Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok

Unternehmensverkäufe: Vorsicht bei der indirekten Teilliquidation

Die indirekte Teilliquidation betrifft den «Verkauf eines vollen Portemonnaies» und führt dazu, dass ein an sich privater steuerfreier Kapitalgewinn teilweise in einen steuerbaren Vermögensertrag umqualifiziert wird. Bei Unternehmensverkäufen, insbesondere bei Unternehmensnachfolgen, ist diesem Institut und der Tendenz der Steuerbehörden, eine grosszügige fiskalische Auslegung vorzunehmen, Rechnung zu tragen.

28.05.2024 Von: Thomas Jaussi, Yves Strobel
Unternehmensverkäufe

Ausgangslage: Verkauf eines vollen Portemonnaies 

Beim verdienten Feierabendbier sagt Hans zu Fritz, der gerade sein Portemonnaie gezückt hat: Lass das, du bist herzlich eingeladen. Mir gefällt jedoch dein Portemonnaie. Willst du es mir verkaufen? Fritz überlegt und meint, für CHF 100.– kannst du es haben. Es sind jedoch noch CHF 200.– drin, weshalb du mir CHF 300.– geben musst. Hans nimmt das Portemonnaie, nimmt CHF 100.– aus seinem und die CHF 200.– aus Fritz’ Portemonnaie und bezahlt so den Kaufpreis von CHF 300.–. 

Steuerlich stellt sich der Verkauf eines vollen Portemonnaies wie folgt dar: Herr Muster ist seit Jahrzehnten Eigentümer sämtlicher Aktien der Muster AG, eines florierenden Architekturbüros. Als vorsichtiger Kaufmann hat Herr Muster einen Teil des Gewinns immer in der Muster AG belassen, weshalb ihre letzte Bilanz erhebliche Reserven ausweist (siehe Abbildung 1). Altersbedingt will Herr Muster die Aktien an der Muster AG verkaufen und findet mit der Architektur AG eine willige Käuferin, die bereit ist, den Kaufpreis von CHF 2 000 000.– zu entrichten. Unmittelbar nach Vollzug des Aktienkaufs absorbiert die Architektur AG ihre neue Tochtergesellschaft Muster AG zwecks vollständiger Integration. 

Herr Muster ist der Ansicht, dass er einen privaten steuerfreien Kapitalgewinn erzielt hat. Die zuständige kantonale Steuerverwaltung belehrt ihn gestützt auf das Vorliegen einer indirekten Teilliquidation eines Besseren. Sie ist der Ansicht, dass dieser Kapitalgewinn so weit in einen steuerbaren Vermögensertrag umqualifiziert wird, wie die Muster AG handelsrechtlich ausschüttbare, nicht betriebsnotwendige Mittel ausgewiesen hat, welche als Bestandteil des Kaufpreises von der Architektur AG an Herrn Muster bezahlt worden sind. Die Muster AG ist mithin das Portemonnaie, die nicht betriebsnotwendigen handelsrechtlich ausschüttbaren Mittel die CHF 200.–. Der steuerliche Vorwurf ist, dass diese Mittel vorgängig als steuerpflichtige Dividende an Herrn Muster hätten ausgeschüttet werden müssen.

Privater Kapitalgewinn versus steuerbarer Vermögensertrag 

Im Privatvermögen realisierte Kapitalgewinne sind steuerfrei. Hiervon gibt es jedoch Ausnahmen; in bestimmten Fällen qualifiziert ein vermeintlich steuerfreier privater Kapitalgewinn bei Vorliegen von spezifischen Voraussetzungen als steuerbarer Vermögensertrag. Die wichtigsten Fälle sind 1) die indirekte Teilliquidation, 2) die sogenannte Transponierung, 3) der sogenannte Mantelhandel, also der Verkauf der Mehrheit der Aktien einer wirtschaftlich in liquide Form gebrachten Gesellschaft, 4) der Rückkauf eigener Aktien und 5) die Qualifikation als sogenannter gewerbsmässiger Wertpapierhändler. 

Die indirekte Teilliquidation 

Eine indirekte Teilliquidation liegt vor, wenn 1) eine natürliche Person 2) eine Beteiligung von mindestens 20% am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft 3) aus dem Privatvermögen 4) in das Geschäftsvermögen einer anderen natürlichen oder einer juristischen Person verkauft, 5) soweit innert fünf Jahren nach dem Verkauf 6) nicht betriebsnotwendige Substanz ausgeschüttet wird, 7) die zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits vorhanden und handelsrechtlich ausschüttungsfähig war. Diese Voraussetzungen sind konstitutiv für die Annahme einer indirekten Teilliquidation. Zudem verlangen die Steuergesetze eine Mitwirkung von Käufer und Verkäufer in Bezug auf die schädliche Substanzentnahme, wobei diese in der Praxis praktisch immer unterstellt wird, weshalb darauf nachfolgend nicht näher eingegangen wird. 

Im Fall der Muster AG sind diese Voraussetzungen erfüllt: 

  • Herr Muster ist eine natürliche Person. 
  • Die Beteiligung an der Muster AG, welche Herr Muster hält, erfüllt die verlangte Minimalquote von 20% Kapitalanteil. 
  • Herr Muster hält die Aktien an der Muster AG in seinem Privatvermögen. 
  • Die Architektur AG hat nur Geschäftsvermögen, weshalb der sogenannte Systemwechsel vom Privat- ins Geschäftsvermögen vorliegend erfolgt. 
  • Die Absorption der Muster AG durch die Architektur AG stellt eine vollständige Liquidation der Muster AG dar, mit der Folge, dass sämtliche Mittel an die Architektur AG «ausgeschüttet» worden sind. 
  • Da die Absorption unmittelbar nach Aktienkauf erfolgte, wurde die fünfjährige Ausschüttungssperrfrist verletzt. 
  • Die Muster AG hat CHF 1 000 000.– ausschüttbare Gewinnreserven. 
  • Vorliegend wird angenommen, dass von den flüssigen Mitteln von CHF 800 000.– die Hälfte betriebsnotwendig ist, während die anderen CHF 400 000.– betrieblich nicht benötigt werden. 

Somit erzielt Herr Muster nur im Betrag von CHF 1 600 000.– einen steuerfreien Kapitalgewinn, während CHF 400 000.– steuerbaren, dem Teilbesteuerungsverfahren für qualifizierte Beteiligungen unterliegenden Vermögensertrag darstellen. Er muss mithin Einkommenssteuer von zwischen CHF 80 000.– und CHF 100 000.– bezahlen.

Aktiv- und Passivtest 

Grundlage für die Beurteilung, ob eine indirekte Teilliquidation vorliegt, ist der handelsrechtskonforme Einzelabschluss der verkauften Gesellschaft zu dem Zeitpunkt, zu welchem die Ausschüttungsfrist zu laufen beginnt. Die Beurteilung der handelsrechtlich ausschüttungsfähigen Reserven (= sog. Passivtest) sowie der nicht betriebsnotwendigen Substanz (sog. Aktivtest) erfolgt unter der Optik der unveränderten Weiterführung der betrieblichen Tätigkeit durch den Verkäufer. Künftige Veränderungen sind unbeachtlich. Dividenden aus den ab dem Verkaufsjahr ausschüttungsfähigen ordentlichen Jahresgewinnen der Zielgesellschaft, mithin Dividenden aus dem normalen Reingewinn, stellen keine schädliche Ausschüttung von Substanz dar. Darüber hinausgehende Ausschüttungen sind qualifizierende und somit schädliche Substanzausschüttungen. 

Die handelsrechtlich ausschüttungsfähigen Reserven bestimmen sich als Passivtest nach dem Bestand des in der letzten, vor dem jeweiligen Verkaufszeitpunkt liegenden, handelsrechtskonformen Bilanz der Zielgesellschaft ausgewiesenen Eigenkapitals unter Abzug des Aktien- oder Stammkapitals, steuerlich anerkannten Kapitaleinlagereserven sowie des maximal möglichen Umfangs der gesetzlichen Reserven von 50% des Nominalkapitals. Im vorliegenden Fallbeispiel ergibt somit der Passivtest handelsrechtlich ausschüttbare Reserven von CHF 1 000 000.–. 

Die Beurteilung, ob nicht betriebsnotwendige Substanz vorliegt, mithin der Aktivtest, erfolgt auf den Stichtag des jeweiligen qualifizierenden Beteiligungsverkaufs nach betriebswirtschaftlichen Kriterien. Sie bezieht sich auf die Zielgesellschaft sowie alle weiteren Gesellschaften, welche unter deren einheitlicher Leitung stehen. Im Gegensatz zum Passivtest erfolgt beim Aktivtest mithin eine konsolidierte Betrachtung. Die Bewertung der nicht betriebsnotwendigen Substanz, welche zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits vorhanden war, hat nach anerkannten Bewertungsgrundsätzen zu erfolgen. Dabei sind die zuordenbaren Passiven abzuziehen und die latenten Steuern auf den stillen Reserven zu berücksichtigen. Im Fall der Muster AG sind nicht betriebsnotwendige Mittel im Konto «Bank» denkbar bzw. wahrscheinlich. Gestützt auf eine betriebswirtschaftliche Analyse gehen die Steuerbehörden davon aus, dass die Hälfte der CHF 800 000.– betriebsnotwendig ist. Mithin ergibt der Aktivtest nicht betriebsnotwendige Mittel von CHF 400 000.–. 

Substanzausschüttungen 

Der Vorwurf einer indirekten Teilliquidation setzt voraus, dass zum Transaktionszeitpunkt vorhandene nicht betriebsnotwendige und handelsrechtlich ausschüttbare Substanz während den nächsten fünf Jahre ausgeschüttet wird. 

Die Ausschüttungsfrist von fünf Jahren beginnt zum Zeitpunkt des Verkaufs, der nach den allgemeinen Grundsätzen über den Zufluss von Einkommen bestimmt wird. Massgeblich ist somit in der Regel der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts, sofern die Erfüllung nicht von vornherein als unsicher betrachtet werden muss. 

Schädliche Ausschüttungen sind nicht nur Dividenden aufgrund eines formellen Beschlusses der Generalversammlung, sondern auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie andere geldwerte Vorteile zugunsten der Käuferin oder deren Aktionären. Solche geldwerten Vorteile können unter anderem erfolgen durch 1) Naturaldividenden, 2) nicht dem Drittvergleich entsprechende Darlehen der Zielgesellschaft oder unter deren einheitlicher Leitung stehender Gesellschaften an die Käuferin, deren Rückzahlung gefährdet erscheint und die bei der darlehensgebenden Gesellschaft eine Vermögenseinbusse bewirken, 3) Sicherheiten der Zielgesellschaft oder unter deren einheitlicher Leitung stehender Gesellschaften für Darlehen Dritter an die Käuferin, deren Beanspruchung wahrscheinlich erscheint und die bei der sicherheitsstellenden Gesellschaft eine Vermögenseinbusse bewirken. Auch Umstrukturierungen können allenfalls zu solchen schädlichen geldwerten Vorteilen führen. Dabei im Zentrum steht während der fünfjährigen Ausschüttungssperrfrist die Absorption der Zielgesellschaft in die Käuferin, da dies zu einer vollständigen Mittelentnahme aus der Zielgesellschaft durch die Käuferin führt. 

Steuerfolgen einer indirekten Teilliquidation 

Soweit schädliche Ausschüttungen erfolgen, wird der Verkaufserlös bei der Verkaufspartei (teilweise) als steuerbarer Vermögensertrag erfasst; es findet eine Umqualifikation des steuerfreien privaten Kapitalgewinns statt. Dabei bildet die kleinste der folgenden Grössen (nach Massgabe der veräusserten Beteiligungsquote) den steuerbaren Vermögensertrag:

Verkaufserlös: Dazu gehört der gesamte Verkaufserlös mit den unter suspensiven oder resolutiven Bedingungen vereinbarten Beträgen. Der Nominalwert der veräusserten Beteiligungsrechte reduziert den Verkaufserlös nicht. 

  • Ausschüttungsbetrag 
  • handelsrechtlich ausschüttungsfähige Reserven (Passivtest) 
  • nicht betriebsnotwendige Substanz (Aktivtest) 

Dieser steuerbare Vermögensertrag wird nach dem Realisationsprinzip derjenigen Steuerperiode zugerechnet, in welcher der qualifizierende Verkauf stattgefunden hat. Werden die Beteiligungsrechte gestaffelt verkauft, so wird der steuerbare Vermögensertrag im Verhältnis der betreffenden Verkaufserlöse auf die entsprechenden Steuerjahre aufgeteilt. Ist die von einem solchen Vermögensertrag betroffene Steuerperiode bereits rechtskräftig veranlagt, so wird die Steuer in einem Nachsteuerverfahren erhoben.

Risikotragung und Risikoschutz 

Die Steuerrisiken einer indirekten Teilliquidation treten ausschliesslich beim Verkäufer ein. Dieser bezahlt auf dem als Vermögensertrag umqualifizierten Anteil am Verkaufserlös die Einkommenssteuern. Das Spezielle ist, dass die Steuerfolgen einer indirekten Teilliquidation während der fünfjährigen Ausschüttungssperrfrist vom Verhalten der Käuferin abhängen: Nimmt diese während dieser Periode schädliche Substanzausschüttungen aus der Zielgesellschaft vor, treten beim Verkäufer die Steuerfolgen der indirekten Teilliquidation ein. 

Der Verkäufer muss sich somit vor fremdem Verhalten schützen. Praktisch die einzige Möglichkeit hierfür sind spezifische Gewährleistungsklauseln im Aktienkaufvertrag. Vereinfacht ausgedrückt muss der Käuferin verboten werden, während der fünfjährigen Ausschüttungssperrfrist Transaktionen vorzunehmen, welche zu schädlichen Substanzentnahmen aus der Zielgesellschaft führen können, bzw. dürfen solche Transaktionen von der Käuferin nur vorgenommen werden, wenn diese vorgängig im Namen des Verkäufers ein Ruling bei der für die Einkommenssteuern des Verkäufers zuständigen kantonalen Steuerverwaltung einholt, wonach solche Transaktionen gerade nicht schädlich sind. Werden diese Gewährleistungen verletzt, haftet die Käuferin dem Verkäufer für unter dem Titel «indirekte Teilliquidation» entstehende Steuerfolgen. 

Fazit 

Das Institut der indirekten Teilliquidation wurde unter dem Titel der Steuerumgehung begründet und hat eine bewegte Geschichte. Mit Wirkung per 1. Januar 2007 für die direkte Bundessteuer und per 1. Januar 2008 für die kantonalen Einkommenssteuern wurde die indirekte Teilliquidation gesetzlich geregelt.¹ Bei den entsprechenden Bestimmungen handelt es sich mithin um sogenannte legiferierte Steuerumgehungstatbestände. Dadurch trat eine gewisse Rechtssicherheit ein. Den Steuerbehörden sind jedoch steuerfreie private Kapitalgewinne ein Dorn im Auge. Aus diesem Grund besteht eine zunehmende Tendenz, die Umqualifikation von steuerfreien Kapitalgewinnen in steuerbare Vermögenserträge auszudehnen, wobei auch zum verpönten «Kunstgriff» der Steuerumgehungstheorie des legalisierten Steuerumgehungstatbestands der indirekten Teilliquidation, also der Steuerumgehung der Steuerumgehung, gegriffen wird. Dadurch reduzieren sich Handlungsspielräume und Rechtssicherheit bei Unternehmensverkäufen und erhöhen sich die steuerlichen Risiken. Der private Verkäufer einer Unternehmung in Form einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung tut deshalb gut daran, sich der indirekten Teilliquidation bewusst zu sein, entsprechende Gewährleistungsklauseln zu verlangen und je nach Umständen professionelle Beratung sowie ein vorgängiges Steuerruling einzuholen.

 

FUSSNOTEN

1 Art. 20a Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer und Art. 7a Abs. 1 Bst. a des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden.

Newsletter W+ abonnieren