Kommunikation im Team: So reduzieren Sie den Backfire-Effekt
Passende Arbeitshilfen
Wenn die Fetzen fliegen …
Diskutiert wird im Team immer wieder. Es wird sich ausgetauscht. Es wird sich zugehört. Es werden die Fakten und Daten besprochen, um gemeinsam mit einem Ergebnis – und sei es, wie weitervorgegangen wird – die Diskussion zu beenden. Meist geschieht dies sachlich. Meist ruhig und besonnen. Meist mit Respekt füreinander, als auch für die Meinung und Position des Teamkollegen.
Aber dann passiert es. Die Fetzen fliegen. Es ist, als gäbe es ein verbales Ärmedrücken. Ein Wort gibt das andere. Keiner weicht einen Zentimeter von seiner Position ab. Verfahren. Denn nicht allein ist die Diskussion einfach verfahren, sie ist komplett blockiert. Es bilden sich Parteien, gar Fronten. Vom Teamgeist ist nichts mehr zu spüren. Ganz im Gegenteil.
Wer in solch einem Moment einen Blick aufs Team wirft, darf sich fragen:
- Worüber wird gestritten?
- Welche Standpunkte treffen aufeinander?
- Wer behaart auf seinem Standpunkt?
- Wer setzt sich durch?
- Wer rückt nicht von seiner Meinung ab?
- Wer ist der Stärkere?
- Wer gibt nicht auf und nicht nach?
- Wer lässt sich trotz Fakten und Daten nicht „belehren“?
- Wer will sich nicht auf die „gegnerischen“ Argumente einlassen?
- Wer ist nicht willig, eine gemeinsame Lösung zu suchen?
- Welche Positionen bilden sich heraus?
- Wer stellt sich auf welche Seite?
Das positive Miteinander gerät in solchen Momenten in eine Schieflage.
… kann es am Backfire-Effekt liegen
Ursachen für solch eine Blockade in der Kommunikation gibt es zweifelsfrei viele. Vielleicht gab es Fluktuation im Team und das neue Team hat sich noch nicht zusammengefunden. Vielleicht ändern sich viel zu oft die Vorgaben, ob seitens der Geschäftsführung oder des Kunden, mit der Folge, das Team ist in seinem Tun verunsichert. Vielleicht beansprucht ein Teammitglied immer das Rampenlicht. Vielleicht wird das eine oder andere Teammitglied an den Rand gedrängt und fühlt sich nicht wahrgenommen, bis plötzlich eine Abwehrhaltung gezeigt wird. Vielleicht liegt die Ursache aber auch im Backfire-Effekt.
Der Backfire-Effekt
Erfinder
Der Begriff wurde von Brendan Nyhan und Jason Reifler von der Universität Michigan und der Georgia-State-Universität geprägt.
Experiment-Verlauf
Im Jahre 2006 führten beide innerhalb des Fachbereiches der Politikwissenschaften mehrere Experimente durch. Sie gaben den Probanden der Experimente erst einen Zeitungsartikel, der die Existenz der Massenvernichtungswaffen im Irak bestätigte. Danach erhielt jeder einen Artikel, der den ersten Artikels korrigierte, ihn also widerrief.
Experiment-Reaktionen
Die ersten Reaktionen waren „vorhersehbar“, d.h. diejenigen, die sich als liberal und Kriegsgegner bezeichneten, widersprachen dem ersten Artikel, befürworteten dagegen den zweiten. Bei den konservativen Kriegsbefürwortern war es genau umgekehrt. So weit, so gut. Überraschend war jedoch, zwei Drittel der konservativen Kriegsbefürworter gaben nach dem Lesen des zweiten Artikels an,
- noch mehr von ihrer Meinung überzeugt zu sein,
- dass ihre Meinung richtig und korrekt ist und war,
- weiter an ihrer Meinung festzuhalten, selbst als sie erfuhren, dass George W. Bush eingeräumt hatte, in puncto Massenvernichtungswaffen gelogen zu haben.
Experiment – weitere Themen
Auch bei anderen Themen, wie Impfen, Stammzellen, Steuerreform etc, also Themen die emotional stark polarisierten, kam es zum Backfire-Effekt, sobald Informationen und Korrekturen die eigene Meinung bedrohten.
Experiment – Phänomen Backfire
Dieses Phänomen wird als Backfire-Effekt bezeichnet.
Der Backfire-Effekt – und die kognitive Dissonanz
Der Backfire-Effekt ist laut den beiden Forschern ein Verteidigungsmechanismus, mit dem sich jeder vor einer kognitiven Dissonanz schützt. Kognitive Dissonanz beschreibt den Unterschied zwischen dem, was man wahrnimmt und dem, was man glaubt. Passt beides nicht zusammen, kommt es zu einer Schieflage – eben einer Dissonanz – im eigenen Weltbild.
Passende Produkt-Empfehlungen
Backfire-Effekt und seine Konsequenzen
Wird eine kognitive Dissonanz im Gespräch oder bei Diskussionen getriggert, reagiert jeder auf eine der folgenden Weisen: Dinge, Fakten und Informationen, die man hört und/oder liest, die aber nicht das eigene Weltbild bestätigen, werden
- ausgeblendet,
- verdrängt,
- gar leugnet.
Backfire-Effekt Beispiel
Sie wollen einen Kunden von der Konkurrenz abwerben, indem Sie die Vorteile Ihres Services und Ihrer Produkte unmissverständlich hervorheben. Doch statt mit Freude zu Ihnen zu wechseln, blockt der Kunde ab. Richtig vermutet, der Backfire-Effekt hat in diesem Moment zugeschlagen. Denn der Kunde hat wohl erkannt, dass seine bisherige Entscheidung falsch war und will sich dies nicht eingestehen.
Backfire-Effekt auflösen: 4 Tipps
Ein Backfire-Effekt tritt immer wieder auf – und zwar bei jedem. Niemand ist dagegen gefeit. Dies ist ein „Vorteil“, da Sie selbst wissen, wie sich solch ein Backfire-Effekt anfühlt und auswirkt. Gehen Sie bei der Auflösung stets mit Fingerspitzengefühl vor. Impulse, wie dies gelingen mag, bieten die folgenden Tipps.
Tipp 1: Innehalten und Situation erkennen
Der Austausch ist zum Erliegen gekommen. Jeder hält an seinem Standpunkt fest – und will sich nicht bewegen, obwohl Fakten und Zahlen auf dem Tisch liegen, die eine gegenteilige Sichtweise erfordern.
Der Moderator oder der Teamsprecher muss in solch einem Augenblick handeln, ohne parteiisch zu werden. Die Diskussion muss gestoppt werden. „Wir sind festgefahren. Lasst uns einen Moment unseren Austausch unterbrechen. Hier stossen gerade unterschiedliche Sichtweisen aufeinander. Und nein, es geht jetzt nicht darum, wer Recht hat oder nicht, sondern, was jeden dazu bewegt, seine Meinung beibehalten zu müssen.“
Tipp 2: Abstand gewinnen dank Meta-Ebene
Manches Mal beruhigen sich die Gemüter trotz dem Innehalten nicht (so schnell). Denn der Backfire-Effekt geht „ja ans Eingemachte“, d.h. das eigene Weltbild ist betroffen. Begeben Sie sich deshalb mit dem Team auf die Meta-Ebene. Sprechen Sie nicht länger „nur“ über den Inhalt, sondern, was dieser Inhalt bei den einzelnen auslöst und wie deshalb miteinander gesprochen wird.
Ist die Stimmung im Team gerade sehr aufgeheizt, sollte der Wechsel auf die Meta-Ebene erst einmal schriftlich erfolgen. So kann jeder für sich herausarbeiten, was für ihn in der Diskussion passierte, ohne neue verbale Attacken und Gegenangriffe zu riskieren. Reservieren Sie dafür maximal 15 Minuten Zeit. Verteilen Sie Stifte und Papier.
Damit das Team leichter auf die Meta-Ebene wechseln kann, stellen Sie eine oder mehrere der folgenden Fragen:
- Was ist mir an meinem Standpunkt so wichtig?
- Welche Werte verbinde ich mit meinem Standpunkt?
- Wie ordne ich die vorliegenden Fakten und Daten ein?
- Auf welche Weise kollidieren diese mit meinem Standpunkt und mit meinen Werten?
- Was lösen diese in mir aus – Gedanken und Gefühle?
- Welches „Weltbild“ gerät dabei vielleicht ins Wanken – beispielsweise beim obigen Beispiel „Massenvernichtungswaffen“, dass der Präsident mich belogen und manipuliert hat, um einen Krieg zu beginnen. Wem kann ich noch trauen?“
- Welche Auswirkungen hat dieses Wanken? Was wird dadurch erschüttert?
- Wie komme ich damit zurecht?
- Was gilt es nun zu korrigieren, d.h. wie richte ich jetzt meine Sichtweise neu aus?
- Wovon sollte ich mich verabschieden?
- Was tritt an dessen Stelle?
- Was kann/will ich von meinen Erkenntnissen „preisgeben“?
- Wie kann ich mich auf die anderen zubewegen?
Tipp 3: No-Shame-Blame-Game
Die Fakten liegen auf dem Tisch. Dennoch bleibt das Teammitglied bei seiner Meinung. Damit die Situation nicht eskaliert, sind Shame-Blame-Games sofort zu unterbinden. Stoppen Sie Aussagen, gar Beschimpfungen wie
- „Wie verbohrt kann man eigentlich sein…“
- „Bist du zu blöd, um…“
- „Was kapierst du jetzt gerade nicht?“
- „Das darf doch nicht wahr sein…“
- „Wegen dir kommen wir nicht voran…“
- „Die Zahlen liegen auf dem Tisch. Und du behauptest immer noch diesen Sch…“
Tipp 4: Schnittmenge finden
Bitten Sie das Team, den kleinsten, gemeinsamen Nenner zu finden. Lenken Sie also den Fokus weg von dem Trennenden hin zu dem, worauf sich in diesem Moment geeinigt werden kann. Fragen Sie:
- Welchem Fakt können alle zustimmen?
- Mit welchem Sachverhalt ist jetzt erst einmal jeder einverstanden?
- Welches Ziel verfolgen wir?
- Wie kann jetzt dieses Ziel durch diese gemeinsame (kleine) Schnittmenge erreicht werden?
- Wie hilft uns diese Schnittmenge dabei weiter?