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Steuerstrafrecht: Rechte und Pflichten im Fokus

Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die Herausforderungen und Grundsätze des Steuerstrafrechts. Wir beleuchten die rechtlichen Grundlagen und Prinzipien, die in einem Steuerstrafverfahren gelten, sowie die besonderen Aspekte der Strafsteuerverfahren.

12.03.2024 Von: Hans Wipfli, Alain Villard
Steuerstrafrecht

Allgemeines zum Steuerstrafrecht

In einem Steuerstrafverfahren, in welchem es um echte Bussen im strafrechtlichen Sinne geht, soll niemand zur Selbstbelastung gezwungen werden können. Es sollen weiter die allgemeinen Rechte eines Angeschuldigten in einem Strafverfahren zur Anwendung gelangen, also insbesondere die folgenden Prinzipien:

  • Legalitätsprinzip
  • Prinzip des fairen Verfahrens [Fair Trial]
  • Anspruch auf rechtliches Gehör
  • Grundsatz in dubio pro reo
  • Öffentlichkeitsprinzip
  • Akkusations- und Inquisitionsprinzip
  • freie Beweiswürdigung
  • Beweisverbote
  • Offizialmaxime
  • Unmittelbarkeitsprinzip
  • Beschleunigungsgebot

Im Steuerstrafrecht wie im Verwaltungsstrafrecht gelten die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen von Art. 6 EMRK.

Besondere Aspekte des Strafsteuerverfahrens

Abgrenzung zum Nachsteuerverfahren

Die Nachsteuer (Art. 151–153 DBG bzw. Art. 53 StHG) und die Strafsteuer (Art. 174–185 DBG bzw. Art. 55–58 StHG) bei den direkten Steuern von Bund und Kantonen dienen unterschiedlichen Zwecken:

  • Mit der Erhebung von Nachsteuern wird nichts anderes als die Einforderung der ordentlichen Steuer bezweckt, die bislang zu Unrecht nicht erhoben worden ist. Das Nachsteuerverfahren ist somit ein Revisionsverfahren, mit dem die an sich rechtsbeständige Veranlagung zuungunsten der steuerpflichtigen Person korrigiert wird.
  • Das Steuerstrafverfahren hat demgegenüber pönale Funktion. Es bezweckt die strafrechtliche Verfolgung steuerrechtlicher Widerhandlungen.

Charakteristik des Steuerstrafverfahrens

Die am Ende eines Steuerstrafverfahrens ausgesprochenen Sanktionen stellen echte Strafen dar. Nach den strafrechtlichen Grundsätzen gelten dabei strengere Beweisregeln als im Nachsteuerverfahren. Es sind insbesondere die Unschuldsvermutung sowie der Grundsatz «in dubio pro reo» zu beachten:

  • Die Behörden müssen demnach einer steuerpflichtigen Person die Höhe des hinterzogenen Betrags nachweisen und im Zweifelsfall zu ihren Gunsten entscheiden.
  • Sie dürfen namentlich einen unabklärbaren und daher ungewissen Sachverhalt nicht durch eine Ermessensveranlagung ersetzen.
  • Hingegen ist es im Rahmen der freien Beweiswürdigung zulässig, Einkommens- oder Vermögensteile, deren Hinterziehung nachgewiesen ist, zur Bestimmung der Höhe der hinterzogenen Steuer zu schätzen, sofern sie anhand von Indizien auf diese Weise hinreichend sicher ermittelt werden können.
  • Die Behörde hat die Höhe des hinterzogenen Betrags nach Ausschöpfung aller geeigneten Untersuchungsmittel und gestützt auf eine gewissenhafte Prüfung der Beweismittel aufgrund ihrer frei gebildeten Überzeugung zu bestimmen. An die behördliche Überzeugung dürfen dabei aber nicht übermässige Anforderungen gestellt werden.

Konsequenzen des strafrechtlichen Charakters

Der strafrechtliche Charakter des Steuerstrafrechts hat insbesondere die folgenden Konsequenzen:

  • In einem Strafsteuerverfahren müssen die Angeschuldigten zu Beginn über ihre strafprozessualen Rechte (keine Selbstbelastung, Aussageverweigerungsrecht etc.) informiert werden.
  • In einem Strafsteuerverfahren müssen die EMRK-Grundsätze eingehalten werden.
  • Im Strafsteuerverfahren können Angeschuldigte für von der Steuerverwaltung im gemeinsam durchgeführten Nachsteuerverfahren zu Unrecht erlangte Informationen ein Beweisverwertungsverbot geltend machen.
  • Um den strafprozessualen Grundsätzen der Angeschuldigten und dem Grundsatz des Fair Trial gerecht werden zu können, sollte das Nachsteuerverfahren vom Strafsteuerverfahren getrennt durchgeführt werden. Bevor das Nachsteuerverfahren durchgeführt wird, sollte das Strafsteuerverfahren abgeschlossen sein.
  • Bei Vertretungsverhältnissen müssen die massgebenden Prozesshandlungen aufgrund ihrer Höchstpersönlichkeit direkt gegenüber der angeschuldigten Person durchgeführt werden.
  • Es sind insbesondere die verfahrensrechtlichen Konsequenzen in einem Strafsteuerverfahren bei Ehegatten zu berücksichtigen: Das Verfahren der Ehegatten ist getrennt zu eröffnen und durchzuführen. Die Schuld- und Haftungsfragen sind getrennt zu beurteilen.

Verwaltungsstrafrecht und Zwangsmassnahmen

Wenn das VStrR anwendbar ist, heisst das, dass eine Bundesbehörde aufgrund eines Bundesgesetzes für eine bestimmte Steuer (Mehrwertsteuer, Zollabgaben, Verrechnungssteuer, Stempelabgaben etc.) ein Steuerdelikt ahnden kann. Diese Behörde kann Zwangsmassnahmen ergreifen. So kann sie Durchsuchungen anstellen, Dokumente beschlagnahmen oder Zeugen einvernehmen.

Zu den eigentlichen Zwangsmassnahmen gehören

  • die Beschlagnahme von Gegenständen und Vermögenswerten (Art. 46 und 47 VStrR),
  • die Durchsuchung von Räumlichkeiten, Personen und Dokumenten (Art. 48–50 VStrR),
  • die vorläufige Festnahme (Art. 51 VStrR) und
  • die Verhaftung.

Die Zeugeneinvernahme ist keine Zwangsmassnahme im engeren Sinne. Sie gehört zu den anderen Instrumenten, die den untersuchenden Beamten für die Untersuchung zur Verfügung stehen. Diese können

  • mündlich oder schriftlich Auskünfte einholen oder
  • Auskunftspersonen (Art. 40 VStrR), die beschuldigte Person (Art. 39 VStrR) oder Zeugen (Art. 41 VStrR) einvernehmen.

Zulässigkeit der Zwangsmassnahmen

Es handelt sich um ein eigentliches Strafverfahren, in dem die steuerpflichtige Person den Schutz nach EMRK geniesst. Die Zwangsmassnahmen stehen der verfolgenden Bundesbehörde auch dann zur Verfügung, wenn es sich bei der Straftat nicht um ein Steuervergehen (Abgabebetrug) handelt, sondern um eine Übertretung (z. B. Steuerhinterziehung [BGE 106 IV 413; BGE 104 IV 133]). Bei einer reinen Ordnungswidrigkeit hingegen dürfen sie nicht eingesetzt werden (vgl. Art. 45 Abs. 2 VStrR).

Da es sich um ein Strafverfahren mit Zwangscharakter handelt, gibt das VStrR den Beschuldigten das Recht, die Beurteilung durch das Gericht zu verlangen (Art. 21 Abs. 2 VStrR).

Muss nach Auffassung der Verwaltungsbehörde eine Freiheitsstrafe verhängt werden, ist ohnehin das Gericht zuständig (Art. 21 Abs. 1 VStrR).

Im Unterschied zu den direkten Steuern ist festzustellen, dass die Zwangsmassnahmen bei den indirekten Steuern ziemlich einschneidend sein können (Hausdurchsuchungen, Durchsuchung von Angeschuldigten [Art. 48 VStrR], vorläufige Festnahme und Vorführung vor den Richter [Art. 51 VStrR] und Verhaftung [Art. 52 VStrR]), die in dieser aggressiven Form den direkten Steuern fremd sind.

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