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Berufsunfähigkeit: Arbeitsunfähigkeit vs. Erwerbsunfähigkeit

Das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) unterscheidet zwischen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit einerseits und Invalidität anderseits. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wann von Arbeitsunfähigkeit und wann von Erwerbsunfähigkeit gesprochen wird.

09.11.2021 Von: Ralph Büchel, Thomas Wachter
Berufsunfähigkeit

Arbeitsunfähigkeit = Berufsunfähigkeit

Arbeitsunfähigkeit ist die durch eine Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit bedingte, volle oder teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf zumutbare Arbeit zu leisten (Art. 6 Abs. 1 ATSG). Es handelt sich dabei um eine Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen (BGE 114 V 286), wobei nicht eine medizinischtheoretische Schätzung der Berufsunfähigkeit massgebend ist (BGE 111 V 239). Vielmehr muss darauf abgestellt werden, in welchem Ausmass die versicherte Person aus gesundheitlichen Gründen im bisherigen Beruf nicht mehr nutzbringend tätig sein kann (BGE 115 V 404).

Das Wichtigste in Kürze

Die Berufsunfähigkeit beginnt mit dem Tag der Krankheit oder des Eintritts eines Unfalles. Nach sechs Monaten spricht man von einer langdauernden Arbeitsunfähigkeit. Sind die ärztliche Behandlung und Eingliederungsmassnahmen abgeschlossen wird die eingeschränkte Leistungsfähigkeit einer versicherten Person als Erwerbsunfähigkeit bezeichnet. Besteht diese Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich dauernd oder für längere Zeit, liegt eine Invalidität vor.

Bei langdauernder Berufsunfähigkeit oder Invalidität stellen sich für den Arbeitgeber verschiedene Fragen bezüglich Anmeldung zur Früherfassung bei der Invalidenversicherung (IV), der Stellvertretung, der Beratung des Arbeitnehmenden und die Kündigung des Arbeitsvertrages.

Bei Vorliegen einer Invalidität erbringen die Invalidenversicherung (IV), die Vorsorgeeinrichtung der beruflichen Vorsorge (BVG) und allenfalls die Unfallversicherung (UVG), die Militärversicherung (MVG) oder Versicherungen aus der dritten Säule Leistungen. Decken diese den Lebensbedarf nicht, wird dieser zusätzlich durch die Ergänzungsleistungen (EL) ergänzt.

Entsprechend von besonderer Bedeutung ist das administrative Vorgehen des Arbeitgebers bei langdauernder Arbeitsunfähigkeit.

Langdauernde Arbeitsunfähigkeit

Bei langer Dauer der Berufsunfähigkeit wird bei der Bemessung des Arbeitsunfähigkeitsgrades auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf berücksichtigt. Der Gesetzgeber meint mit langer Dauer, eine Arbeitsunfähigkeit, welche mehr als sechs Monate dauert. Diesen sechs Monaten begegnen wir auch bei der Invalidenversicherung (IV), bei welcher das Leistungsgesuch vor Ablauf von sechs Monaten zu stellen ist, damit eine allfällige Rente nach Erfüllung der Wartezeit von zwölf Monaten ausgerichtet werden kann.

Der Rentenanspruch entsteht frühestens sechs Monate nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs (Art. 29 Abs. 1 IVG). In Bezug auf die Arbeitsunfähigkeit ist anzufügen, dass die Zeitspanne von sechs Monaten eine Regel darstellt, von welcher unter Berücksichtigung des Elements der Zumutbarkeit abgewichen werden kann. Ein Berufs- oder Stellenwechsel kann nämlich nur verlangt werden, wenn feststeht, dass die Ausübung der bisherigen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen ist. Er hat nur dann zu erfolgen, wenn er zumutbar ist. Ein solcher Wechsel ist zumutbar, wenn er in objektiver Hinsicht – vor allem in medizinisch-theoretischer Hinsicht – möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Dabei ist auf den konkreten Arbeitsmarkt abzustellen; es ist also – anders als bei der Invaliditätsbemessung – nicht auf den (ggf. theoretischen) ausgeglichenen Arbeitsmarkt abzustellen, weil die Zumutbarkeit immer bezogen auf den konkreten Einzelfall zu beurteilen ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_304/2012).

Wird ein Berufswechsel verlangt, ist dem Versicherten eine Anpassungszeit von drei bis fünf Monaten einzuräumen, während welcher er noch das ganze Taggeld erhält (BGE 111 V 235).

Schadenminderungspflicht

Die anspruchsberechtigte Person ist verpflichtet, nach Eintritt des befürchteten Ereignisses für die Minderung des Schadens zu sorgen. Hat die anspruchsberechtigte Person die Schadenminderungspflicht in nicht zu entschuldigender Weise verletzt, so ist der Versicherer berechtigt, die Entschädigung um den Betrag zu kürzen, um den sie sich bei Erfüllung jener Obliegenheiten vermindert hätte.

Praxis-Beispiel
Nachdem feststand, dass eine 58-jährige Krankenschwester ihren Beruf wegen einer schweren Gelenkskrankheit nicht mehr ausüben kann, verlangte der Krankentaggeldversicherer einen Berufswechsel. Er machte geltend, sie könnte aufgrund ihrer Ausbildung – wenn auch eingeschränkt – an einem Spital als Arztgehilfin arbeiten, bzw. anspruchsvolle Sekretariatsarbeiten verrichten und würde dabei eine Erwerbseinbusse von weniger als 25 % erleiden. Damit sah der Taggeldversicherer sich aus der Pflicht, nach Gewährung einer Übergangsfrist von vier Monaten weitere Taggelder auszurichten. Das war nicht realisierbar, da es der versicherten Person an EDV-Kenntnissen mangelte.

Der Arbeitgeber verspricht häufig im Arbeitsvertrag bei Krankheit Taggeldzahlungen während zwei Jahren. Dieses Versprechen wird durch die Krankentaggeldversicherer häufig unterlaufen, indem sie innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate einen Stellen- oder Berufswechsel verlangen. Wehren Sie sich dagegen und reagieren Sie nicht mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Erwerbsunfähigkeit und Invalidität

Erwerbsunfähigkeit liegt erst vor, wenn die zumutbare medizinische Behandlung und berufliche Wiedereingliederung abgeschlossen sind (Art. 7 ATSG). Ist die Erwerbsunfähigkeit voraussichtlich bleibend oder dauert sie längere Zeit, gilt sie als Invalidität.

Hier finden Sie eine Abbildung, die aufzeigt, ab wann eine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

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