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Lohnfortzahlung bei Unfall: Leistungspflichten

Erleidet ein Arbeitnehmer einen Unfall, dann kommt es beim Arbeitgeber vielfach zu Unsicherheiten über die Leistungspflicht. Welche Leistungen trägt der Arbeitgeber, welche die Unfallversicherung? Doch die Unsicherheit beginnt noch viel früher - was gilt als Unfall?

29.04.2022 Von: René Mettler
Lohnfortzahlung bei Unfall

Was gilt als Unfall?

Eine Innendienstmitarbeiterin stürzt mit dem Mountainbike, der Verkaufsleiter erleidet beim Joggen einen Bänderriss oder ein Schichtführer verwundet sich an einer zerbrochenen Scheibe in seinem Ferienhaus. Alles eindeutige Unfälle, weil jeweils ein «ungewöhnlicher äusserer Faktor» plötzlich und unbeabsichtigt auf den Körper eingewirkt hat. Anders bei einer Diskushernie oder einem Infarkt: Hier fehlt der äussere Faktor. Diese Verletzungen gelten deshalb nicht als Unfall.

Nicht immer ist die Abgrenzung so klar. Ein herausgebissener Zahn aufgrund eines Olivensteins in einem griechischen Salat ist kein Unfall, weil oft Oliven mit Steinen verwendet werden. Ungewöhnlich ist jedoch ein Stein in einem Brot, hier gilt das gleiche Ereignis als Unfall. Eindeutig ist die Ausgangslage bei manchen Knochenbrüchen, Verrenkungen von Gelenken, Muskelrissen usw. Es handelt sich um unfallähnliche Körperschädigungen. Diese sind vom Unfallversicherer zu übernehmen, sofern sie nicht eindeutig Folge einer Erkrankung oder Degeneration sind.

Praxis-Tipp: In der Praxis ist die Zuordnung, ob es sich um einen Unfall oder eine Krankheit handelt, oft schwierig. Ist die Sachlage nicht eindeutig, empfiehlt es sich, den Leistungsfall bei der Unfallversicherung und gleichzeitig bei der privaten Krankenversicherung sowie allfällig bei der Krankentaggeldversicherung anzumelden.

Im ATSG, dem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, wird die Krankenversicherung als vorleistungspflichtig geregelt. Eine Krankentaggeldversicherung nach Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist nicht vorleistungspflichtig, eine ganze Reihe von Versicherungen erbringen in umstrittenen Fällen aber Vorleistungen.

Ebenfalls durch die Unfallversicherung abgedeckt werden Berufskrankheiten. Hier ist die Abgrenzung oft noch schwieriger. Beispielsweise kann eine Hepatitis- oder Malaria-Erkrankung bei beruflich bedingtem Aufenthalt ausserhalb Europas als Berufskrankheit angemeldet werden, genau wie eine Infektion bei einer Tätigkeit in einem Spital. Meist handelt es bei Berufskrankheiten um solche infolge schädigender Stoffe wie Staub oder Chemikalien, zudem infolge Strahlungen, Vibrationen, Lärm etc.

Berufs- und Nichtberufsunfall

Alle Mitarbeitenden sind gegen Unfälle zu versichern. Mitarbeitende mit kleinen Arbeitspensen, genauer gesagt mit einem Arbeitspensum von durchschnittlich unter acht Wochenstunden, geniessen keinen Versicherungsschutz gegen Nichtberufsunfall. Unschön daran ist, dass bei Freizeitunfällen in Grenzfällen erst im Nachhinein festgestellt werden kann, ob ein Mitarbeitender versichert war. Bei einem Unfall sind die Arbeitszeitaufzeichnungen der letzten drei, sechs und zwölf Monaten auszuwerten, woraus sich ergibt, ob entweder die Wochen mit mehr als acht Stunden Arbeitszeit überwiegen oder im Durchschnitt mindestens acht Stunden gearbeitet wurde. Kommt’s nicht hin, war die Person nicht versichert - trotz einem allfälligen Prämienabzug auf der Lohnabrechnung.

Berufsunfälle ereignen sich während der Arbeitszeit, Nichtberufsunfälle während der Freizeit oder auf dem Arbeitsweg. Bei Mitarbeitenden ohne Nichtberufsunfall-Versicherung wird das Unfallrisiko auf dem direkten Arbeitsweg durch die Berufsunfallversicherung gedeckt. Wenigstens solange, als nicht der Arbeitsweg durch einen Einkaufsbummel, Sportaktivitäten oder eine Beizentour unterbrochen wird. Ein kurzer Einkauf bis zu einer Stunde auf dem Arbeitsweg ist hingegen toleriert.

Häufige Fragen betreffen Betriebsausflüge und Arbeitspausen. Ein Unfall auf einem vom Arbeitgeber organisierten Betriebsausflug an einem bezahlten Arbeitstag gilt als Berufsunfall, während ein solcher an einem gemeinsamen Grillabend als Nichtberufsunfall gilt. Unfälle während den Arbeitspausen gelten dann als Nichtberufsunfälle, sofern der Arbeitnehmer das Betriebsareal verlässt.

Leistungen der Unfallversicherung

Bei Unfällen ersetzt die Unfallversicherung nach UVG für versicherte Personen die Kosten der Heilbehandlung und vergütet weitere Kosten. Zudem kommt die Unfallversicherung für den Erwerbsausfall – sei dieser vorübergehend oder dauernd - auf. 

Der obligatorische Unfallversicherungsschutz beginnt mit dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses. Auch hier gilt’s genau hinzuschauen. Der Arbeitsbeginn am 1. Januar ist meist am 3. Januar, der Versicherungsschutz beginnt seit 2017 am 1. Januar. Bei Austritt endet der Versicherungsschutz der Nichtberufsunfallversicherung mit dem 31. Tag. Nimmt ein ehemaliger Mitarbeitender keine neue Erwerbstätigkeit auf und meldet sich auch nicht als arbeitslos, kann er beim Unfallversicherer eine sogenannte Abredeversicherung für längstens sechs Monate abschliessen und so den Unfallversicherungsschutz für Nichtberuffsunfälle verlängern.

Lohnfortzahlung bei Unfall: Was muss der Arbeitgeber leisten?

Der Arbeitgebende muss bei einem versicherten Unfall für den Unfalltag und die zwei folgenden Tagen 80% des Lohnes ersetzen (Art. 324a OR). Umstritten ist, ob für den Unfalltag 100% des Lohnes zu ersetzen ist, insbesondere, wenn sich der Unfall nach geleisteter Arbeit ereignet.

Erfolgt durch den Unfallversicherer eine Kürzung infolge Selbstverschuldens kann auch der Arbeitgeber entsprechend kürzen, wenigstens dann, wenn er sich nicht verpflichtet hat, die volle Lohnfortzahlung bei Unfall und Krankheit zu leisten.

Bei einem nicht versicherten Nichtberufsunfall (Mitarbeitende mit einem Arbeitspensum von weniger als durchschnittlich acht Stunden pro Woche) hat der Arbeitgeber, sofern nichts anderes vereinbart ist, bei Unfallabwesenheiten während einer «beschränkten Dauer» den Lohnausfall zu bezahlen (Art. 324b OR). Diese «beschränkte Dauer» entspricht der Dauer der Lohnfortzahlung bei Krankheit, also die Dauer gemäss Berner-, Zürcher- oder Baslerskala. Dabei werden die Absenzen aus den verschiedenen Hinderungsgründen zusammengezählt. Die Lohnfortzahlung ist insgesamt nur einmal zu erbringen pro Anstellungsjahr.

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