Jobplattformen: Neue Kanäle für die Suche

Jobplattformen gibt’s wie Sand am Meer. Aber über welche Kanäle erreiche ich meine Wunschkandidaten am besten? Anstatt in die Breite zu gehen, braucht es eine knallharte Fokussierung – und diese beginnt bei der Auseinandersetzung mit der Zielgruppe.

19.10.2021 Von: Natalie Gyöngyösi
Jobplattformen

Lange hangelte ich mich beim Rekrutieren je länger, desto beliebiger durch den immer dichter werdenden Jobplattformen-Dschungel. Eifrig schoss ich mit Kanonen auf Spatzen und pfefferte meine Stelleninserate auf die üblichen Verdächtigen wie jobs.ch, Indeed, LinkedIn und wie sie alle heissen. Irgendwann probierte ich es auch ganz frech auf Instagram, Facebook oder Twitter. Die naive Idee dahinter: Irgendwo wird’s schon einschlagen. Bis ich gemerkt habe – das Giesskannenprinzip ist für die Katz. Das Geheimnis lautet: Kenne deine Pappenheimer. Wisse, wie deine Zielgruppe tickt. Welche Sprache sie spricht. Wo sie sich aufhält. Und dann: Schreibe so, dass es deine Kandidatin nicht nur versteht, sondern sogar super findet! Denn dann bewirbt sie sich vielleicht sogar!

Stichwort: UX Texting* – auf den Kandidaten gemünzt schreiben. Darauf kommt’s an. Welchen Kanal man für die Ausschreibung wählt, hängt davon ab, wo sich die erwünschten Kandidaten bewegen. Und ob sich die richtigen Personen dann auch noch vom Inserat angesprochen fühlen, hängt von Formulierung, Gestaltung oder dem Grad der Benutzerfreundlichkeit beim Bewerbungsprozess ab. Bevor ich also ausschreibe, begebe ich mich zuerst auf Recherchereise und mache mich über meine Zielgruppe schlau.

Definition UXTexting/UX Writing

UX‑Texting ist ein moderner Ansatz des Textens, bei welchem der Leser (hier Kandidat) im Fokus steht. Er soll das maximal positive Nutzererlebnis (User Experience – kurz: UX) erfahren. Grundsätze des UX-Writings sind z.B.:

  • einfache, kurze und treffende Begriffe
  • klare, eindeutige Aussagen
  • logischer Aufbau
  • Wohlstrukturierte Gliederung
  • Kürze und Prägnanz

Personas der Zielgruppen erstellen

Folgende Punkte exerziere ich dabei durch. Zunächst definiere ich meine Zielgruppe. Wer soll auf das Inserat aufspringen? Jüngere oder erfahrenere Leute? Experten, Generalistinnen, Spezialisten? Nerds oder Kreative? Akademikerinnen oder Berufsschulabgänger? Es empfiehlt sich, für seine typischen Zielgruppen Personas zu fabrizieren. Jeder Stereotyp seiner Gattung erhält dazu einen Namen, ein Gesicht, eine Funktion, einen Werdegang und ein Privatleben. Inklusive Ziele und Verhaltensweisen, Vorlieben und Erwartungen. Um die Personas möglichst realistisch zu entwickeln, spreche ich mit den Repräsentanten, am liebsten mit den eigenen Mitarbeitenden, persönlich oder mittels Online-Befragung.

Sobald ich ein gutes Gefühl für das Objekt meiner Recruitingbegierde entwickelt habe, geht’s zum nächsten Schritt: Welche Plattform passt zu meinem Wunschkandidaten? Das richtige Medium ist wiederum abhängig von der Zielgruppe. Dazu gehört, herauszufinden, wo sich meine Personas tummeln. Lernende bewegen sich auf Instagram, Mittvierziger auf Facebook. Ein erfahrener Spezialist liest gerne Fachmagazine, sogar in einer gedruckten Ausgabe. Handelt es sich um eine schwer zu besetzende, prestigevolle Position, lohnt sich ein Inserat in der Sonntagspresse oder in einem überregionalen Wirtschaftsmagazin. Den Aufenthaltsort der Zielgruppen herauszufinden, bedeutet zwar Aufwand – aber Sie werden dadurch nicht nur Streuverluste vermeiden und Kosten sparen, sondern im besten Fall auch noch den Richtigen oder die Richtige finden. Sobald Sie ausserdem Ihre Personas erst einmal evaluiert haben, steht die Basis für Ihre künftigen Rekrutierungsaufträge.

Wir kommen zum nächsten Punkt: Welche Publikationsform ist am wirkungsvollsten? Wenn es eine leicht zu besetzende Stelle ist, schalte ich ein klassisches 08/15-Online-Stelleninserat. Wenn es sich aber um eine komplexere Stelle handelt, für die nur wenige Auserkorene auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind, lohnt es sich, in ein aufwändigeres Instrument zu investieren: Probieren Sie einmal, mit «Sponsored Content», also einem redaktionellen Beitrag, auf sich aufmerksam zu machen. Lassen Sie von Ihrer Kommunikationsabteilung oder über eine Agentur einen Artikel über ein für die Zielgruppe relevantes Thema schreiben, in welchem Sie vorstellen, wie dies in Ihrem Unternehmen gehandhabt wird. Zuletzt integrieren Sie darin noch die Stellenanzeige, sodass die Zielperson, wenn Sie den Bericht spannend gefunden hat und sich mit Ihrer Firma identifiziert, sich spontan auf den Job bewirbt. Solche redaktionellen Beiträge wirken authentisch, weil Sie darin Ihre Mitarbeitenden zu Wort kommen lassen. Ausserdem ist es eine erfrischende Gelegenheit, Einblick ins Unternehmen zu geben, mit besonderem Know-how zu brillieren und sich ins beste Licht zu rücken. Kostet halt etwas, wie fast alles, was etwas wert ist. Aber die Botschaft kommt dafür beim richtigen Empfänger an.

Auch auf die Verpackung kommt’s an

Next Step: In welchem Kleid kommt Ihr Inserat daher? Auch die Gestaltung bestimmt – darauf kommen Sie nie! –Ihre Zielgruppe. Je nach Kandidatenprofil passen Sie die Wortwahl und den Stil sowie das Erscheinungsbild an. Wenn Sie einen jungen Baustellenmitarbeiter suchen, versuchen Sie sich mal mit einem Reel auf Instagram! Schnappen Sie sich einen Mitarbeitenden und bitten Sie ihn, lebhaft zu erzählen, was ihm am meisten Spass an seinem Job macht. Er oder sie kann auch etwas Ausgefalleneres oder Lustiges vorführen (aber bitte kein Tänzchen mehr). Fürs Managermagazin wählen Sie eine Einführung mit den Eckdaten zum Unternehmen, und zählen dann sachlich und formell auf, welche anspruchsvollen Aufgaben das Talent erwarten. Beim Holzbauspezialisten schreiben Sie eine empathische Reportage über Ihre Schreinerei (oder lassen Sie diese schreiben) und betten am Ende nebenbei noch das Stelleninserat ein. Für den Projektleiter wählen Sie die LinkedIn-Anzeige und integrieren den Link zum YouTube-Video mit einem fantastischen Bericht über das Projekt, so dass der Kandidat sofort Lust bekommt, auch auf einem Ihrer Vorhaben mitzutun und sich bewirbt. Und so weiter.

Tipps fürs Schreiben eines wirksamen Stelleninserats nach dem AIDA-Prinzip

A = Attention

  • Bild
  • Stellentitel

Das Bild ist Ihr «Köder». Arbeiten Sie mit dem sympathischen Foto eines Mitarbeiters, mit dem sich die Zielperson identifizieren kann. Wenn Sie z.B. wissen, dass für eine Bau-Projektleiterin die Planung einer komplexen Brücke das höchste der Gefühle ist, integrieren Sie ein Bild einer imposanten Brückenbaustelle ins Inserat.

 

Der Stellentitel dient ebenfalls als Köder. Nehmen Sie die gängige Berufsbezeichnung (wichtig, damit der Job auf Google auffindbar ist sowie für die Reichweite, Stichwort: SEO-Optimierung). Schauen Sie, welche Keywords gemäss Google Trends am häufigsten sind. Vermeiden Sie interne Bezeichnungen und kreative Überflieger, die kein Mensch von sich aus in die Suchleiste eintippen würde.

I = Interest

  • Intro
  • «Ihre Aufgaben»
  • «Sie bringen mit»

Information/Übersicht in Kürze:

Beantworten Sie in der Einführung die wichtigsten W-Fragen: Wer (Firma, Abteilung, Vorgesetzter/Team und Fokus auf Zahlen für «Finänzler» oder Emotionen und Werte für Kreative) sucht was (Stellentitel) wofür (Aufgabe/Mission).

Darauf folgt «Ihre Aufgaben» und «Anforderungen/Sie bringen mit» in je maximal 6 Bulletpoints.

D = Desire

  • «Wir bieten»
Der erste Satz muss «reinhauen», damit die Leserin weiterliest. Regen Sie den Appetit des Lesers an, damit er sich auf diesen Job bewirbt – schreiben Sie in einem kurzen, knackigen Sales pitch, was der Zauber, das Besondere am Job ist und was er oder sie leider verpasst, wenn der Job jemand anders bekommt. Verführen Sie mit den Vorzügen der Stelle! Hierhin gehört auch der Link zu einem Projekt auf YouTube oder der Microsite oder der Hinweis auf spezielle Vorzüge, welche mit dieser Position einhergehen. Bei Bedarf (oder Mangel an speziellen Vorteilen) können Sie auch einfach den Link zu Ihrer Karriereseite mit den allgemeinen Benefits einfügen.

A = Action

  • Bewerberkontakt/Bewerber-Button

Last but not least: Ihr Call-to-Action. Teilen Sie dem Kandidaten klipp und klar mit, wie und über welchen Kanal er sich bewerben soll. Wenn Sie das Inserat mit einem Porträt und den Kontaktdaten des Recruiters versehen, sorgen Sie ausserdem für den persönlichen Touch und verleihen Ihrem Unternehmen ein Gesicht.

 

 

Und was sagt die Zielgruppe?

Zu guter Letzt: Am besten verfolgen Sie die Performance Ihrer Ausschreibungen stets und werten sie laufend aus. Fragen Sie Ihre Bewerberinnen, über welchen Kanal sie sich beworben haben und was sie an Ihrer Ausschreibung besonders angesprochen hat. Auf diesem Weg kommen Sie Ihren Zielgruppen auf die Spur und entwickeln ein immer besseres Gespür dafür, welches Medium, welche Publikationsform und welche Schreibweise und Tonalität bei ihnen am besten ankommt. Wenn Sie über ein Bewerbermanagementtool verfügen, können Sie KPIs wie Cost-per-hire, Time-to-hire oder Anzahl Bewerbungen sogar automatisiert tracken. Und sollte ein Experiment in die Hose gehen – machen Sie sich bloss keinen Kopf. Es ist ein ständiges Trial-and-Error. Dieser Ansatz stammt wie das UX-Writing ebenfalls aus der Welt des agilen Arbeitens. Indem Sie Ihre Prozessschritte laufend verbessern, nähern Sie sich dem optimierten Ergebnis Schritt für Schritt an. Da sich der Markt dauernd verändert, tun wir es ihm am besten gleich und bleiben schön fröhlich – flexibel und dynamisch – um zum Schluss doch noch ein böses Floskelwort einzustreuen.

Noch mehr Tipps: So schreiben Sie nach den Prinzipien des UX-Writing

Schreiben Sie kurze, knackige Sätze

  • Adressieren Sie Ihre Zielperson/Personalisieren Sie (Du/Sie)
  • Schreiben Sie verständlich (vermeiden Sie auf jeden Fall Floskeln wie flexibel und dynamisch)
  • Merzen Sie Verdoppelungen und Wiederholungen aus
  • Lassen Sie Worthülsen und Allerweltswörter (unnötige Wörter) weg

Vermeiden Sie abgedroschene Formulierungen

  • Vermeiden Sie Fremdwörter (Fachwörter sind in Ordnung, wenn sie erklärt werden)
  • Vermeiden Sie interne Begriffe – die Aussenwelt muss Sie verstehen
  • Vermeiden Sie «Substantivitis»: Ziehen Sie aktive Verben passiven Formulierungen vor
  • Kommen Sie rasch auf den Punkt

Beziehen Sie Ihre Stakeholder ein

  • Verwenden Sie eine attraktive, lebendige Sprache.
  • Wählen Sie einen Tonfall, der bei Ihrem Zielpublikum ankommt (formal oder umgangssprachlicher)
  • Persönliche Note: Beziehen Sie den Vorgesetzten oder das Team mit ein
  • Eine Prise Humor kann Ihren Text aufwerten. Verzichten Sie auf Ironie und beziehen Sie Ihre Kommunikationsabteilung beratend ein, falls sie unsicher sind, ob eine Formulierung passt oder über das Ziel hinausschiesst.

Kurz und bündig zusammengefasst gilt das Zitat von Joseph Pulitzer (1847-1911): «Schreibe kurz – und sie werden es lesen. Schreibe klar – und sie werden es verstehen. Schreibe bildhaft – und sie werden es sich merken.»

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