Kommunikative Führung: Wo Worte Brücken bauen

Passende Arbeitshilfen
In der Mai-Ausgabe haben wir uns mit den strategischen Grundlagen erfolgreicher Führung beschäftigt. Im zweiten Teil der Trilogie stehen nun kommunikative und kulturelle Aspekte im Zentrum:
Offen und authentisch kommunizieren
In vielen Organisationen tun sich Menschen schwer damit, personelle Entscheidungen zu treffen oder Missstände offen anzusprechen. Konflikte werden lieber vermieden, Kritik wird zurückgehalten, um niemanden zu verletzen. Dabei ist es essenziell, Führungsgrundsätze nicht nur zu kennen, sondern auch zu leben – genau hier zeigt sich Kommunikative Führung im Alltag. Ein Beispiel: Eine Person zeigt wiederholt ein Verhalten, das den Werten des Unternehmens widerspricht – z.B. durch fehlende Wertschätzung. In solchen Fällen braucht es Klarheit und Mut. Als Führungsperson muss man das Gespräch mit der Person suchen, welche sich nicht wertekonform verhält, und die eigene Beobachtung benennen. Wichtig: Es geht nicht um Anschuldigungen, sondern um das gemeinsame Klären von Wahrnehmungen, Gefühlen und Beweggründen.
Eine mögliche Gesprächsführung:
- «Ich beobachte folgendes Verhalten ...»
- «Das erzeugt bei mir ein ungutes Gefühl.»
- «Wie siehst du das?»
- «Was sind deine Beweggründe?»
Wenn Fehlverhalten stillschweigend toleriert wird, leidet die Glaubwürdigkeit der Unternehmung. Fehlverhalten entsteht oft dort, wo lange gemeinsam gearbeitet wurde, wo sogenannte Buddy-Strukturen herrschen. Oder auch, wenn gewachsene Strukturen in eine neue Kultur übertragen werden – z.B. bei einer Firmenübernahme. Widersprechen Aussagen dem gelebten Verhalten, z.B. wenn sich eine Führungsperson unangemessen verhält, leidet das Vertrauen. Denn Taten wirken stärker als Worte, auch nonverbale Signale zählen.
Entscheidungen breit abstützen
Ein Praxisbeispiel aus einem mittelgrossen Industriebetrieb verdeutlicht, wie wichtig es ist, Entscheidungen nicht im Alleingang zu treffen: In einem Veränderungsprojekt wird die gesamte IT-Infrastruktur modernisiert. Die IT-Leitung plant, die bestehende Softwarelösung durch ein neues System zu ersetzen – schneller, effizienter und kostengünstiger. Allerdings werden die Anwenderinnen und Anwender aus den Fachabteilungen kaum einbezogen. Erst als erste Testversionen ausgerollt werden, zeigt sich massiver Widerstand. Mitarbeitende bemängeln die fehlende Benutzerfreundlichkeit und sehen ihre Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Die Projektleitung entscheidet sich daraufhin für einen Kurswechsel. In Interdisziplinären Workshops werden die Anforderungen der verschiedenen Abteilungen gemeinsam erarbeitet. Dabei zeigt sich: Die alte Lösung ist zwar teuer, aber genau auf die Arbeitsprozesse abgestimmt. In der Folge wird eine hybride Lösung entwickelt, bei der bestehende und neue Komponenten kombiniert werden – mit Unterstützung der betroffenen Teams. Der Prozess dauert länger, führt aber zu einem tragfähigen Ergebnis. Die Lehre daraus: Nur wenn man den Dialog sucht und unterschiedliche Perspektiven ernst nimmt, kann nachhaltiges Commitment entstehen – ein Kernelement Kommunikativer Führung.
In Veränderungsprozessen treffen häufig alte Strukturen auf neue. Unterschiedliche Kulturen und Perspektiven kommen zusammen. Genau hier ist es wichtig, Commitment und gemeinsame Entscheidungsprozesse aufzubauen. Ein weiteres Beispiel: Ein Projektteam arbeitet hervorragend mit einem Lieferanten zusammen – dieser ist jedoch zu teuer.
Passende Produkt-Empfehlungen
Statt den Lieferanten im Alleingang auszutauschen, braucht es den Dialog mit dem Projektteam:
- Was ist uns wichtig?
- Welches Timing passt?
- Gibt es Einwände?
Nur wenn die Perspektiven aller Beteiligten einbezogen werden, entsteht eine tragfähige, nachhaltige Entscheidung. Das schafft Akzeptanz und verhindert Widerstand – auch wenn nicht alle derselben Meinung sind. Der Ansatz «Disagree and commit» kann hier helfen: Nachdem unterschiedliche Meinungen gehört wurden, wird gemeinsam eine Entscheidung mitgetragen, selbst wenn einzelne Personen andere Präferenzen hatten. Besonders zwischen zentralen Funktionen (z.B. Legal, Compliance, Qualitätsmanagement) und operativen Bereichen kommt es oft zu Reibungen. Während die einen Gründlichkeit und Regelkonformität einfordern, drängen die anderen auf Schnelligkeit und Flexibilität. Solche Konflikte sind normal – entscheidend ist, wie man damit umgeht. Wenn z.B. der Vertrieb morgen ein Produkt verkaufen will, das Qualitätsmanagement aber aus guten Gründen warnt, braucht es einen konstruktiven Aushandlungsprozess:
- Was können wir dem Kunden oder der Kundin bereits jetzt zusichern?
- Was ist verantwortbar?
Zusammenarbeit ermöglichen und stärken
Hinter einer Reibung steckt meist kein böser Wille, sondern ein funktionaler Druck – also ein Druck, der aus der jeweiligen Position, dem Verantwortungsbereich oder den Erwartungen an die Rolle entsteht. Führungspersonen und Mitarbeitende müssen verstehen, dass andere Rollen andere Herausforderungen mit sich bringen. Gerade in funktionsübergreifenden Projekten ist dies besonders sichtbar. Gute Zusammenarbeit braucht:
- Eine lösungsorientierte Haltung
- Gegenseitiges Verständnis für die Aufgaben anderer Bereiche
- Verbindliche Absprachen
- Räume für gemeinsamen Dialog
Wo Menschen miteinander arbeiten und voneinander abhängig sind, braucht es klare Vereinbarungen darüber, wie schwierige Themen offen und authentisch angesprochen werden – am besten bevor Konflikte entstehen. Eine Kultur, in der man die Probleme nicht personalisiert, sondern gemeinsam löst, ist die Grundlage für produktive Zusammenarbeit. Gerade in hybriden Arbeitsformen oder matrixartigen Organisationen ist dieses Bewusstsein zentral, weil Abhängigkeiten und Missverständnisse schnell entstehen können. Wer die Perspektive der anderen versteht, kann besser kooperieren.
Fazit: Dialog statt Ansage
Erfolgreiche Führung gelingt nicht allein durch Strategie, sondern vor allem durch gelebte Kommunikation, partizipative Entscheidungsprozesse und eine kooperationsfördernde Kultur – kurz: durch Kommunikative Führung. Wer offen und authentisch kommuniziert, unterschiedliche Perspektiven ernst nimmt und funktionsübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht, schafft die Basis für Vertrauen, Engagement und langfristige Wirksamkeit. Gerade in komplexen, hybriden Organisationen sind diese Faktoren entscheidend für eine zukunftsfähige Führungskultur.
Im dritten und letzten Teil dieser Trilogie (in der November-Ausgabe) geht es um die persönliche und organisationale Resilienz: Wie lernen Führungspersonen, sich selbst regelmässig zu reflektieren? Wie lässt sich die Widerstandsfähigkeit der Organisation erhöhen? Und wie werden Netzwerke und Partnerschaften aufgebaut, die auch in turbulenten Zeiten tragen?
Sie haben Teil 1 und 3 der Trilogie verpasst?
Teil 1: Modernes Leadership: Orientierung statt Machtspiel
Teil 3: Selbstreflexion in der Führung: Langfristig wirksam führen