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Financial Leverage: Rendite oder Risiko?

Die Kapitalstruktur einer Unternehmung beschreibt wie sich das Gesamtkapital (entspricht den Passiven in der Bilanz) auf Eigen- und Fremdkapital verteilt. Vor allem durch die Kennzahlen Eigenfinanzierungsgrad und Verschuldungsgrad wird die Kapitalstruktur im Rahmen der Finanzanalyse beobachtet, wobei ein hoher Verschuldungsgrad geradezu als Risikoindikator bewertet wird, von dem auch Rückwirkungen auf die Bonität der Unternehmung ausgehen. Dennoch ist ein höherer Verschuldungsgrad nicht per se schlecht, sondern nur dann, wenn das Unternehmen operativ nicht erfolgreich wirtschaftet. Den Zusammenhang zwischen positiven Renditewirkungen im Zusammenhang mit einem steigenden Verschuldungsgrad einerseits und möglichen negativen Risikoeffekten und Bonitätsverschlechterungen andererseits zeigt der Financial Leverage an.

10.02.2022 Von: Prof. Dr. Thomas Rautenstrauch
Financial Leverage

Entscheidungen zur Kapitalstruktur vor dem Hintergrund des Financial Leverage

Der Financial Leverage gibt das Verhältnis von finanziellem Fremdkapital zum Eigenkapital innerhalb eines Unternehmens an. Darüber hinaus kann es sich auch auf die Einwirkung der Schulden einer Gesellschaft auf deren Betriebsergebnis beziehen.  

Gemeint ist das Ergebnis vor Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen sowie immateriellen Vermögenswerten. Es wird also dabei der Einfluss der Schulden auf die operative, d.h. aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit fliessende, Ertragskraft bewertet. Dies ist besonders bei international tätigen Unternehmen für das Rating von Bedeutung. Es werden die Mittelzuflüsse aus Fremdfinanzierungen in Bezug gesetzt zu den aus dem regulären operativen Geschäft erarbeiteten Beträgen.

    Der Financial Leverage gibt demnach Aufschluss über die Wirkung der eingesetzten finanziellen Fremdmittel auf das Ertragsvolumen. Ein positiver Leverage-Effekt ist dann festzustellen, wenn die Rentabilität des Kapitals, also das Verhältnis des erwirtschafteten Reingewinns zum Eigenkapital, höher liegt als die Zinsen für die Fremdfinanzierung. Bei steigendem Financial Leverage erhöht sich daher auch die Eigenkapitalrendite, ebenso wie dessen Verschuldung. Daraus können allerdings erhebliche Risiken entstehen, auf die die Banken mit der Erhöhung der Zinsen für die nächsten Kredite reagieren, wodurch die Rentabilität des Eigenkapitals weiter sinkt.

    Leverage-Effekt

    Die Formel zur Berechnungen dieses auch als Financial Leverage bezeichneten Leverage-Effektes im Finanzierungsbereich lautet wie folgt: EKR = GKR + FinLev x (GKR - FKZ)  

    Dabei bedeuten:
    EKR = Eigenkapitalrentabilität
    GKR = Gesamtkapitalrentabilität
    FinLev = Financial Leverage (= Fremdkapital / Eigenkapital)
    FKZ = Fremdkapitalzinsen  

    Als Prämisse für diese Formel gilt, dass der Fremdkapitalzins auch bei steigendem Financial Leverage konstant bleibt, was in der Praxis nicht ganz zutreffend ist, da die Bonität eines Schuldners mit steigendem Verschuldungsgrad abnimmt und dadurch die Zinsen für einen eventuellen Kredit steigen. Das gesamte Leverage-Risiko muss daher in dem Umfang zunehmen, in dem die Belastungen aus dem für die Finanzierung aufgenommenen finanziellen Fremdkapital wachsen.

    Beispiel für die Wirkungsweise des Leverage-Effektes

    Ein Unternehmen verfügt über 89.7 Mio. CHF Eigenkapital (Vorjahr: 162.3 Mio. CHF) sowie über ein finanzielles Fremdkapital über 190.3 Mio. CHF (Vorjahr: 172.1 Mio. CHF). Weiterhin hat dieses Unternehmen ein Jahresergebnis nach Steuern von 26.7 Mio. CHF bei einem Zinsaufwand von 9.1 Mio. CHF erzielt.  

    Die Eigenkapitalrentabilität ist gemäss der oben angegebenen Leverage-Formel wie folgt zu ermitteln:  

    1. Ermittlung der Gesamtkapitalrentabilität (hier als Return on invested Capital bzw. ROIC)
      GKR = (Jahresergebnis n. Steuern + Zinsaufwand) / Durchschnittl. Gesamtkapital =
      (26.7+9.1) / [(172.1+ 89.7 + 190.3 + 162.3) / 2]= 11.65%  
    2. Ermittlung des durchschnittlichen Eigenkapitals und der durchschnittlichen Finanzschulden
      Durchschnittliches Eigenkapital = (89.7 + 162.3) / 2 = 126.0
      Durchschnittliche Finanzschulden = (172.1 + 190.3) / 2 = 181.2  
    3. Ermittlung der Kosten für das Fremdkapital (Cost of Debt)
      Cost of Debt = 9.1 *100 / (172.1 + 190.3) / 2 = 5.02%  
    4. Ermittlung Financial Leverage
      Fin. Leverage = Durchschnittl. Finanzielles Fremdkapital / Eigenkapital = 181.2 / 126 = 144%  
    5. Anwendung der Leverage-Formel
      EKR = 11.65% + 144% x (11.65% - 5.02%) = 21.2%  

    Wirkung einer weiteren Verschuldung

    Eine zusätzliche Aufnahme von finanziellem Fremdkapital bewirkt trotz der höheren Zinslast eine Verbesserung sowohl der Gesamt- als auch der Eigenkapitalrentabilität. Dies funktioniert solange, wie die Gesamtkapitalrentabilität oberhalb der Fremdkapitalzinsen liegt. Erst wenn die Zinsen für neues Fremdkapital die Höhe der Gesamtkapitalrentabilität übersteigen, verkehrt sich dieser Effekt ins Negative. Für Unternehmen, bei denen der oben beschriebene Fall zutrifft (Gesamtkapitalrendite > Fremdkapitalzins), lohnt es sich also auch unter Rentabilitätsgesichtspunkten, zusätzliche Kredite bzw. FK aufzunehmen. Da aber die Kennzahl Financial Leverage ansteigen wird, steigt auch das Risiko für die Finanzgläubiger.  

    Fazit

    Den Leverage-Effekt zu kennen und optimal auszunutzen ist wichtig, um die Rendite auf das Eigenkapital im Sinne der Shareholder zu optimieren. Allerdings ist das Risiko eines hohen Financial Leverage zu beachten. Dies gilt vor allem bei steigenden Fremdkapitalzinsen sowie bei einem Einbruch des operativen Ergebnisses. In diesen Fällen kehrt sich der gewünschte Hebeleffekt gerade um und dies erweist sich zumeist als sehr negativ mit der entsprechenden Risikoerhöhung und Bonitätseinbussen für die Unternehmung.

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