Überzeit vs Überstunden: Was ist eigentlich der Unterschied?

Obwohl die Begriffe Überzeit vs Überstunden häufig gleichgesetzt werden, ist der Unterschied im Arbeitsrecht wesentlich. Dieser Beitrag zeigt, worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmende achten müssen — und wie sich die Entschädigung unterscheidet.

09.12.2025 Von: Leena Kriegers-Tejura
Überzeit vs Überstunden

Im Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer1 verpflichtet, Überstundenarbeit zu leisten, sofern dies betrieblich notwendig ist und der Arbeitnehmer diese zu leisten vermag (d.h. die Leistung der Überstunden führt nicht zur Überforderung des Arbeitnehmers) und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden können (Art. 321c OR). Überzeit ist insbesondere geschuldet bei zeitlicher Dringlichkeit oder ausserordentlichem Arbeitsandrang (Art. 12 ArG). Im Alltag sprechen Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer oft von Überzeit, obwohl es sich eigentlich um Überstunden handelt. Überzeit vs Überstunden werden bei der Entschädigung nicht gleich gehandhabt, weshalb es in der Praxis wesentlich ist, in welche Kategorie die Mehrstunden (als Oberbegriff für beide Arten von Stunden) einzuordnen sind.

Definition Überstunden 

Als Überstunden gelten jene Stunden, welche die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit (z.B. 40 oder 42 h/Woche) übersteigen, aber unter den Maximalarbeitszeiten des Arbeitsgesetzes liegen (Art. 321c OR). Viele Betriebe haben heute eine 40-Stunden-Woche; die Arbeitgeberinnen sind jedoch frei, die betriebliche Arbeitszeit im Rahmen des Gesetzes frei zu bestimmen. Zu beachten sind unter Umständen auch Gesamtarbeitsverträge, welche Vorgaben hierzu machen können. Definition Überzeitstunden Überzeitstunden sind diejenigen Stunden, die die wöchentliche Höchstarbeitszeit gemäss Arbeitsgesetz überschreiten (Art. 9 ArG). Diese Maximalarbeitszeiten betragen:

  • 45 Stunden für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal sowie technische und andere Angestellte mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels
  • 50 Stunden für alle übrigen Arbeitnehmer, womit insbesondere das Gewerbe erfasst wird

Unter technische und andere Angestellte sind vor allem Arbeitnehmer im Büro oder büroähnliche Berufe gemeint (vorwiegend Kopfarbeit). Unter die zweite Kategorie fallen z.B. Handwerker oder Arbeitnehmer in Gesundheitsberufen. Diese Unterscheidung scheint heute nicht mehr sachgerecht. Eine Revision des Arbeitsgesetzes ist jedoch nicht in Sicht, und daher ist diese Unterscheidung in der Praxis weiterhin vorzunehmen. Arbeitnehmer mit einem wöchentlichen Maximum von 50 Stunden dürfen jährlich nicht mehr als 140 Stunden Überzeitarbeit ausführen, Arbeitnehmer mit 45 Stunden nicht mehr als 170 Stunden.

Beispiel 

Ein Arbeitnehmer in einem industriellen Betrieb leistet in einer bestimmten Woche 52 Arbeitsstunden. Die vertragliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Da die Höchstarbeitszeit für industrielle Betriebe 45 Stunden beträgt, hat dieser Arbeitnehmer fünf Überstunden gearbeitet und dazu noch sieben Stunden Überzeitstunden geleistet. 

Entschädigung der Mehrstunden 

Je nachdem, welche Kategorie der Mehrstunden zur Diskussion steht, ist die Entschädigung anders geregelt. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass die Arbeitszeit sauber aufgeschrieben wird, sodass im Streitfall eine Zuordnung der Arbeitszeit zu den einzelnen Kategorien möglich ist. Grundsätzlich besteht gemäss Arbeitsgesetz ohnehin eine Pflicht, die Arbeitszeiten des Arbeitnehmers zu dokumentieren, es sei denn, der Arbeitnehmer falle in eine Kategorie, wo eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung möglich oder gar keine Arbeitszeiterfassung notwendig ist. Auf diese Problematik geht dieser Artikel nicht näher ein, sondern beschränkt sich auf die Frage der Entschädigung.

Entschädigung von Überstunden 

Im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer kann die Überstundenarbeit innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgeglichen werden (Art. 321c Abs. 2 OR). Bei der Kompensation mit Freizeit ist ein Zuschlag nicht vorgesehen, d.h. eine Überstunde kann mit einer Stunde Freizeit kompensiert werden. Zulässig ist diese Kompensation jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, dass die Überstunden statt durch eine Geldzahlung mittels Zeitkompensation entschädigt werden. In Betrieben, welche ein Personalreglement führen, ist die Möglichkeit der Freizeitkompensation regelmässig im Reglement enthalten. Solange der Arbeitnehmer ein solches Reglement gelesen und sich damit schriftlich einverstanden erklärt hat, sollte diese Einverständniserklärung ausreichen und muss nicht bei jeder Kompensation neu eingeholt werden. 

Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verarbeitet (oder in einem NAV oder GAV bestimmt), so hat die Arbeitgeberin einen Zuschlag von 25% zu bezahlen. Den Parteien ist es freigestellt, eine andere Lösung zu vereinbaren und insbesondere die Überstundenentschädigung wegzubedingen. Allerdings ist auch hier zu klären, ob z.B. eine GAV-Bestimmung eine Abweichung zulässt oder nicht. Damit eine solche Wegbedingung erlaubt ist, muss dies schriftlich erfolgen. Vereinbart werden kann z.B., was folgt:

  • Überstunden sind bereits im Lohn inbegriffen.
  • Überstunden werden bezahlt, jedoch ohne den Zuschlag von 25%.
  • Eine bestimmte Anzahl von Überstunden (z.B. zehn Überstunden) sind als im Lohn inbegriffen zu betrachten, und der Rest wird – mit oder ohne Zuschlag – ausbezahlt.
  • etc.

Die Parteien sind relativ frei, wie diese Entschädigung für Überstunden geregelt wird, solange die Vereinbarung schriftlich abgeschlossen wird. Zusätzlich sei angemerkt, dass Art. 321c OR grundsätzlich nicht für leitende Angestellte gilt. Vielmehr wird von leitenden Angestellten erwartet, dass sie etwas mehr leisten als nur das übliche Pensum. Leitende Angestellte haben gemäss Bundesgericht ohne ausdrückliche Regelung der Arbeitszeit deshalb nur dann einen Anspruch auf Überstundenentschädigung, wenn ihnen zusätzliche Aufgaben über die vertraglich vereinbarten Pflichten hinaus übertragen werden oder wenn die ganze Belegschaft während längerer Zeit in wesentlichem Umfang Überstunden leistet (BGE 129 III 171 E. 2.1 S. 173; Urteil 4A_86/2007 vom 5. Juni 2007 E. 2.1). Zur Beantwortung der Frage, ob ein Arbeitnehmer «leitender Angestellter» im Sinne des Obligationenrechts oder gar als ein Arbeitnehmer, der eine «höhere leitende Tätigkeit» im Sinne des Arbeitsgesetzes ausübt, gilt, ist gemäss Praxis nicht nur auf die Begriffe im Vertrag, Arbeitszeugnis oder einer Personalordnung zurückzugreifen. Vielmehr ist die tatsächliche Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses massgebend (vgl. BGE 126 III 337 E. 5b S. 341; zit. Urteil 4A_86/2007 E. 2.1). Darauf wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen.

Entschädigung von Überzeitstunden 

Die Überzeitentschädigung ist im Arbeitsgesetz (und nicht im OR) geregelt. Überzeit ist mit einem Zuschlag von 25% zu entschädigen oder durch Freizeit von gleicher Dauer zu kompensieren (Art. 13 ArG). Dabei handelt es sich um eine zwingende Vorschrift, die abweichende Vereinbarung ausschliesst (BGE 139 III 411 E. 2.5.5 S. 417 mit Hinweisen; vgl. aber die Besonderheit bei Überzeit von Büropersonal unten).

Hinzuweisen ist ausserdem, dass das Arbeitsgesetz nach seinem Art. 3 lit. d nicht anwendbar auf Arbeitnehmer ist, die eine «höhere leitende Tätigkeit» ausüben. Der Sinn liegt darin, dass Arbeitnehmer, die eine solch besondere Stellung im Betrieb einnehmen, keines öffentlich-rechtlichen Schutzes bedürfen (Urteil 2C_745/2014 vom 27. März 2015 E. 3.4) und für die Arbeitgeberin vor allem in zeitlicher Hinsicht frei verfügbar sein sollten (BGE 98 Ib 344 E. 2 S. 347). Bei der Kompensation von Überzeitstunden ist kein Zuschlag geschuldet. Der Anspruch auf Entschädigung kann somit nur wegbedungen werden, wenn vertraglich vorgesehen wird, dass Überzeit durch Freizeit von gleicher Dauer kompensiert wird. Eine Besonderheit regelt das Arbeitsgesetz für das Büropersonal und technische Angestellte. Hier ist der Zuschlag erst ab der 61. Überzeitstunde pro Jahr geschuldet. Das Bundesgericht hat klargestellt, dass Art. 13 ArG nicht nur für den Zuschlag, sondern auch für den Grundlohn gilt. Das heisst, für das Büropersonal und technische Angestellte kann nicht nur der Zuschlag, sondern auch der Grundlohn für die ersten 60 Überzeitstunden pro Jahr wie bei den Überstunden wegbedungen werden, wobei dies schriftlich zu erfolgen hat. Bei einer Regelung im Personalreglement ist dies zwingend sauber darzulegen, damit von dieser Regelung profitiert werden kann.

Fazit Überzeit vs Überstunden 

Um bestimmen zu können, welche Mehrstunden wie zu entschädigen sind, ist eine saubere Trennung zwischen Überzeit vs Überstunden vorzunehmen. Viele Firmen kennen Regelungen zur Vergütung von Überstunden, wobei nicht selten geregelt wird, dass die Überstunden im Lohn enthalten sind oder Überstunden ohne Zuschlag bezahlt werden, was rechtlich erlaubt ist, solange die Formvorschriften eingehalten werden.

Wenn es sich aber um Überzeitstunden handelt, dann ist entweder ein Zuschlag von 25% auf die Stunde zwingend auszurichten, oder die Stunden sind im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer durch diesen zu kompensieren. 

Damit es keine bösen Überraschungen am Ende eines Arbeitsverhältnisses gibt, ist es empfehlenswert, im Vertrag oder in einem Personalreglement, unmissverständlich zu klären, wie Mehrstunden bezüglich Entschädigung gehandhabt werden.

Fussnoten 

1 Für den besseren Lesefluss wird auf die Gendersprache verzichtet. Arbeitnehmer wird in der männlichen Form, die Arbeitgeberin in der weiblichen Form genannt; selbstverständlich sind beidseitig auch das andere Geschlecht miteinbezogen.

Member werden Newsletter