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Dossieranalyse im Selektionsprozess: Weiterbildungen auf dem Prüfstand

Die wachsende Komplexität der Weiterbildungslandschaft erschwert die Selektion von Kandidaten. Insbesondere die Bewerbungsdossiers von qualifizierten Fachpersonen sind vollgepackt mit Diplomen und Zertifikaten. Wie kann die Qualität von Weiterbildungsnachweisen geprüft werden?

21.01.2022 Von: Paolo Nocco
Dossieranalyse im Selektionsprozess

Welche der Zertifikate und Diplome entsprechenden Anforderungen der Vakanz am besten?

Wird heutzutage eine Fachkraft gesucht, sind meistens Zusatzqualifikationen gefordert. Nehmen wir das Beispiel «Leiter/in Finanzen und Personal». Ein Unternehmen sucht eine Person in diesem Bereich und definiert im Anforderungsprofil, dass neben der Fach- vor allem auf die Führungskompetenz Wert gelegt wird. Neben praktischer Führungserfahrung sollen die Kandidaten idealerweise eine Weiterbildung in diesem Bereich nachweisen. Doch hier beginnt das Problem für das Unternehmen: Welche der zahlreichen Fachausweise, Zertifikate und Diplome entsprechend den Anforderungen der Vakanz am besten? Die Antwort auf diese Frage ist in der Tat nicht einfach, denn sogar für HR-Professionals ist es schwierig, sich im Schweizer Weiterbildungsdschungel zu orientieren.

Weiterbildungslandschaft wächst

Seit der Bologna-Reform, die 2001 anden Universitäten und 2005 an den Fachhochschulen einsetzte, entstehen laufend neue Bachelor- und Masterabschlüsse aller erdenklichen Fachrichtungen. Auch die privaten Weiterbildungsinstitute profitieren von der Forderung nach lebenslangem Lernen und warten mit einer breiten Palette an Weiterbildungen auf. Welche Lehrgänge dabei angeboten werden, bestimmt in erster Linie die Nachfrage auf dem Bildungsmarkt: Alle richten ihr Angebot auf die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse aus. Dies bestätigt Hansueli von Gunten, Geschäftsleiter der Controller Akademie in Zürich: «Neue Angebote schiessen aus dem Boden und verschwinden auch relativ schnell wieder.»

Nicht nur der institutionalisierte, sondern auch der informelle Wissenserwerb hat an Bedeutung gewonnen: Wikipedia und YouTube haben sich als kostenlose und unabhängige Lernformen längst etabliert. So ist beispielsweise ein Software-Anwenderkurs als Präsenzveranstaltung höchstens für PC-Einsteiger interessant, die «Digital Natives» hingegen lernen das Benötigte in einem Online-Tutorial. So praktisch dies auch ist, bei der Stellensuche ist nach wie vor entscheidend, das fachliche Wissen und Können offiziell nachweisen zu können. «In den letzten Jahren hat der Anteil an Kunden, welche bestimmte Weiterbildungen als Must-Have-Kriterien definieren, stark zugenommen», sagt Paolo Nocco, Regionenverantwortlicher bei Careerplus. Ausserdem geben Weiterbildungen Hinweise darauf, dass der Arbeitnehmer zielstrebig ist und Durchhaltevermögen beweist – beides sind wichtige Metakompetenzen für den Berufserfolg.

Dossieranalyse im Selektionsprozess: Anforderungsprofil genau prüfen

Zurück zum eingangs genannten Beispiel «Leiter/in Finanzen und Personalmit Führungskompetenz». Die Bandbreite an Weiterbildungsangeboten für diesen Bereich reicht von halbtägigen Modulen bis zu mehrsemestrigen Nachdiplomstudien. Folglich sind auch in den Bewerbungsdossiers ganz unterschiedliche Bildungsnachweise zu finden: von unternehmensinternen Führungskursen über eidg. Fachausweise (z.B. zum Führungsfachmann/frau) und Zertifikaten von Kaderlehrgängen (z.B. SVF Management/Leadership) bis hin zum Master of Business Administration. Das Unternehmen in unserem Beispiel muss sich nun fragen: Welche dieser Weiterbildungen deckt sich am besten mit den Bedürfnissen der Vakanz? Diese Frage lässt sich nur durch einen Schritt zurück zum Anforderungsprofil beantworten. Dabei wird klar, dass die Definition der Stelle detaillierter werden muss: Handelt es sich bei den «Führungskompetenzen» um Management (Geschäftsführung) oder um Leadership (Menschenführung)? Oder gar um beides? Erst wenn diese Frage geklärt ist, kann das Unternehmen beurteilen, ob das Führungsdiplom eines Kandidaten sich mit den inhaltlichen Anforderungen deckt. Aber Achtung: Einattraktiver Titel mit einer ausführlichen Auflistung von Ausbildungsinhalten liefert noch keine Aussage über das tatsächlich erworbene Wissen.

Nur wenige Titel sind geschützt

Es gibt grosse Unterschiede in Bezug auf die Qualität einer Weiterbildung und im Spezifischen auf den Lernerfolg. Die Anbieter sind ebenso vielfältig: Private Lehrpersonen, Sprachschulen, höhere Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten – sie alle mischen mit im Weiterbildungsmarkt. Und sie alle können Diplome und Zertifikate ausstellen. Denn die Begriffe «Diplom» und «Zertifikat» sind nicht geschützt. Ein Titelschutz existiert nur in bestimmten Bereichen, z.B. in den höheren Berufs- und Fachprüfungen wie «HR Fachmann/-frau» oder «Diplomierter Expertein Rechnungslegung und Controlling. «Jeder kann heute ein Diplom ausstellen. Von sehr guter Qualität bis Schrott ist alles dabei», sagt denn auch Rudolf Strahm, Präsident des Schweizerischen Verbandsfür Weiterbildung (SVEB) in einem Interview mit dem Beobachter.

Ein Grossteil der von privaten Weiterbildungsinstituten angebotenen Abschlüssen ist also nicht geschützt und somit keiner unabhängigen Qualitätskontrolle unterworfen. Durch das neue Weiterbildungsgesetz ist ebenfalls keine bessere Kontrolle zu erwarten. Wie können also Personalverantwortliche die Qualität einer Weiterbildung beurteilen? Eine Möglichkeit ist, zu prüfen, ob ein Weiterbildungsinstitut von eduQua zertifiziert wurde. Wer sich die aufwendige Recherchearbeit ersparen will, kann sich an eine Personalberatungwenden, die auf qualifizierte Fachpositionen spezialisiert ist. Denn im Gegensatz zu HR-Professionals in KMU, die in der Regel die ganze Bandbreite der im Unternehmen existierenden Stellenprofile rekrutieren, besitzt eine spezialisierte Personalberatung umfassendes Fachwissenüber die Weiterbildungen im jeweiligen Berufsfeld.

Der passende Kandidat?

Gehen wir davon aus, dass das Anforderungsprofil unserer Vakanz «Leiter/inFinanzen und Personal» Kompetenzenim Management wie auch im Leadership verlangt. Diese beiden Aspekte der Führungskompetenzwerden zum Beispiel mit dem Fachausweis «Führungsfachmann/frau» sowie einem «Master of Business Administration» (MBA) erworben. Letzterer ist jedoch einiges umfangreicherals der Fachausweis. Ein Kandidat mit einem MBA hat eine umfangreiche Ausbildung absolviert, ist aber weniger spezialisiert als ein Kandidat mit einem eidgenössischen Fachausweis. Hier muss das Anforderungsprofil wiederum detailliert genug sein, um zu beurteilen ob breite Management Fähigkeiten (wie sie z.B. durch einen MBA erlangt werden) wichtig sind, oder spezifisches Fachwissen in Finanzen plus Führungskompetenzen (die z.B. durch einen eidgenössischen Fachausweis erlangt werden können).

Abschliessend gilt es zu betonen, dass die Weiterbildung nur wenig über den Transfer des erworbenen Wissens und dessen erfolgreiche Anwendung im Berufsalltag aussagt. Dies sollte im persönlichen Gespräch mittels kompetenzbasierter Fragetechniküberprüft werden. Bei einer Führungsposition wie im vorliegenden Beispiel wird zudem die Persönlichkeit des Kandidaten eine gewichtige Rolle spielen, sowie die Frage, wie gut er zur Unternehmenskultur passt. Denn auch ein bestens ausgebildeter Kandidat ist noch keine Garantie für eine erfolgreiche Stellenbesetzung.

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