf die Arbeitszeit sind das: Höchstarbeitszeit, Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot, Mindestpausen und Ruhezeiten. Auch wenn ein Mitarbeitender mit anderen Regelungen einverstanden ist oder sogar solche wünscht, sind die Limitationen einzuhalten.

Art. 73 Abs. 1 lit. b –e ArGV schreibt detailliert vor, dass und wie die Arbeitszeit zu erfassen ist. Das bedeutet, in der Regel muss auch bei vereinbarter Vertrauensarbeitszeit eine Zeiterfassung erfolgen. Diese hilft auch in potenziellen Streitfragen wie bei der Abgeltung von Mehrstunden oder der Lohnfortzahlung während eines tatsächlichen Ferienbezugs. An Kurzarbeitsentschädigungen ist ohne Zeiterfassung nicht zu denken, und sie dient auch als Nachweis für geleistete Pensen bei der Feststellung eines Sozialversicherungsstatus.

Soll das Arbeitsvolumen variabel sein, kann sich dennoch bei regelmässiger Beschäftigung in ähnlichem Umfang ein Beschäftigungsanspruch von Mitarbeitenden ergeben. Das bewusste Offenlassen eines definierten Pensums verfehlt somit den Zweck. Wer also flexibel arbeiten möchte, muss die Vorgaben des Obligationenrechts beachten. Denn Art. 324 Abs. 1 OR definiert die Pflicht zur Lohnfortzahlung des Arbeitgebers. Kann die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter nicht im üblichen Rahmen Arbeit zuweisen, muss sie trotzdem Lohn ausrichten.

Die Sozialversicherungen stellen in bestimmten Fällen auf ein Pensum oder eine Lohnsumme ab. Art. 13 Abs. 1 UVV sieht die Deckung gegen Nichtberufsunfälle vor für Personen, die durchschnittlich mindestens acht Stunden pro Woche arbeiten. Wie dieser Durchschnitt genau zu berechnen ist, musste mehrfach bundesgerichtlich beurteilt werden, was in einer mehrseitigen Ad-hoc-Empfehlung UVG mündete. Art. 7 BVG bestimmt die Pflicht eines Anschlusses in der beruflichen Vorsorge ab einer bestimmten Lohnsumme. Gerade bei variablen Pensen ist daher zu prüfen, wie sich flexibel arbeiten mit diesen Grenzwerten vereinbaren lässt, und gegebenenfalls sind Massnahmen zu ergreifen.

Entlöhnung

Geht es um die Entlöhnung, liegt der Gedanke für Unternehmen nahe, die zu entlöhnende Arbeitsleistung eng mit Auftragslage und finanziellem Erfolg zu verknüpfen. Im Idealfall führt dies zu einer Motivation der Mitarbeitenden, für ein gutes Ergebnis zu sorgen, und die Lohnhöhe bewegt sich kongruent zum Unternehmenserfolg. Das Unternehmensrisiko darf jedoch nicht auf die Arbeitnehmenden abgewälzt werden, was regelmässig zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Ein Lohn muss die geleistete Arbeit angemessen entschädigen – auch dann, wenn Mitarbeitende besonders flexibel arbeiten.

Beispiel: Eine Mitarbeiterin wird angestellt mit einem Fixlohn von CHF 1000.– für ein Vollzeitpensum. Den Rest (und damit ein überwiegender Teil ihres Lohnanspruchs) muss sie sich mit Umsatzprovisionen verdienen. Grundsätzlich ist eine solche Vereinbarung möglich. Allerdings nur dann, wenn die Provision so angelegt ist, dass sie ein angemessenes Entgelt ergibt.

Entlöhnung während der Ferien

Weilt die Mitarbeiterin aus obigem Beispiel in den Ferien, kann sie keine Umsätze generieren. Das bedeutet nicht, dass sie in diesem Monat nur den Fixlohn erhält. Sie hat gemäss Art. 329d Abs. 1 OR Anspruch auf einen vollen Lohn, wobei die flexiblen Anteile in der Regel mit einem Durchschnitt berechnet werden.

Entlöhnung während einer Arbeitsunfähigkeit 

Bei vorübergehendem Arbeitsunterbruch infolge von Arbeitsunfähigkeit trifft den Arbeitgeber eine Lohnfortzahlungspflicht in vollem Umfang (Art. 324a OR) oder im Umfang von 80% (Art. 324b OR). Variable Anteile werden in diesen Fällen ebenfalls in durchschnittlicher Höhe ausbezahlt. Auch Taggeldversicherungen basieren auf Durchschnittswerten, die von der Berechnung des Arbeitgebers abweichen können.

Merke: Ist die arbeitsvertragliche Vergütung höher als das Taggeld der Versicherung, ist die vereinbarte Lohnfortzahlung zu leisten. Ist das Versicherungstaggeld höher, muss grundsätzlich mindestens das Taggeld an den Mitarbeitenden weitergeleitet werden.

Versicherter Lohn

Bei variablen Löhnen ist zu Beginn des Jahres noch nicht bekannt, wie hoch der Lohn der Mitarbeitenden ausfallen wird. Bei den meisten Sozialversicherungen erfolgt am Jahresende eine definitive Lohnmeldung, sodass automatisch eine Korrektur erfolgt. Bei der Pensionskasse müssen Löhne jedoch im Voraus gemeldet werden. Art. 3 Abs. 1 BVV2 sieht folgende Ausnahmen vor, um vom massgebenden Lohn nach AHVG abzuweichen:

  1. Weglassen von Lohnbestandteilen, die nur gelegentlich anfallen (Dies dürfte bei arbeitsvertraglich vereinbarten Ansprüchen meist nicht zutreffen.)
  2. Abstellen auf Vorjahreswerten unter Berücksichtigung bereits vereinbarter Änderungen (Beispiel: Eine vereinbarte Erhöhung des Fixlohns ist zu berücksichtigen, während für die unverändert vereinbarte Provision der Vorjahreswert herangezogen wird.)
  3. Abstellen auf einen Durchschnittslohn bei Berufen mit stark schwankenden Pensen oder Einkommenshöhen

Gerade wenn Mitarbeitende flexibel arbeiten, etwa mit variablen Pensen oder schwankendem Einkommen, ist es wichtig, dass bei vertraglichen Anpassungen unter dem Jahr laufend eine Meldung an die Pensionskasse erfolgt, wobei das Reglement eine gewisse Toleranz vorsehen kann.

Arbeitsort

Der vereinbarte Arbeitsort ist ein wichtiger Bestandteil eines Arbeitsvertrags. Er ist massgebend für den Anspruch auf Spesenentschädigungen (Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort sind Berufskosten und nicht durch die Arbeitgeberin zu entschädigen, für Fahrten zwischen Arbeits- und Einsatzort besteht ein Spesenanspruch), und er definiert den Gerichtsstand bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Ist der Mitarbeitende freiwillig oder aus geschäftlichen Gründen an einem anderen Ort tätig, kann das die rechtliche Ausgangslage verändern. Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen flexibel arbeiten, bekommt die Frage nach dem Arbeitsort eine zusätzliche Bedeutung.

Heimarbeit/Homeoffice 

Das Heimarbeitsgesetz (HArG) sieht zusätzliche Pflichten für beide Parteien vor. Der Inhalt lässt auf ein gewisses Alter des Gesetzes schliessen, ist es doch anwendbar für «gewerbliche und industrielle Hand- und Maschinenarbeit». Homeoffice hingegen ist eine neuere Erscheinung und nicht explizit gesetzlich verankert. Eine Adaption des HArG auf Homeoffice wäre durchaus eine Überlegung wert.

Sind Mitarbeitende verpflichtet, private Infrastruktur zu nutzen, ist eine Entschädigung seitens Arbeitgeberin geschuldet. Während das HArG dies eigens regelt, muss das für Homeoffice aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen abgeleitet werden. Das HArG schreibt Arbeitsschutzmassnahmen vor, was aufgrund der manuellen Tätigkeit Sinn macht. Für Homeoffice-Arbeitsplätze gelten keine expliziten Regelungen. Dies im Gegensatz zu gewissen anderen Ländern, in denen die Arbeitgeberin auch die Pflicht zur Überprüfung der Ergonomie am Arbeitsplatz im Homeoffice hat.

Eine Besonderheit zeigt sich im BGE 132 V 181, in dem das Bundesgericht über den Anspruch für Arbeitslosentaggelder zu befinden hatte. Eine Tagesmutter hatte zu Hause Kinder gegen Entgelt betreut. Sie war nicht in der Lage, eine Stelle ausserhalb der eigenen Wohnung anzunehmen, weshalb sie von der Arbeitslosenversicherung als nicht vermittlungsfähig eingestuft wurde. Nach HArG hätte Anspruch auf Entschädigung bestanden, da die Heimarbeit als solche definiert und an den Heimarbeitsplatz gebunden ist. Das Bundesgericht befand jedoch, dass die Tätigkeit als Tagesmutter nicht unter das HArG fällt.

Homeoffice im Ausland 

Leistet eine Mitarbeiterin ihre Arbeit teilweise oder ganz im ausländischen Homeoffice, gilt es, eine ganze Reihe Voraussetzungen zu prüfen. 

  • Besitzt die Mitarbeiterin nicht die Staatsangehörigkeit ihres Wohnsitzstaates, kann das Einholen einer Arbeitsbewilligung notwendig sein.
  • Zwingende arbeitsrechtliche lokale Bestimmungen am Tätigkeitsort sind einzuhalten.
  • Abhängig von Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Funktion und Verteilung der Arbeitszeit auf die beiden Staaten kann die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung in den Wohnsitzstaat fallen. Die Arbeitgeberin mit Sitz in der Schweiz müsste diesfalls den Lohn ganz oder teilweise nach fremdem Recht mit ausländischen Behörden abrechnen.
  • Die Tätigkeit im Wohnsitzstaat hat Konsequenzen für die persönliche Steuerpflicht des Mitarbeitenden, kann aber auch eine lokale Steuerpflicht für die Arbeitgeberin auslösen.

Telearbeit im Ausland 

Dieselben Prüfungen wie bei Homeoffice sind auch bei Telearbeit im Ausland vorzunehmen. Wir verstehen darunter Telearbeit in einem anderen Staat, also weder am Sitz des Arbeitgebers noch am Wohnsitz des Arbeitnehmenden. Das kann ein Hotel im Ferienort sein, ein Zweitwohnsitz oder der Wohnsitz der Eltern. Es handelt sich in diesen Fällen nicht um Homeoffice. Es stellen sich zwar dieselben Fragen, die Antworten bzw. Lösungen können jedoch abweichen.

New Work

Unter «New Work» versteht man das Neudenken der Zusammenarbeit, wobei nicht nur Arbeitszeit, Arbeitsort und Formen der Entlöhnung flexibler gestaltet werden, sondern auch die Verantwortung für Arbeitsergebnisse, Auftragslage und Art und Weise, wie eine Tätigkeit ausgeübt werden soll. Für die Beauftragten bietet das enorme Gestaltungsfreiheiten. Für Auftraggebende bietet es die Chance, nur dann Arbeitsleistungen zu beziehen, wenn sie gebraucht werden, und nur dann dafür zu zahlen, wenn das Arbeitsergebnis befriedigend ist. Wer flexibel arbeiten möchte, bewegt sich daher in einem Spannungsfeld zwischen Freiheit und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Aktuell kennt das Recht in der Schweiz nur zwei Erwerbsstatus:

Unselbstständig 
Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin, arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen sind anwendbar (Höchstarbeitszeit, Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung, bezahlte Ferien etc.), Arbeitszeit ist grundsätzlich unabhängig von Qualität und Quantität zu entschädigen, Arbeitsbeschaffung obliegt der Arbeitgeberin. 
Selbstständig 
Auftragsverhältnis zwischen Auftragnehmerin und Auftraggeber, keine über das Auftragsverhältnis hinausgehenden Ansprüche/ Verpflichtungen, Arbeitsbeschaffung obliegt dem Selbstständigen.

Um Missbrauch zu vermeiden, schränken die gesetzlichen Bestimmungen diese Gestaltungsfreiheit zum Schutz der Arbeitnehmenden ein. Für die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit muss ein Antrag bei der zuständigen Ausgleichskasse gestellt werden. Diese prüft die Verhältnisse im Detail und bestätigt die Selbstständigkeit oder lehnt sie ab. 

Die Erfahrung zeigt, dass Auftragsverhältnisse, die zur Umgehung der Verpflichtungen aus einem Arbeitsverhältnis begründet werden, der kritischen Überprüfung durch die Ausgleichskasse oft nicht standhalten. Auch im Ausland kennt man solche Streitigkeiten. 

Als Faustregel gilt: Je grösser der Einfluss des Auftraggebers, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Fazit

Flexibilität bedeutet Freiheit. Freiheiten zu nutzen ist eine Herausforderung, die es zu erkennen und souverän zu meistern gilt. Das ist nicht immer einfach, aber spannend.

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