Unbezahlter Urlaub: Arbeitsverhältnis auf Eis
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Begriff
Beim unbezahlten Urlaub1 werden für eine in der Regel voraus bestimmte Zeitperiode die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Das heisst, der Arbeitnehmende hat für eine bestimmte Zeit keine Arbeitsleistung zu erbringen. Auf der anderen Seite entfällt die Lohn- und Lohnersatzzahlungspflicht des Arbeitgebenden. Wesentlich ist, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien weiterhin bestehen bleibt.
Der unbezahlte Urlaub wird praktisch relevant z.B. bei der Verlängerung eines Mutterschaftsurlaubs, für eine längere Reise, beim Studium und/oder bei Prüfungen, oder auch weil ein Mitarbeitender eine Auszeit (zwecks Erholung) nehmen will. Die Gründe für einen unbezahlten Urlaub können demnach unterschiedlich sein.
Rechtliche Grundlagen
Eine generelle Regelung des unbezahlten Urlaubs findet sich weder im Obligationenrecht (OR) noch in anderen arbeitsrechtlichen Gesetzesvorschriften. Für bestimmte Absenzen (Urlaube) sieht das OR einzelne Regelungen vor. Dort, wo eine Entschädigung aus der Erwerbsersatzordnung (EO) bezahlt wird, kann jedoch nicht von unbezahltem Urlaub wie oben definiert gesprochen werden, dennoch werden die Regelungen nachfolgend kurz erläutert.
- Art. 329 Abs. 3 OR: Diese Bestimmung sieht vor, dass dem Arbeitnehmenden die üblichen freien Stunden und Tage sowie nach erfolgter Kündigung die für das Aufsuchen einer anderen Arbeitsstelle erforderliche Zeit zu gewähren ist. Daraus kann ein Anspruch auf freie Stunden oder allenfalls Tage abgeleitet werden. Diese Regelung findet häufig Anwendung für Arztbesuche, Wohnungsumzug, Beerdigungen etc. Daraus kann kein Anspruch auf einen längeren unbezahlten Urlaub (auch Sabbatical genannt) abgeleitet werden.
- Art. 329e OR: Hier wird der Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit geregelt. Konkret haben Arbeitnehmende bis zum vollendeten 30. Altersjahr Anspruch auf unbezahlten Urlaub für «unentgeltliche leitende, betreuende oder beratende Tätigkeit im Rahmen ausserschulischer Jugendarbeit in einer kulturellen oder sozialen Organisation sowie für die dazu notwendige Aus- und Weiterbildung». Für jedes Dienstjahr kann der Jugendurlaub bis zu insgesamt einer Arbeitswoche gewährt werden. Während des Jugendurlaubs besteht kein Lohnanspruch, es sei denn, die Parteien vereinbaren etwas anderes.
- Art. 329f OR: Dieser Artikel regelt den Mutterschaftsurlaub. Arbeitnehmerinnen haben nach Niederkunft Anspruch auf einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen. Die Bezahlung dieses Mutterschaftsurlaubs erfolgt über die EO, und somit handelt es sich hier nicht um einen unbezahlten Urlaub im Sinne der obigen Begriffsumschreibung.
- Art. 329g OR: Seit dem 1. Januar 2021 sieht das Gesetz auch einen bezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen vor. Der Urlaub kann innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes bezogen werden, am Stück oder verteilt auf einzelne Tage. Die Finanzierung des Vaterschaftsurlaubs erfolgt ebenfalls über die EO; auch hier liegt kein unbezahlter Urlaub im technischen Sinne vor.
- Art. 329i OR: Arbeitnehmende haben Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von höchstens 14 Wochen, wenn sie ein gesundheitlich schwer beeinträchtigtes Kind aufgrund von Krankheit oder Unfall betreuen müssen. Sind die Voraussetzungen für den Betreuungsurlaub erfüllt, erhalten Arbeitnehmende eine Entschädigung aus der EO, und somit gilt auch hier, dass es sich nicht um einen unbezahlten Urlaub handelt.
Vereinbarung über den unbezahlten Urlaub
Möglicherweise enthalten Gesamtarbeitsverträge (GAV) oder Personalreglemente Regelungen zum Bezug eines unbezahlten Urlaubs. Sofern keine Regelungen vorgesehen sind, empfiehlt es sich, im Einzelfall den unbezahlten Urlaub mittels schriftlicher Vereinbarung zu regeln.
Hinzuweisen ist, dass eine solche Vereinbarung nicht einseitig wieder aufgelöst werden kann. Wenn sich die Parteien auf eine bestimmte Zeitperiode geeinigt haben, kann dieser Zeitraum nicht ohne Zustimmung verschoben werden. Wenn beispielsweise der Arbeitnehmende krank wird und den geplanten Urlaub nicht so beziehen kann wie geplant, berechtigt dies nicht zur Verschiebung des unbezahlten Urlaubs. Auf der anderen Seite kann ein Arbeitgebender den einmal gewährten unbezahlten Urlaub nicht einseitig aufheben, z. B. aufgrund eines plötzlich anfallenden grossen Arbeitsvolumens.
Unbezahlter Urlaub: Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis
Suspendierung der Haupt- und Einschränkung der Nebenpflichten
Wie oben bereits erwähnt, werden die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert. Aber auch weitere Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis werden eingeschränkt, so insbesondere das Weisungsrecht und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebenden oder die Treue- und Sorgfaltspflicht des Arbeitnehmenden.
Lohn
Der Lohn wird während des unbezahlten Urlaubs ausgesetzt. Das gilt auch für den Anteil des 13. Monatslohns, wenn ein solcher verabredet ist. Somit wird ein allfälliger 13. Monatslohn anteilsmässig für den unbezahlten Urlaub gekürzt.
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Krankheit während des unbezahlten Urlaubs
Wird ein Mitarbeitender im unbezahlten Urlaub krank, hat dieser keinen Anspruch auf eine Lohnfortzahlung nach Art. 324a OR oder auf die Ausrichtung von Versicherungstaggeldern. Der Arbeitgebende ist während dieser Zeit von seiner Lohnzahlungs- wie auch Lohnfortzahlungspflicht befreit. Ist der Mitarbeitende über das Ende des unbezahlten Urlaubs hinweg weiterhin krank und deshalb arbeitsunfähig, dann lebt die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebenden (bzw. allfälliger Versicherungstaggelder) wieder auf.
Zu beachten ist, dass allfällige Krankentaggelder während des unbezahlten Urlaubs ausgesetzt werden; parallel dazu wird auch die Prämienzahlung ausgesetzt. Die Mitarbeitenden sind entsprechend zu informieren, und ihnen ist zu raten, für die Dauer des unbezahlten Urlaubes eine individuelle Versicherungslösung (Einzelabredeversicherung) abzuschliessen.
Anrechnung auf Dienstjahre
Der unbezahlte Urlaub hat keinen Einfluss auf die Berechnung der Dienstjahre. Das Arbeitsverhältnis dauert fort. Aus diesem Grund ist die Zeit, während welcher ein Arbeitnehmender im unbezahlten Urlaub ist, an die Dienstjahre anzurechnen. Dies ist vor allem wesentlich bei der Bestimmung der Kündigungsfrist oder bei der Berechnung von Sperrfristen.
Ferienanspruch während des unbezahlten Urlaubs?
Diese Frage wird in der Praxis unterschiedlich beantwortet. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass bei unbezahltem Urlaub der Ferienanspruch nicht wächst. Das heisst, für die Dauer des Urlaubs sind keine Ferientage gutzuschreiben. Dieser Lehrmeinung ist m. E. zu folgen. Ferien werden für geleistete Arbeit gutgeschrieben. Wenn aufgrund eines unbezahlten Urlaubs keine Arbeit verrichtet wird, scheint es nachvollziehbar, für diese Zeitperiode keine Ferien gutzuschreiben.
Kündigungsrecht während des unbezahlten Urlaubs
Das Kündigungsrecht wird während des unbezahlten Urlaubs nicht eingeschränkt. Wenn nichts anderes vereinbart wurde, kann das Arbeitsverhältnis von beiden Parteien während des unbezahlten Urlaubs gekündigt werden. Arbeitgebende haben allenfalls das Problem, dass die Kündigung nicht zugestellt werden kann, weil der Arbeitnehmende auf Reisen ist. Die Parteien können jedoch vereinbaren, dass während des unbezahlten Urlaubs gekündigt werden kann, aber die Kündigungsfrist erst mit Beendigung des unbezahlten Urlaubs zu laufen beginnt. In diesem Punkt sind die Parteien frei; sinnvoll ist es daher, diese Frage schriftlich zu regeln.
Erwähnung des unbezahlten Urlaubs im Arbeitszeugnis
Ob die Absenz im Arbeitszeugnis zu erwähnen ist, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Zeugniserstellung bzw. der Rechtsprechung dazu. Wenn aufgrund einer längeren Abwesenheit ein falsches Bild von der Berufserfahrung des Arbeitnehmenden entstehen würde, dann ist ein Vermerk notwendig. Der unbezahlte Urlaub ist im Verhältnis zur gesamten Arbeitsdauer zu setzen und sich zu überlegen, ob eine Erwähnung notwendig erscheint. Das trifft zu, wenn der Mitarbeitende mindestens die Hälfte der Anstellungsdauer abwesend war. Massgebend ist immer der Einzelfall. Wird ein Sabbatical erwähnt, sollte auch der Grund aufgeführt werden, um Spekulationen zu vermeiden.
Unfallversicherungen
Die Versicherungsdeckung endet mit dem 31. Tag nach dem Tag, an dem der Anspruch auf mindestens den halben Lohn aufhört (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unfallversicherungsgesetz). Bei einem längeren unbezahlten Urlaub entfällt also die Versicherungsdeckung! Dieses Problem kann temporär mit dem Abschluss einer Abredeversicherung gelöst werden; die Versicherung muss allerdings vor Ablauf der Unfallversicherung abgeschlossen werden. Wenn der unbezahlte Urlaub länger als sechs Monate + 31 Tage dauert, muss die Unfalldeckung bei der Krankenkasse eingeschlossen werden.
Weitere sozialversicherungsrechtliche Aspekte (AHV/IV/ALV, EO, Familienzulagen etc.) sind allenfalls von Bedeutung und sollten vom Mitarbeitenden vor dem Antritt des unbezahlten Urlaubs geklärt werden, um bei Bedarf die notwendigen Vorkehrungen treffen zu können.
Fussnote
1 Patricia Dietschy-Martenet, Le congé non payé en droit du travail et des assurances sociales, Revue suisse des assurances sociales et de la prévoyance professionnelle (RSAS) 2019, p. 181–188; Adrian von Kaenel, Arbeits-und sozialversicherungsrechtliche Probleme bei unbezahltem Urlaub, Präsentation der St. Galler Tagung zum Arbeitsrecht 2022 vom 27. September 2022.