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Kennzahlenanalyse: Operative Risiken erkennen und die Kosten senken

Mit Kennzahlenanalysen werden Verhältniszahlen betriebswirtschaftlich relevanter Grössen gebildet und zueinander in Beziehung gesetzt, wobei die verwendeten Zahlen einen sachlichen Zusammenhang haben müssen. Allgemein werden Kennzahlen zur Darstellung und Analyse der gegenwärtigen oder vergangenen Finanzsituation eines Unternehmens auf der Basis von Jahresabschlussgrössen gebildet. Der Unternehmensleitung dient die Kennzahlenanalyse als Entscheidungsinstrument, um dem obersten Ziel der Finanzkontrolle, der Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts entgegenzukommen.

15.03.2024 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Kennzahlenanalyse

Viele Unternehmen besitzen bereits ein Raster für Kennzahlen, beispielsweise haben sie eine Balanced Scorecard implementiert. Bisher waren Risiko-Kennzahlen kein Bestandteil einer Balanced Scorecard. Die Unternehmen sehen sich heutzutage aber mit einem immer grösser werdenden Ausmass von Risiken konfrontiert. Angesichts dessen könnte eine Anreicherung der Balanced Scorecard mit Risiko-Kennzahlen in Frage kommen.

Interessanterweise setzen auch externe Revisoren Kennzahlen an, um einen groben Überblick über die allgemeine Lage des Unternehmens zu gewinnen. Zu Beginn der Abschlussprüfung analysieren sie im Rahmen einer kritischen Durchsicht die Kennzahlen aus der Jahresrechnung und gehen den daraus resultierenden Hinweisen sorgfältig nach.

Kennzahlen können mit so genannten Branchenkennzahlen oder im Zeitablauf von mehreren Wirtschaftsjahren verglichen werden. Treten nun grosse Abweichungen zum Branchenmittel auf, oder verändern sich die Kennzahlen in Schlüsselbereichen der Jahresabrechnung signifikant, könnte dies ein Hinweis auf beispielsweise Bonitätsschwächen und Liquiditätsprobleme sein. Wie bei jeder Analyse muss diesen Hinweisen nachgegangen und Erklärungen für diese Abweichungen müssen gesucht werden.

Grundsätze zum Einsatz von Kennzahlen

Kennzahlenanalysen ergeben nicht in jedem Fall sinnvolle und brauchbare Ergebnisse. Einige Prämissen müssen erfüllt sein, damit Kennzahlenanalysen wirkungsvoll eingesetzt werden können.

  • Kennzahlen sind nur aussagekräftig, wenn sie auf effektiven Zahlen abgestützt sind. Hier spielt das Bewertungsproblem eine Rolle. Gemäss dem Schweizer Obligationenrecht gibt es Wahlrechte, wie z.B. bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, die berücksichtigt werden müssen. Zudem erlaubt das Obligationenrecht auch die Bildung von stillen Reserven. Wenn Kennzahlen auf bilanzpolitisch gefärbten Ausgangsdaten basieren, kann es zu Fehleinschätzungen bei der Kennzahleninterpretation kommen. Die Voraussetzung ist also, dass in einer Nebenrechnung zunächst die tatsächlichen Ausgangsdaten für die anschliessende Kennzahlenermittlung zusammengestellt werden müssen, was wiederum bedingt, dass neben der Finanzbuchhaltung auch eine Betriebsbuchhaltung geführt wird.
  • Kennzahlen müssen über einen längeren Zeitraum betrachtet werden, um sinnvolle Hinweise auf Fehlentwicklungen zu liefern. Die Basisdaten, auf der die Kennzahlenanalyse und -interpretation basiert, müssen stets vergleichbar sein, was eine konsistente Finanzbuchhaltung und die Einhaltung des Grundsatz der Stetigkeit im Hinblick auf Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden voraussetzt.
  • Bei der Kennzahlenanalyse werden signifikante Abweichungen der Ist-Kennzahlen von den Plan- bzw. Soll-Kennzahlen besonders beachtet. Um aber eine Abweichung gewissenhaft feststellen zu können, braucht es zuverlässiges Referenzmaterial. Kennzahlenvergleiche über die Zeit sowie Branchenkennzahlen, wie sie z.B. durch Verbände in der Schweiz zur Verfügung gestellt werden, können dazu beigezogen werden. Vorteilhaft ist, dass es sich beim Branchenvergleich um externe Daten handelt, die dadurch einen objektivierten Eindruck vermitteln können. Allerdings werden Branchenkennzahlen regelmässig durch einen spezifischen Branchenverband erhoben, der damit auch politische Absichten verfolgt, wenn er eine Vielzahl von Mitgliedsbetrieben befragt. Der Wahrheitsgehalt der angegeben Zahlen kann in der Regel nicht überprüft werden, und so besteht die Möglichkeit, dass die erhobenen Daten politisch motivierte Eindrücke vermitteln können. Die angegebenen Zahlen sind oft sehr hoch verdichtet und geben häufig nur Mittelwerte der gemeldeten Daten wieder. Darüber hinaus ist auch der Faktor Zeit zu berücksichtigen, denn es vergehen zum Teil mehrere Monate bis Jahre, bis die Zahlen erhoben, ausgewertet und veröffentlich werden. Wenn dann eine bestimmte Unternehmung ihre Zahlen mit diesen Branchenkennzahlen vergleicht, sind die Ergebnisse aufgrund der bereits veränderten Marktsituation und Rahmenbedingungen oft nicht mehr verlässlich.
  • Eine andere Möglichkeit, Referenzmaterial zu generieren, ist der “Soll/Ist Vergleich”. Grundsätzlich wird dazu eine Sollvorgabe (beispielsweise ein Budget) für eine Periode erarbeitet und am Ende mit der effektiven “Ist-Situation” verglichen. Weist dieser Vergleich signifikante Abweichungen auf, müssen detaillierte Nachforschungen angestellt und Erklärungen für diese Veränderung gefunden werden. Lassen sich keine plausiblen Erklärungen finden, könnte dies auf fraudulente Handlungen hinweisen.
  • Die Analyse ist nur verlässlich, wenn die Soll-Vorgabe bestimmte Prämissen erfüllt. So muss die “Soll-Situation” unabhängig bestimmt werden, d.h., die Person, die Sollvorgabe errechnet, darf nicht am Ende der Periode den Soll/Ist-Abgleich vornehmen. Sinngemäss findet hier die Funktionentrennung gemäss IKS Anwendung. Um eine Vergleichbarkeit von Soll- und Ist-Werten zu gewährleisten, müssen zudem die gleichen Beurteilungskomponenten, dieselben Rahmenbedingungen und Parameter vorherrschen.
  • Es sollten nicht nur solche Kennzahlen analysiert werden, die auffällige Veränderungen aufweisen, denn gegebenenfalls handelt es gerade hierbei um eine bestimmte Kennzahl, die sich während einer Periode hätte verändern müssen, sodass ein Ausbleiben von Veränderungen eben nicht den Normalzustand beschreibt.

Geeignete Risiko-Kennzahlen

Welche Kennzahl für eine Unternehmung geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Die Branchenzugehörigkeit, die Grösse einer Unternehmung und weitere Faktoren stellen spezifische Anforderungen an die Kennzahlenanalyse. In Abhängigkeit von der jeweiligen Branchenzugehörigkeit sind die Bereiche in einer Unternehmung unterschiedlichen Risiken ausgesetzt. Nachfolgend werden Kennzahlen in ausgewählten Bereichen behandelt.

Personalbereich

Dieser Bereich wurde mehrfach genannt. Bei den meisten Unternehmen macht der Personalaufwand einen grossen Anteil des Gesamtaufwandes aus. Es erscheint daher sinnvoll, diesem Bereich spezielle Aufmerksamkeit zu schenken, um Hinweise auf mögliche kriminelle Handlungen zu erhalten.

Hier bietet sich ein Soll/Ist Vergleich an: Die Geschäftsleitung erstellt zu Beginn jeden Jahres ein detailliertes Budget für den voraussichtlichen Personalaufwand, was den Soll-Wert ergibt. Am Ende des Jahres wird dieser mit dem Ist-Wert, dem tatsächlichen Personalaufwand verglichen. Jede Abweichung verlangt nun nach einer plausiblen Begründung.

Im Personalbereich muss auch dem Anreiz- und Vergütungssystem Beachtung geschenkt werden. Einseitig, nur auf finanzielle Erfolgsgrössen ausgerichtete Anreiz- und Vergütungssysteme, können Mitarbeiter dazu verleiten, Zahlen zu manipulieren, um höhere Boni zu kassieren, woraus zugleich ein Risiko für das Unternehmen resultieren kann. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Ausgewogenheit der Vergütungssysteme.

Ein weiterer wichtiger Hinweis kann die Mitarbeiterzufriedenheit liefern. Wenn die Motivation der Mitarbeiter in der Buchhaltung oder im Lager niedrig ist, kann das zu einem hohen Risikopotenzial führen, wobei die Mitarbeitermotivation allerdings eher schwer zu messen ist und daher nur durch direkte Mitarbeiterbefragungen erhoben werden sollte und keinesfalls über Ersatz-Indikatoren wie Fluktuationsrate, Beschwerdehäufigkeit oder andere. Ein häufiger, eingesetzter Indikator für die Mitarbeiterzufriedenheit ist die Kennzahl Krankheitstage, bei der man davon ausgeht, dass eine zunehmende Anzahl von Krankheitstagen auf eine niedrige Motivation bei den Mitarbeitenden schliessen lässt. Es braucht nicht viel Sachverstand, um festzustellen, dass diese Kennzahl weit hergeholt erscheint und nur bedingt als sinnvoller Indikator einsetzbar ist, weil zahlreiche weitere Faktoren wie die Arbeitsumgebung, das Betriebsklima, die Arbeitsplatzsicherheit und vor allem externe Faktoren (Jahreszeit, Grippewelle etc.) Einfluss auf die Ausprägung dieser Kennzahl haben.

Eine weitere Kennzahl im Personalbereich ist die Überstundenquote, die angibt, wie viele Überstunden die Mitarbeitenden leisten und von der man ausgeht, dass motivierte Mitarbeitende bereit sind, mehr Überstunden zu leisten als weniger motivierte Mitarbeitende. Allerdings wird vor allem im Bereich des Forensic Accounting immer wieder darauf hingewiesen, dass ein übermässiger Eifer bei Einzelnen auch als so genannte Red Flag, also als Signal für deliktische Handlungen, hinweisen kann. Wenn beispielsweise Personen keine bzw. nur sehr ungern Ferien nehmen und sogar regelmässig an Wochenenden arbeiten, kann dies eine Red Flag für Fraud sein. Vertuschungshandlungen werden bevorzugt zu ruhigen Zeiten durchgeführt, wenn keine anderen Mitarbeiter zugegen sind.

Vorräte und Lager

An risikoorientierten Kennzahlen in Verbindung mit dem Vorratsbereich bzw. Lager mangelt es nicht, da das Risikopotenzial in diesem Vermögensbereich für viele Unternehmen von vergleichsweise hoher Bedeutung ist. Dies dürfte allerdings mit der Branchenzugehörigkeit variieren und ebenso mit der Werthaltigkeit der gelagerten Güter.

Eine häufige eingesetzte Kennzahl, die bereits früh auf mögliche Risiken hinweist, ist der Lagerumschlag:

Lagerumschlag = Selbstkosten des Umsatzes : durchschnittlicher Wert des Vorratsbestandes

Der Lagerumschlag beschreibt die Häufigkeit, mit der das Vorratsvermögen während der Periode verkauft wird. Je höher diese Kennzahl normalerweise ist, desto besser ist die Effizienz im Bereich Einkauf, Produktion und Verkauf. Ein abrupter Rückgang oder Anstieg des Lagerumschlags kann aber auf ein steigendes Risiko im Vorratsbereich hinweisen. In diesem Zusammenhang empfiehlt sich ebenso zu hinterfragen, ob die Veränderung des Lagerumschlags durch Produktänderungen ausgelöst wurde und ob Einkauf und Produktion über diese Produktänderungen informiert sind.

Auch die Auswertung der Inventuren kann Rückschlüsse auf die Qualität der Lagerbestandsführung geben. Hierbei ist zu hinterfragen, inwiefern der Ablauf der Inventuren organisatorisch geregelt ist und wie das Thema "Schwund" bzw. Inventurdifferenzen behandelt wird.

Debitoren

Im Bereich der Forderungen bildet die Kennzahl "Kundenziel" einen wichtigen Risikoindikator, den es zu beobachten gilt:

Kundenziel = Durchschnittlicher Forderungsbestand x 365 : Umsatzerlöse

Das Kundenziel ist der Zeitraum, in dem Debitoren ihre Forderungen begleichen und misst damit die Altersentwicklung der Forderungen. Diese Kennzahl kann als erster Untersuchungsschritt in Richtung fiktive Forderungen oder Diebstähle verwendet werden. Generell ist ein möglichst tiefes Zahlungsziel anzustreben, denn dann werden die ausstehenden Zahlungen rasch beglichen.

Normalerweise entwickelt sich diese Kennzahl regelmässig. Es muss allerdings beachtet werden, dass eine Veränderung des Geschäftsumfeldes oder der Rahmenbedingungen die Kennzahl abrupt ändern kann. Wird beispielsweise neu Skonti für rasches Zahlen gewährt, wird sich das Zahlungsziel schlagartig verändern. Auch der Kundenstamm spielt eine Rolle. Beispielsweise wenn die Unternehmung sich für Exporte nach Südeuropa entscheidet, wo eine ganz andere Zahlungsmoral herrscht, wird die Kennzahl dadurch beträchtlich beeinflusst. Die Zahlungsmoral kann sich in einem bestimmten Land, wie auch das Beispiel der Schweiz zeigt, von Jahr zu Jahr verändern. Auch ausserordentliche Situationen wie das Ausfallen eines bedeutenden Debitors verändern die Kennzahl abrupt. In dem Zusammenhang sollte das Zahlungsverhalten der Kunden innerhalb der Branche bekannt sein und beobachtet werden.

Die genannten Faktoren müssen bei der Betrachtung dieser Kennzahl unbedingt beachtet werden. Wenn sich die Kennzahl nun aber stark erhöht und dafür keine plausiblen Erklärungen vorliegen, könnte das ein Risikohinweis beispielsweise hinsichtlich der Existenz von Scheinforderungen sein. Scheinforderungen werden nämlich nicht regelmässig nicht beglichen, was den durchschnittlichen Forderungsbestand und damit die gesamte Kennzahl erhöht. Ein weiteres Anliegen sollte sich mit der Frage befassen, ob nicht im Rahmen des Mahnwesens analysiert werden kann, wie es mit der Entwicklung der Kundenzufriedenheit steht.

Bereich der liquiden Mittel

Der Bereich der liquiden Mittel (Kasse, Bank, Post) weist ein besonders grosses Risiko-Potenzial auf, da dieser Bereich für potenziellen Betrug, Unterschlagung und Diebstahl immer wieder im Zentrum steht.

Grundsätzlich ist die Organisation der Kassen- und Bankbuchhaltung so zu regeln, dass die Gewährleistung des Vier-Augen-Prinzips sichergestellt ist. Eine relativ einfache Methode zur Entdeckung von Unregelmässigkeiten kann durch den regelmässigen Abgleich der Ein- und Ausgänge des Bankkontos mit dem Hauptbuchkonto Bank erreicht werden. Wenn gewisse Beträge auf das Bankkonto zufliessen und dann gleich abgezweigt werden und damit sofort abfliessen, ohne je in der Buchhaltung erfasst zu werden, besteht keine Möglichkeit, den Fraud mittels Kennzahlen, basierend auf der Finanzbuchhaltung, zu entdecken. Sind nun die Umsätze der Ein- und Ausgänge der beiden Konten unterschiedlich, könnte es sich um eine Red Flag handeln, das Potenzial für deliktische Handlungen anzeigt und dem deshalb nachgegangen werden sollte.

Liquiditäts- und Bonitätsschwächen sind ein wichtiges Risiko-Signal für die Unternehmung. Eine kurz- und mittelfristige Finanz- und Liquiditätsplanung sind ein absolutes Muss und sollte zudem wichtige Finanzkennzahlen wie Liquiditätsgrade und Verschuldungsgrade angeben. Vor allem die Zusammenarbeit mit den Banken des Unternehmens ist zu pflegen. Dazu gehört beispielsweise, die Hausbank in Unternehmenspläne einzubeziehen. Anzustreben ist eine Vereinbarung mit der Bank, die eine flexible Handhabung der Kreditlinien im Rahmen festgelegter Grenzen sicherstellt. Dies erfordert allerdings Vertrauen von Seiten der Bank, welches nur dadurch aufgebaut werden kann, dass eine regelmässige Kommunikation stattfindet und auch die Eigenkapitalquote des Unternehmens wenigstens die branchenübliche Höhe aufweist. Im Rahmen der langfristigen Kapitalbedarfsplanung sollte mit der Bank zudem abgestimmt werden, welche Finanzierungsmöglichkeiten von dieser mitgetragen werden.

Ein “Soll/Ist Vergleich” ist auch im Bereich der liquiden Mittel zu empfehlen. Dieser kann beispielsweise monatlich stattfinden, wobei zum Anfang eines jeden Monats ein Finanzbudget erstellt wird und anschliessend Ende des Monats mit dem tatsächlichen Geldbestand verglichen werden kann. Auffälligkeiten im Bereich von Budgetabweichungen sollte dann unbedingt nachgegangen werden. Diese Methode ist explizit nur anwendbar, wenn das Vier-Augen-Prinzip eingehalten wird und das Budget und die Kontrolle von zwei verschiedenen Personen gemacht werden.

Grenzen der Kennzahlenanalyse

Bereits zu Beginn wurden Prämissen genannt, die unbedingt erfüllt sein müssen, damit Kennzahlenanalysen sinnvoll eingesetzt werden können. Kennzahlenanalysen sind aber nur begrenzt hilfreich, um in der Praxis operative Risiken zu entdecken. Die Grenzen werden im Folgenden dargestellt.

  • Kennzahlenanalysen im Allgemeinen weisen den Nachteil auf, dass sie vergangenheitsbezogen sind und sich auf die Zahlen der Vorperioden stützen. Die Kennzahlen basieren damit auf relativ alten Daten, was eine Früherkennung von Risiken erschwert. Zudem sind Bilanzkennzahlen stichtagsbezogen, wobei operative Risiken aber meist über einen Zeitraum hinweg eintreten und möglichweise zu einem bestimmten Stichtag nicht erkennbar sind. Zudem kann die Situation einige Zeit nach dem spezifischen Stichtag schon wieder ganz anders aussehen. Diese Faktoren verringern die Wahrscheinlichkeit, operative Risiken mittels Kennzahlenanalysen festzustellen.
  • Veränderungen von Kennzahlen an sich sind kein Beweis für operative Risiken und es ist nicht möglich, mittels Kennzahlenanalysen tatsächlich bestehende Geschäftsrisiken aufzudecken. Kennzahlenanalysen können höchstens Hinweise oder Red Flags auf Risiken liefern. Eine Vielzahl von Faktoren wie Veränderungen im Geschäftsablauf oder im wirtschaftlichen Umfeld können Kennzahlen beeinflussen. Wann immer sich Kennzahlen ändern, müssen die damit verbundenen Konten und Basisdaten untersucht werden. Diesen Veränderungen muss sorgfältig nachgegangen werden, wobei die Möglichkeit des Eintretens operativer Risiken ebenfalls in Betracht gezogen werden muss.
  • Insbesondere im Fall von Bilanzpolitik ist es schwierig, mittels Kennzahlen der Bilanz und Erfolgsrechnung operative Risiken in der Erfolgs-, Finanz- und Ertragslage zu identifizieren. Allerdings sollte dies unternehmensintern kein Problem sein, da man ja intern an die bereinigten Zahlen gelangen können sollte, um diese der Kennzahlenberechnung zugrunde zu legen. Es empfiehlt sich stets auch ein Dialog mit dem Abschlussprüfer, der ebenso eine Erklärung für eine positive oder negative Entwicklung von Kennzahlen besitzt und zudem die Risiken im operativen Bereich beurteilen kann, wenn sie sich in Buchführung und finanzieller Berichterstattung niedergeschlagen haben.
  • Bei der Kennzahlenbildung werden die Daten stark aggregiert. Aus diesem Grund können sie nur einen allgemeinen, groben Überblick und Eindruck verschaffen, den es anschliessend im Detail zu analysieren gilt. Oftmals beeinflussen zudem viele unterschiedliche Faktoren eine Kennzahl. Im schlimmsten Fall gleichen sich zwei operative Risiken sogar gegenseitig aus, und die gewählten Kennzahlen liefern nicht einmal einen Hinweis.
  • Kennzahlenanalysen sind nur bedingt geeignet, wenn es darum geht, Risikobereiche im operativen Geschäft einer Unternehmung aufzudecken. Oftmals liegt die durch eintretende operative Kleinst-Risiken ausgelösten Vermögensverluste im Vergleich zur Umsatz- oder Bilanzsumme im Streubereich, was eine Entdeckung mittels Kennzahlen unmöglich macht.
  • Kennzahlen können nicht für Bereiche gebildet werden, wo es keine Aufzeichnungen gibt. Die Experten erwähnten dazu das "Abfall-Problem". Geringwertiges entzieht sich der Kontrolle und wegen des mangelnden Interesses daran gibt es auch keine Aufzeichnung und Basisdaten für Kennzahlen. In gewissen Branchen sollte aber den Abfällen eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt werden, da der Diebstahl daraus, wie beispielsweise bei Kupfer, der Unternehmung einen bedeutenden Vermögensschaden zufügen kann. Wirtschaftskriminelle Handlungen werden in solchen Fällen zur Gewohnheit. Wenn nun Kennzahlen im Jahresvergleich betrachtet werden, können nur die Abweichungen von Jahr zu Jahr entdeckt werden. Delikte, die bereits in der Vorperiode begangen wurden, können im Folgejahr nicht entdeckt werden, da sich die Kennzahl nicht verändert. Über die Jahre kumuliert sich dann der Vermögensschaden und führt zu einem hohen Risiko.

Zusammenfassung und Fazit

Die Identifizierung operativer Risiken mittels Kennzahlen kann massgeblich zur Frühbeurteilung beitragen. Dies erfordert allerdings ein Vorliegen geeigneter Ausgangsdaten, die vielfach erst noch um bilanzpolitische Einflüsse korrigiert bzw. bereinigt werden müssen. Vor allem die Erwartung, durch Kennzahlenvergleiche Risiken leicht zu entdecken, sind selten. Das liegt daran, dass Kennzahlenvergleiche über die Zeit oftmals kein eindeutiges Bild liefern und Kennzahlenvergleiche unter Einsatz von Branchenkennzahlen ebenfalls kein objektives Bild der Risikolage einer Unternehmung abgeben, weil Branchenkennziffern ihrerseits "politisch" gefärbt sein können und somit die Kennzahleninterpretation erschweren.

Entscheidungsrelevante Kennzahlen lassen sich daher vor allem auf der Datenbasis des internen Rechnungswesens einer Unternehmung ermitteln. Empfehlenswert ist zudem der Einsatz von Schwellenwerten für die einbezogenen Kennzahlen, welche individuell festzulegen sind. Erst wenn sich Kennzahlen ausserhalb solcher vorgegebener Bandbreiten bewegen, muss die Aufmerksamkeit des Managements erreicht werden. Da sich operative Risiken nicht unbedingt täglich ändern, empfehlen sich Sonderanalysen in Bereichen wie Lieferantenausfälle, Reklamationen und Produkthaftung oder den Verlust von Kunden.

Kennzahlenanalysen sind aber keine bürokratische Übung. Werden operative Risiken frühzeitig erkannt, so können notwendige Gegensteuerungsmassnahmen eingeleitet und entsprechende risikobedingte Kosten gesenkt werden. Die Erfahrung zeigt dabei, dass zahlreiche operative Risiken bereits durch entsprechende organisatorische Massnahmen reduziert oder sogar vermieden werden können.

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