Nachbarrecht: Grenzen und Grenzvorrichtungen
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Zentral für die Frage der Grenze von Liegenschaften ist Art. 667 ZGB.
1 Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht. 2 Es umfasst unter Vorbehalt der gesetzlichen Schranken alle Bauten und Pflanzen sowie die Quellen.
Die Liegenschaften sind Teile der Erdoberfläche und haben demnach notwendigerweise genau definierte horizontale Grenzen, die sie von den benachbarten Liegenschaften trennen. Gegen oben und gegen unten erstreckt sich hingegen die Eigentumssphäre soweit, wie für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.
I.d.R. reicht das Interesse an der Ausübung des Eigentums in eine Tiefe bis rund 10 m, je nachdem ob gegenwärtige oder zukünftige unterirdische Räume oder Leitungen betroffen sind (BGer 5A_245/2017 vom 4.12.2017, E. 3.1. und BGE 132 III 689, E. 4.2 ff.). Ein auf nur Entschädigung ausgerichtetes Interesse ist nicht schutzwürdig (BGE 132 III 353, E. 4.2).
In die Höhe reicht das Interesse an der Eigentumsausübung i.d.R. bis 150 m oder weniger, jedoch nicht bis 350 m, wenn das Grundstück von regelmässigen Überflügen durch Grossraumflugzeuge betroffen ist. Beim regelmässigen Überflug von Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen in einer Höhe bis 260 m oder weniger ist dieses Interesse ebenfalls verletzt, jedoch bei vereinzelten Überflügen von kleineren Flugzeugen in der Höhe von 220 bis 260 m nicht mehr (vgl. zum Ganzen BGer 1C_102/2018 vom 20.3.2019, E. 2.1).
Das schützenswerte Interesse ist indes nur dann zu bejahen, wenn es sowohl in rechtlicher wie auch in technischer Hinsicht ausgeübt werden kann.
Bestimmung der Grenzen
Art. 668 ZGB
1 Die Grenzen werden durch die Grundbuchpläne und durch die Abgrenzungen auf dem Grundstücke selbst angegeben.
2 Widersprechen sich die bestehenden Grundbuchpläne und die Abgrenzungen, so wird die Richtigkeit der Grundbuchpläne vermutet.
3 Die Vermutung gilt nicht für die vom Kanton bezeichneten Gebiete mit Bodenverschiebungen.
Wo die amtliche Grundbuchvermessung durchgeführt worden ist, können auf dem Grundbuchamt die Vermessungspläne eingesehen werden. Diese gelten als richtig, solange ihre Unrichtigkeit nicht nachgewiesen ist (Art. 9 ZGB). Das gilt auch, wenn die auf dem Grundstück sichtbaren Abgrenzungsvorrichtungen dem Plan widersprechen.
Der Beweis der Unrichtigkeit der Pläne kann geführt werden, solange nicht ein gutgläubiger Dritter im Vertrauen auf die Pläne das Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht (z.B. eine Dienstbarkeit) am Grundstück erworben hat; in diesem Fall erwirbt er nämlich sein Recht so, wie es aus dem Plan ersichtlich war (Art. 973 ZGB; das gilt aber nur für den Grenzverlauf, nicht auch für die Flächenangabe, vgl. Art. 219 OR).
Wo keine Grundbuchvermessung besteht, gelten die auf dem Grundstück sichtbaren Grenzzeichen als richtig, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist. Grenzzeichen sind die speziell gesetzten Grenzsteine, sowie Kreuze und Bolzen im Fels oder in Mauern (je nach den Vorschriften der amtlichen Vermessung; wo keine amtliche Vermessung besteht, sind mannigfache Vorschriften und Überlieferungen aus alter Zeit zu beachten).
Das vorsätzliche Beseitigen, Verrücken, Unkenntlichmachen etc. eines Grenzsteines oder eines andern Grenzzeichens ist nach Art. 256 des Strafgesetzbuches strafbar.
Abmarkung
Art. 669 ZGB: Jeder Grundeigentümer ist verpflichtet, auf das Begehren seines Nachbarn zur Feststellung einer ungewissen Grenze mitzuwirken, sei es bei Berichtigung der Grundbuchpläne oder bei Anbringung von Grenzzeichen.
Bei Verweigerung der Mitwirkung des einen Grundeigentümer kann der andere die amtliche Vornahme durch einen Geometer verlangen. Ist zudem der Grenzverlauf strittig, so steht dem betreffenden Eigentümer die sog. Grenzscheidungsklage offen.
Eigentum an Grenzvorrichtungen
Soweit nichts anderes vereinbart oder ortsüblich ist, stehen Grenzvorrichtungen wie
- Mauern,
- Hecken oder
- Zäune
im Miteigentum beider Nachbarn (Nachbarrecht), wenn sie genau auf der Grenze stehen (Art. 670 ZGB).
Art. 670 ZGB: Stehen Vorrichtungen zur Abgrenzung zweier Grundstücke, wie Mauern, Hecken, Zäune, auf der Grenze, so wird Miteigentum der beiden Nachbarn vermutet.
Das kantonale Recht kann aber auch das Miteigentum ausschliessen.
Besteht Miteigentum, so sind gleiche Quoten und Unterhaltskostenanteile beider Nachbarn zu vermuten, sofern nicht Vereinbarung oder Ortsgebrauch einen anderen Schluss nahelegen
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Einfriedung
Grundsätzlich darf jeder Eigentümer sein Grundstück durch Zäune, Hecken oder Mauern einfrieden.
Wichtig: Diese Einfriedungen dürfen jedoch die Ausübung von Nachbar- und Dienstbarkeitsrechten sowie bei Wald- und Weidegrundstücken das allgemeine Zutrittsrecht des Publikums (Art. 699 ZGB) nicht verunmöglichen.
Das kantonale Recht kann weitere Beschränkungen des Einfriedungsrechts vorsehen. Bei der Art und Ausgestaltung der Einfriedung sind auch die kantonalen Abstandsvorschriften und gegebenenfalls das übrige Baurecht zu beachten. So sieht beispielsweise das Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch des Kantons Zürich vor, dass Grünhecken gegen den Willen des Nachbarn nicht näher als 60 cm an der Grenze gehalten werden dürfen (§ 177 EG ZGB ZH). Andere Einfriedungen, wie Holzwände, welche die Höhe von 150 cm nicht überschreiten, dürfen hingegen an der Grenze angebracht werden (§178 EG ZGB ZH).
Eine Pflicht zur Einfriedung besteht allenfalls kraft kantonalen Rechtes. Sie kann sich aber auch aus der Verpflichtung des Grundeigentümers ergeben, übermässige Auswirkungen seines Grundstücks auf die umliegende Gegend abzuwenden.
Praxis-Beispiel: Viehweiden in der Nähe von Gärten sind in der Regel einzufrieden.
Grenzabstände beim Bauen
Beim Bauen ist eine fast unüberblickbare Vielfalt von Vorschriften des eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Rechts zu beachten:
- Diese Vorschriften sind einerseits öffentlich-rechtlicher Natur, das heisst, sie werden von den Behörden von Amtes wegen generell durchgesetzt.
- Anderseits gibt es Bauvorschriften des Privatrechts, für deren Einhaltung der interessierte Nachbar sorgen muss, über welche sich die Nachbarn aber auch hinwegsetzen können, wenn sie dies miteinander vereinbart haben. Damit eine solche Vereinbarung auch für die Rechtsnachfolger gelten, sollte sie mittels eines öffentlich beurkundeten Dienstbarkeitsvertrages im Grundbuch eingetragen werden.
- Schliesslich kommt es auch vor, dass eine kantonale Bauvorschrift sowohl öffentlich-rechtlichen als auch privatrechtlichen Charakter hat; in diesem Falle kann nur davon abgewichen werden, wenn die Behörde eine zulässige Ausnahmebewilligung erteilt und auch der Nachbar einverstanden ist.
Auch muss zwischen Grenz- und Gebäudeabständen unterschieden werden; vielerorts muss ein Gebäude den doppelten Grenzabstand vom Nachbargebäude einhalten, auch wenn letzteres zu nahe an die Grenze gebaut wurde.
Abstandsvorschriften, Baulinien
Von besonderen Grundstücken sind mitunter besondere Grenzabstände einzuhalten. Recht häufig sind solche Abstandsvorschriften beim Bauen am Waldrand (20–30m Abstand vom Wald). Bei Strassen und Gewässern werden oft Baulinien festgesetzt. Der Grundeigentümer darf in diesen Fällen grundsätzlich nicht näher als diese Baulinie an die Strasse bauen. Indessen dürfen Aussenparkplätze ausnahmsweise in den Baulinienbereich gebaucht werden. Für eine spätere Strassenerweiterung wird der betreffende Grundeigentümer allerdings regemässig dazu verpflichtet, die Aussenparkplätze entschädigungslos zu beseitigen (sog. Beseitigungs- und Mehrwertrevers, welches i.d.R. im Grundbuch angemerkt wird).
Abweichen von öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften
Von öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften kann nur beim Vorliegen einer behördlichen Ausnahmebewilligung abgewichen werden. Solche Bewilligungen sollten nur beim Vorliegen von genau umschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen erteilt werden (siehe das obige Beispiel).
Liegt eine Abweichung von einer Bauvorschrift vor, für welche die Baubewilligungsbehörde keinen Dispens erteilt hat, so kann der Nachbar im Baubewilligungsverfahren Einsprache erheben. Die Einsprachefrist ist aber gewöhnlich auf die Zeit von der amtlichen Ausschreibung, welche i.d.R. mit der Aussteckung der Baute einhergeht, bis zum Ablauf der Einsprachefrist beschränkt. Die Einsprachefrist ist in jedem Kanton separat geregelt und beträgt in den meisten Fällen 30 Tage.
Im Kanton Zürich ist die Besonderheit zu beachten, dass vor Erlass des baurechtlichen Entscheids keine Einsprache möglich ist, sondern nur die Zustellung desselben innert 20 Tagen nach der amtlichen Ausschreibung verlangt werden kann. Erst gegen den baurechtlichen Entscheid kann innert 30 Tagen Rekurs beim Baurekursgericht erhoben werden.
Abweichen von privatrechtlichen Bauvorschriften
Will ein Bauherr von einer Bauvorschrift des Privatrechts abweichen, so muss er sich mit dem betroffenen Nachbarn verständigen. Dieser kann die Abweichung in drei Formen gestatten:
- «Prekaristisch», das heisst auf Zusehen hin und jederzeit widerrufbar (bei kleineren Mauern etc.). Oft wird der Beseitigungsanspruch des Nachbarn dabei in einem ‹Revers› festgehalten.
- Durch gewöhnlichen Vertrag, welcher zwar verbindlich ist, aber nur zwischen den Vertragsschliessenden.
- Durch die Eintragung einer Dienstbarkeit ins Grundbuch, wenn die Regelung auch für Rechtsnachfolger verbindlich sein soll; der Vertrag für eine solche Dienstbarkeit muss öffentlich beurkundet werden (Art. 680 Abs. 2 ZGB).
Wichtig: Verletzt ein Grundstückeigentümer ohne eine solche Einwilligung des Nachbarn eine privatrechtliche Bauvorschrift, so kann der betroffene Nachbar ihm das Bauen gerichtlich verbieten lassen.
Rechtswidrige Bauten
Was geschieht, wenn ein rechtswidriger Bau nicht vor seiner Ausführung gestoppt wird, sondern schon fertig gebaut ist? Im öffentlichen Baurecht gibt es oft «nur» eine Busse, welche zwar «saftig» sein kann, aber oft immer noch weniger hoch als der erzielte rechtswidrige Vorteil ausfällt. Indessen wird der Abbruch einer neuerstellten Baute befohlen, wenn das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Bauvorschrift das Interesse des Bauherrn am Weiterbestand der rechtswidrigen Baute überwiegt.
Bei der Verletzung privatrechtlicher Normen des Baurechts kann der Nachbar die Beseitigung verlangen, in der Regel aber nur während einer bestimmten Zeit. Ausserdem besteht nach Art. 685 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 674 Abs. 3 ZGB für einen Bauherrn, welcher unabsichtlich (gutgläubig) die Vorschriften verletzt hat, die Möglichkeit, gegen Entschädigung den Bau stehenzulassen, wenn der Nachbar dagegen nicht rechtzeitig Einspruch erhoben hat (siehe unten).
Graben und Bauen
Eine gesamtschweizerische Vorschrift findet sich in Art. 685 Abs. 1 ZGB. Danach darf ein Eigentümer beim Graben und Bauen die nachbarlichen Grundstücke nicht dadurch schädigen, dass er ihr Erdreich in Bewegung bringt oder gefährdet oder vorhandene Einrichtungen beeinträchtigt.
Wichtig: Als «nachbarliche» Grundstücke können hier auch die nicht direkt angrenzenden Liegenschaften verstanden werden, sofern diese betroffen sind. Allerdings sind nur übermässige Einwirkungen verboten, die beispielsweise Rissbildungen an Gebäudefassaden, Bodenversumpfung oder erheblichen Bodensenkungen bzw. -rutschungen.