Probezeit: Drum prüfe, wer sich ewig bindet …
Passende Arbeitshilfen
Ich kann diesen Artikel auf verschiedene Arten beginnen. Zum Beispiel damit, dass eine Freundin von mir kürzlich im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens zu zehn Gesprächen eingeladen worden ist (für dieselbe Position!). Eine andere Kollegin wurde gar für geschlagene 18 Gespräche aufgeboten. Wenn man diese Zeit überschlagsmässig mit durchschnittlichen Managersalären (es waren Managerpositionen) mal Zeit hochrechnet, kommt man im Minimum auf einen hohen vierstelligen Betrag, welcher mit diesen Gesprächen verbraten worden ist. Meine Kollegin, die mit den 18 Interviews, ist übrigens bereits nicht mehr an dieser Stelle.
Ich könnte Ihnen zum Anfangen aber auch erzählen, wie sich Arbeitgeber bisweilen fühlen, wenn sie von zeitlichem und sachlichem Kündigungsschutz hören, von den Risiken von Krankheit, Kündigungen und Sperrfristen – und von all den Kosten, welche diese gesetzlichen Instrumente verursachen können, wenn man sich von einem ungeeigneten Arbeitnehmer trennen möchte.
Doch egal, welchen Anfang ich nehme: Es ist dasselbe, was ich damit sagen will: Ob eine Zusammenarbeit (oder ein Zusammensein, ein gemeinsames Projekt etc.) funktioniert oder nicht, merkt man nicht bei zehn Interviews und auch nicht bei 18, man merkt es nicht während der ersten paar Dates und nicht am begeisterten Anfang eines Projekts. Man merkt es später, wenn man die Partner, Arbeitskolleginnen oder Vorgesetzten im Alltag erlebt. Wenn das Vorzeigegesicht abgelegt worden ist. Wenn die Leute sich selbst sind.
Kündigung in der Probezeit
Unser Gesetzgeber wusste das und schuf deshalb das Instrument der Probezeit – und damit einen Zeitraum zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses, während dem man sich tiefer und vor allem im Arbeitsalltag kennenlernen und prüfen kann, ob es passt oder eben nicht, fachlich und persönlich. Doch ich stelle fest, dass für den Einstellungsprozess enorme Ressourcen verbraucht werden und das eigentlich viel geeignetere Instrument, nämlich die Probezeit, ein Mauerblümchendasein fristet und oft nicht genutzt wird. Wie wenn in den Köpfen das Thema nach der Unterschrift auf dem Vertrag abgeschlossen wäre. Eine vergebene Chance. Eine gut genutzte Probezeit kann einem viel Kosten und Ärger sparen. Wie, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. Doch bevor wir über einen gewinnbringenden Umfang mit der Probezeit sprechen, zuerst ein paar grundlegende Facts:
- Die Probezeit hat ihre rechtliche Grundlage in Art. 335b Abs. 1 OR. Fast schon beiläufig wird sie im zweiten Teilsatz dieser Bestimmung definiert, nachdem im ersten Teilsatz bereits wie selbstverständlich Rechtsfolgen an sie angeknüpft werden. Gemäss Gesetz gilt damit der erste Monat eines Arbeitsverhältnisses als Probezeit. Dies gilt von Gesetzes wegen, sofern keine abweichenden schriftlichen Vereinbarungen zur Probezeit getroffen werden (Art. 335b Abs. 2 OR).
- Die Probezeit darf durch die erwähnte schriftliche Vereinbarung auf höchstens drei Monate verlängert werden (Art. 335b Abs. 2 OR).
PRAXISTIPP: Schriftlich meint übrigens, dass das entsprechende Dokument handschriftlich unterzeichnet werden muss. Elektronische Signaturen mit dem in Mode gekommene DocuSign (oder ähnliche Angebote, welche elektronische Signaturen ermöglichen, ohne dass die Signatur validiert und der Unterzeichner identifiziert ist) reichen dafür nicht aus.
- Die Probezeit beginnt mit dem tatsächlichen Stellenantritt und kann nicht verlängert werden, ausser in gewissen Ausnahmefällen (dazu unten mehr).
- Verlängert wird die Probezeit nur, wenn sie durch Krankheit, Unfall oder Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht (z.B. Militär) effektiv verkürzt worden ist. Diese Aufzählung ist abschliessend. Will heissen, andere Verhinderungsgründe, obschon diese genauso zu einer effektiven Verkürzung der Probezeit führen können (z.B. Betreuungsurlaub, freie Tage, Ferien), verlängern die Probezeit nicht.
- Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sieben Tagen gekündigt werden, von beiden Parteien. «Tage» meint «Kalendertage», nicht «Arbeitstage». «Sieben Tage» sind dispositiv, das heisst auf Normaldeutsch: Die Parteien können auch eine andere Vereinbarung über die Dauer der Probezeitkündigungsfrist treffen. Sie kann länger sein, aber auch kürzer.
PRAXISTIPP: Meiner Erfahrung nach werden Probezeitkündigungen meistens mit sofortigen Freistellungen (oder mit Arbeitsunfähigkeitszeugnissen) verbunden – eine Verlängerung der Kündigungsfrist ist daher nicht gewinnbringend, im Gegenteil. Die Kündigungsfrist während der Probezeit kann übrigens auch gänzlich wegbedungen werden.
- Probezeitkündigungen erfolgen immer auf ein beliebiges Datum hin – dies im Unterschied zu ordentlichen Kündigungen, bei denen das Gesetz ohne abweichende vertragliche Vereinbarungen die Kündigung auf das Ende eines Monats vorsieht.
PRAXISTIPP: Man kann eine Stelle übrigens bereits vor Stellenantritt kündigen. Unklar und gerichtlich nicht geklärt ist nur, wann in diesem Fall die Kündigungsfrist zu laufen beginnt – ob mit der Kündigung oder ob erst ab dem vereinbarten Start des Arbeitsverhältnisses.
- Die gekündigte Partei muss eine Probezeitkündigung noch innerhalb der Probezeit empfangen. Die Kündigungsfrist kann dahingegen aber auch erst nach Ablauf der Probezeit ablaufen.
- Während der Probezeit ist der Arbeitnehmerschutz noch weitgehend ausgesetzt. Zum Beispiel finden die Bestimmungen zum zeitlichen Kündigungsschutz (Stichwort «Sperrfristen») noch keine Anwendung.1 Siehe dazu später mehr.
Nach diesen einführenden Bemerkungen nun zur Frage, wie man das Beste aus der Probezeit herausholt.
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Die Probezeit nutzen
Das erste und meines Erachtens wichtigste Element ist, dass man sich überhaupt bewusst macht, dass diese Zeit zur Verfügung steht und man während ihr noch leicht die Reissleine ziehen kann, sollte sich erweisen, dass die Zusammenarbeit doch nicht so funktioniert wie erwartet. Denn dieses Bewusstsein, gepaart mit der Erkenntnis, dass man sich ohnehin nicht an zehn (oder 18) Gesprächen kennenlernt, sondern erst im Arbeitsalltag, führt zunächst einmal zu einem entspannteren Einstellungsprozess. Statt alle Beteiligten mit zehn (oder 18) Vorstellungsgesprächen zu nerven, kann man es vielleicht mal mit fünf (oder drei?) gut sein lassen und die Zusammenarbeit angehen, wohl wissend, dass noch ganze drei Monate2 zur Verfügung stehen für die vertiefte Prüfung der neu eingestellten Person.
Weiter führt ein bewusstes Nutzen der Probezeit nach meiner Erfahrung zu einer strukturierteren Einarbeitung. Denn wer innerhalb von drei Monaten (einigermassen) qualifiziert beurteilen können will, ob die eingestellte Person wirklich in das Profil passt oder nicht, braucht einen gut definierten Aufgabenbereich und Zielvorgaben, an denen man Leistungen bereits früh zumindest abschätzen kann. Dass das bei Weitem nicht in allen Betrieben so ist, haben Sie bestimmt auch schon erlebt. Und dass keiner während der Probezeit mit Ihnen zusammensitzt, Feedback gibt und Verbesserungspotenzial aufzeigt, sondern dass Sie einfach alleine im kalten Wasser rumpaddeln und sich mehr oder weniger alles selber erarbeiten, wohl auch. Das Licht, welches solche Situationen auf die Strukturen der Arbeitgeberin werfen, spricht für sich (und ist vielleicht ein Grund für eine Arbeitnehmer-Probezeitkündigung).
Strukturen bringen auch mit sich, dass mit dem Coaching von Kandidaten, welche den Vorstellungen nicht entsprechen, möglichst früh angefangen werden kann. Spätestens nach dem ersten Monat zeichnet sich ab, wenn jemand die Erwartungen nicht erfüllt. Meine Empfehlung ist, dies dem Mitarbeitenden mitzuteilen und Ziele vorzugeben, die bis zum Ende des zweiten Monats zu verbessern sind. Dies ist auch der (späteste) Zeitpunkt des zweiten Meetings, an dem entweder weitere Ziele gesteckt werden oder aber über die Ursachen einer möglichen Non- Performance nachgedacht werden kann. Im dritten Monat, im Schlussspurt sozusagen, sollte ein schwacher Kandidat genau beobachtet werden, sodass rechtzeitig eine allfällige Kündigung ausgesprochen werden kann (siehe oben).
Arbeitszeugnis nach einer Probezeitkündigung?
Neben diesen Vorteilen, die zeitliche und finanzielle Entlastungen darstellen sowie die Strukturen innerhalb von Unternehmungen verbessern können, bietet auch das Arbeitsrecht einen leichten Exit während dieser Zeit. Wie oben bereits erwähnt, greift der zeitliche Kündigungsschutz bei Probezeitkündigungen noch nicht. Arbeitsunfähigkeitszeugnisse nach Arbeitgeberkündigungen lösen mit anderen Worten keine Sperrfrist aus und unterbrechen damit die Kündigungsfrist nicht (Art. 336c Abs. 1 OR). Da der Sinn und Zweck der Probezeit gerade im gegenseitigen Beschnuppern und Kennenlernen liegt, sind auch die Schwellen von treuwidrig anzusehenden Kündigungen sehr hoch angesetzt – im Grundsatz darf davon ausgegangen werden, dass der Zweck der Probezeit den sachlichen Kündigungsschutz verdrängt.3 Auch die unbeliebten Umtriebe mit den Formulierungswünschen in Arbeitszeugnissen fallen weitgehend weg – bei so kurzen Anstellungen werden in der Regel lediglich Arbeitsbestätigungen ausgestellt und keine Vollzeugnisse (weil man nach so kurzer Zeit die Leistungen einer Person noch nicht qualifiziert beurteilen kann). Und zudem haben Arbeitnehmende, die während der Probezeit krankheitsbedingt arbeitsunfähig werden, noch keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Auch diese Pflicht setzt erst nach Ablauf dieser erster drei Monate ein.
PRAXISTIPP: Wenn im Arbeitsvertrag allerdings unbedachte Formulierungen verwendet und zudem vom Tag 1 an Abzüge für eine allfällige Krankentaggeldversicherung gemacht werden, gibt man diesen Vorteil aus der Hand, weil das Bundesgericht für diesen Fall statuiert, dass die arbeitnehmende Person in guten Treuen davon ausgehen darf, dass sie auch von Tag 1 an versichert ist, wenn sie schon Prämien bezahlt.
Zusammenfassend offeriert das Gesetz mit der Probezeit also ein sehr handliches Instrument, welches gleichzeitig ein gutes Kennenlernen, aber im Bedarfsfall auch eine rasche und weitestgehend schmerzlose Trennung ermöglicht. Es spricht gar nichts dagegen, diese Vorteile bewusst(er) zu nutzen.
Quellen und Hinweise
1 Bitte beachten, dass bei Lehrverträgen und in Personalverleihverhältnissen Ausnahmen gelten können. Darauf wird hier nicht eingegangen.
2 Entsprechende vertragliche Vereinbarung vorausgesetzt, sonst gilt der gesetzlich vorgesehene Monat.
3 Kündigt die Arbeitgeberin allerdings aus Gründen, die bereits vor Stellenantritt bekannt waren, so greifen die Bestimmungen zur missbräuchlichen Kündigung.