Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok
Weka Plus

Gutachter: Die verschiedenen Arten von Gutachten bei der Beurteilung von Liegenschaften

Gutachten unterscheiden sich in verschiedener Hinsicht. Auf der einen Seite nach dem Zweck, für welchen sie erstellt werden, auf der anderen Seite nach der Person des Auftraggebers.

27.02.2024 Von: Silvia Eggenschwiler Suppan
Gutachter

Unterscheidung der Arten

Nachfolgend findet sich eine Auswahl von in der Praxis relevanten Arten von Gutachten.

Ermitteln der Randbedingungen oder Projektgrundlagen

Hier geht es um die Ermittlung von Grundlagen für ein Projekt, z.B. der geologischen Bodenverhältnisse oder der rechtlich zu beachtenden Randbedingungen für einen bestimmten Bau auf einem bestimmten Grundstück. Mit dieser Art von Gutachten soll eine Basis für die weitere Bearbeitung geschaffen werden.

Ermitteln der Eignung bestimmter Materialien oder Konstruktionsweisen für eine bestimmte Bauaufgabe

Thema dieser Gutachtensart ist, ob sich ein bestimmtes Material oder eine bestimmte Konstruktionsart für eine bestimmte Aufgabenstellung eignet. Diese Art von Gutachten gewinnt zunehmend an Bedeutung, da vermehrt neue Materialien und neue Konstruktionsarten eingesetzt werden und wenig oder keine Erfahrung diesbezüglich vorhanden ist. Hier kann ein Gutachten dazu beitragen, die Risiken eines bestimmten Materials besser zu erkennen und die Grenzen bestimmter Konstruktionsarten zu ermitteln. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass gerade bei neuen Konstruktionsarten und neuen Materialien die Gutachter nicht sämtliche Risiken voraussehen können. So können gewisse Tests im Labor durchaus erfolgreich verlaufen, die Materialien sich in der Praxis aber trotzdem nicht bewähren.

Ermitteln des Sachverhalts

Bei der Ermittlung des Sachverhalts geht es darum, dass eine oder mehrere Parteien die Kenntnis des Gutachtens im Rahmen einer Auseinandersetzung benötigen. Dabei kann es darum gehen, eine Sache zu begutachten und technisch zu beurteilen und das Ergebnis den Parteien und dem Gericht mitzuteilen. Als Beispiel kann hier auf den oben erwähnten Mülleramazonen-Papageien-Fall verweisen werden. Die Frage, ob und um welche Krankheit es sich bei den Papageien handelte, kann von einer auf diesem Gebiet nicht fachkundigen Person – wozu in aller Regel insbesondere die Mitglieder eines zuständigen Gerichts zählen – nicht zuverlässig beurteilt werden. Auch wenn es um die Frage geht, ob der IT-Dienstleister bei der Erstellung eines Web-Shops nicht zu tolerierende Sicherheitslücken hinterlassen hat, wäre es nur einem Spezialisten möglich, die Code-Zeilen allesamt zu verstehen und zu beurteilen.  

Unklar oder strittig – aber von grosser rechtlicher Bedeutung – kann auch der Hergang eines Ereignisses – wie zum Beispiel eines Unfalles – sein. Auch in solchen Fällen bedarf es eines Gutachtens, um abzuklären, welche der möglichen Unfallhergänge am wahrscheinlichsten ist. Diese Frage kann auch in einem allfälligen Strafverfahren relevant sein. In solchen Fällen erstellt beispielsweise das Forensische Institut Zürich regelmässig Gutachten.

Auch wenn jemand plötzlich und unerwartet verstirbt, stellt sich für die zuständige Untersuchungsbehörde die Frage nach Todesart und Todesursache. Handelt es sich nicht um einen natürlichen Tod, sind sofort Ermittlungen zu tätigen, um die mögliche Schuld eines Dritten abzuklären. Deshalb führt beispielsweise das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich in solchen Fällen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Begutachtungen durch.

Von grosser praktischer Bedeutung im Sozialversicherungsrecht sind in diesem Zusammenhang die Gutachten der Medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS). Stellt sich für die Invalidenversicherung nämlich die Frage, ob und zu welchem Anteil eine Person arbeitsunfähig und rentenberechtigt ist, bedarf es einer medizinischen Begutachtung der betroffenen Person. Nur am Rande sei hier angemerkt, dass das Verfahren rund um die Begutachtung durch die MEDAS nicht unumstritten ist (vgl. dazu Ausführungen unten und BGE 136 V 376).

Rechtsgutachten

Im Rahmen eines Rechtsgutachtens wird eine rechtliche Fragestellung erörtert. Dies kann einerseits dann geboten sein, wenn es sich um eine komplexe oder stark umstrittene Rechtsfrage handelt. Andererseits dann, wenn es ausnahmsweise der Partei anstelle des Richters obliegt, wie eine Rechtsfrage zu klären ist. Beispielsweise wenn sie den Beweis über ausländisches Recht zu führen hat (Art. 150 Abs. 2 der Schweizerischen Zivilprozessordnung; nachfolgend «ZPO» genannt). Ausserdem werden Rechtsgutachten dazu eingesetzt, die eigenen Prozesschancen abwägen zu können, aber auch, um das Gericht von der entsprechenden Rechtsauffassung zu überzeugen.

Wer bestellt welches Gutachten?

Wie oben erwähnt stehen im Vordergrund Gutachten, welche ein besonderes Fachwissen erfordern, was der Sachverhaltsklärung dient. Zur Klärung von Rechtsfragen ist das Gericht in den allermeisten Fällen zuständig. Abhängig davon, wer ein Gutachten bestellt, werden diese in folgende Kategorien eingeteilt.

Parteigutachten

Bei einem Parteigutachten holt eine Partei in einem Schaden- oder Streitfall ein Gutachten ein. Ein solches Gutachten kann über die technische Seite eines Sachverhalts Klarheit verschaffen oder die Argumentation vor Gericht stützen. Parteigutachten werden ohne Mithilfe der Gegenparteien erstellt und haben daher, sollte es zu einer rechtlichen Auseinandersetzung kommen, nur einen beschränkten Wert. Unter der aktuellen Rechtslage stellen sie keinen Beweis, sondern eine blosse Parteibehauptung im Gerichtsverfahren dar. Durch die auf den 1. Januar 2025 in Kraft tretende Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung wird dem Parteigutachten in Art. 177 revZPO jedoch die Stellung als Urkunde und demnach i.V.m. Art. 168 Abs. 1 lit. b ZPO als zulässiger Beweis eingeräumt.

Gemeinsam vereinbartes Gutachten

Hier verlangen mehrere Parteien, die sich über eine bestimmte Frage nicht einig sind, gemeinsam ein Gutachten. Diese Gutachten haben, sofern sie sorgfältig erstellt werden, den Vorteil, dass sie der Streiterledigung dienen können und den technischen Sachverhalt neutral darstellen. Allerdings haben solche Gutachten im Rahmen eines Rechtsstreits noch nicht die Bedeutung eines durch den Richter eingeholten Gutachtens. Ein solcher Stellenwert kann jedoch vereinbart werden.

Schiedsgutachten

Im Rahmen eines Schiedsgutachtens bestimmen die Parteien, dass der Gutachter eine bestimmte technische Frage klären soll. Ein solches Schiedsgutachten ist für den Richter grundsätzlich bindend.

Gerichtliche Gutachten

In einem gerichtlichen Gutachten wird der Gutachterauftrag durch den Richter erteilt. Im Rahmen eines solchen Gutachtens sind die diesbezüglichen Verfahrensregeln strikte zu beachten. Insbesondere ist den Parteien auch in diesem Rahmen das Recht auf rechtliches Gehör zu gewähren, d.h. ihnen ist die Gelegenheit einzuräumen, Ergänzungsfragen an den Gutachter stellen zu können und sich zum Gutachten selbst äussern zu können (vgl. betreffend den Zivilprozess Art. 187 Abs. 4 und 232 Abs. 1 ZPO). Gerichtliche Gutachten werden sowohl in Zivil- wie auch in Strafprozessen, aber auch in öffentlichen-rechtlichen Verfahren (z.B. Sozialversicherungs-, Bau- und Enteignungsrecht) verwendet. Im Gegensatz zu Schiedsgutachten kann der Richter solche Gutachten frei würdigen. Da dem Richter jedoch das entsprechende Fachwissen fehlt, wird er auch ein solches Gutachten kaum hinterfragen.

Jetzt weiterlesen mit Weka+

  • Unlimitierter Zugriff auf über 1100 Arbeitshilfen
  • Alle kostenpflichtigen Beiträge auf weka.ch frei
  • Täglich aktualisiert
  • Wöchentlich neue Beiträge und Arbeitshilfen
  • Exklusive Spezialangebote
  • Seminargutscheine
  • Einladungen für Live-Webinare
ab CHF 24.80 pro Monat Jetzt abonnieren Sie haben schon ein W+ Abo? Hier anmelden
Newsletter W+ abonnieren