Saldosteuersatz: Stolpersteine bei Abrechnungen mit Saldosteuersätzen

Arbeitshilfen Mehrwertsteuer
Saldosteuersätze (SSS)
Die Saldosteuersatzmethode ist in Art. 37 Abs. 1 bis 4 MWSTG vorgesehen. In Art. 37 Abs. 5 MWSTG ist die Pauschalsteuersatzmethode (PSS) vorgesehen, die jedoch nur von gewissen Steuersubjekten angewandt werden darf.
Auf die Unterschiede dieser zwei verschiedenen MWST-Abrechnungsmethoden wird in diesem Fachartikel nicht näher eingegangen. Die nachfolgenden Ausführungen über die Stolpersteine gelten grundsätzlich für beide Abrechnungsmethoden.
Nebst Art. 37 MWSTG gibt es zahlreiche Verordnungsartikel sowie eine Verordnung der ESTV über die Höhe der Saldosteuersätze nach Branchen und Tätigkeiten.
In den nachfolgenden Ausführungen sollen wichtige Stolpersteine der Saldosteuersatzmethode ohne Anspruch auf Vollständigkeit umschrieben und anhand von konkreten Beispielen dargestellt werden. Dieser Fachartikel beinhaltet keine Ausführungen dazu, was die Saldosteuersatzmethode ist und wann es grundsätzlich sinnvoll ist, diese anzuwenden.
Stolpersteine
In der Praxis haben sich oft vier Stolpersteine bei der Saldosteuersatzmethode herauskristallisiert, die immer wieder Anlass zu Aufrechnungen bei der MWST führen: Bezugsteuer, Eigenverbrauch, Ausschlussgrund und Saldosteuersatz. Wie bereits einleitend vermerkt, soll diese Aufzählung keinesfalls vollständig sein.
Stolperstein 1: Bezugsteuer
Die Bezugsteuer stellt grundsätzlich ein Mittel dar, um in- und ausländische Anbieter aus mehrwertsteuerlicher Sicht gleichzustellen. Sie soll dazu führen, dass ausländische Anbieter von inländischen Leistungen durch das Nichterheben der schweizerischen Mehrwertsteuer nicht bessergestellt sind bzw. keinen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber im Inland mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmungen haben. Die gesetzliche Basis für die Bezugsteuer findet sich in Art. 45 MWSTG.
Handelt es sich bei den Leistungsempfängern um bereits mehrwertsteuerpflichtige Personen, besteht die Bezugsteuerpflicht ohne jegliche Betragsschwelle. Dies bedeutet, dass sämtliche steuerpflichtigen Personen ungeachtet ihrer Abrechnungsmethode und Abrechnungsart bezugsteuerpflichtige Leistungen in ihren MWST-Abrechnungen zu deklarieren haben.
Eine steuerpflichtige nach der effektiven Abrechnungsmethode abrechnende Person kann die so deklarierte Bezugsteuer im Rahmen ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigten unternehmerischen Tätigkeit in der gleichen MWST-Abrechnung wieder als Vorsteuer abziehen (sog. Nullsummenspiel).
Ein entsprechender Vorsteuerabzug ist bei der Saldosteuersatzmethode ausgeschlossen, weil die steuerpflichtige Person auf das Vorsteuerabzugsrecht verzichtet bzw. die branchenübliche Vorsteuerabzugsquote in der Höhe des Saldosteuersatzes bereits berücksichtigt wird.
Beispiel
Die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnende steuerpflichtige inländische Unternehmung lässt ihre Buchhaltung durch das Mutterhaus im Ausland erstellen. Dafür bezahlt sie jährlich ein Entgelt von CHF 9000.–. Der Ort der Buchhaltungsleistung befindet sich nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG am Sitz der inländischen Unternehmung, also folglich im Inland. Die ausländische
Muttergesellschaft wird aufgrund solcher Leistungen jedoch im Inland nicht mehrwertsteuerpflichtig. Es handelt sich um eine bezugsteuerpflichtige Dienstleistung.
Die inländische Unternehmung hat die Bezugsteuer in ihrer MWST-Abrechnung unter der Ziffer 382 zu deklarieren. Es gilt zu beachten, dass der Steuerbetrag CHF 693.– beträgt, und nicht etwa den Rechnungsbetrag multipliziert mit dem bewilligten Saldosteuersatz. Da die inländische Unternehmung sich für den Saldosteuersatz entschieden hat, verbleiben die CHF 693.– als definitive Steuerbelastung.
Der Bezugsteuerpflicht ist vor dem Entscheid hinsichtlich der Abrechnungsmethode grosse Beachtung zu schenken. Bei der Anwendung der Saldosteuersatzmethode kann eine sehr hohe Bezugsteuer entstehen, die bei der Anwendung der effektiven Methode unter Umständen zu einem Nullsummenspiel führen würde. Mit den heutigen gültigen Wechselfristen von der Saldosteuersatzmethode zur effektiven Methode von lediglich einer Steuerperiode wurde die Problematik zwar entschärft. Wird die Bezugsteuerpflicht jedoch erst im Nachhinein entdeckt, wird ein rückwirkender Wechsel der Abrechnungsmethode nicht möglich sein.
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Stolperstein 2: Eigenverbrauch
Bei der Anwendung der Saldosteuersatzmethode verzichtet die steuerpflichtige Person auf einen Vorsteuerabzug. Weil die nach der Saldosteuersatzmethode abrechnende steuerpflichtige Person keinen Vorsteuerabzug vornehmen darf, fallen auch verschiedene andere Sachverhalte wie zum Beispiel Eigenverbrauch, Einlageentsteuerung, Vorsteuerkorrekturen und Vorsteuerkürzungen weg. Darum ist diese Abrechnungsmethode administrativ einfacher als die effektive Abrechnungsmethode.
Es gilt aber zu beachten, dass es sich einerseits tatsächlich um einen Sachverhalt handeln muss, der die Vorsteuerseite betrifft. So stellen beispielsweise unentgeltliche Leistungen an das eigene Personal, welche im Lohnausweis aufzuführen sind, Umsatz und nicht Eigenverbrauch dar.
Andererseits sieht Art. 93 MWSTV bei gewissen Sachverhalten Korrekturen bei unbeweglichen Gegenständen vor. Wenn die steuerpflichtige Person zum Zeitpunkt des Erwerbs, des Baus oder des Umbaus des Gegenstands nach der effektiven Abrechnungsmethode die MWST abrechnete und den Vorsteuerabzug vorgenommen hat sowie wenn der Gegenstand von einer effektiv abrechnenden Person im Meldeverfahren übernommen worden ist.
Beispiel
Z AG hatte 2012 eine gewerblich zum Vorsteuerabzug berechtigte Liegenschaft mit MWST erworben. Sie nahm den Vorsteuerabzug in der Höhe von CHF 160 000.– (Kaufpreis [CHF 2 000 000.– ]exkl. 8% MWST) und ohne Wert des Bodens vor.
Im Jahr 2017 wechselte die Z AG zur Saldosteuersatzmethode, die Nutzung der Liegenschaft blieb gleich.
Aufgrund des Geschäftsgangs vermietet die Z AG ab 1.7.2021 die Hälfte der Fläche der Liegenschaft.
Die Vermietung hat aufgrund der Saldosteuersatzmethode ohne MWST zu erfolgen, da eine Option nicht möglich ist. Dementsprechend fällt mit Wirkung per 1.7.2021 eine Nutzungsänderung an, die eine Korrektur trotz Saldosteuersatzmethode auslöst.
Die Z AG hat CHF 42 350.– aufgrund der Nutzungsänderung an die ESTV zu bezahlen (55% von CHF 2 000 000.– mal 7,7% geteilt durch 2).
Stolperstein 3: Ausschlussgrund
In Art. 77 Abs. 2 MWSTV sind die Ausschlussgründe für die Anwendung einer Saldosteuersatzmethode erwähnt. In der Praxis hat sich der Ausschlussgrund unter lit. e als Stolperstein erwiesen, weil in vielen Fällen dieser Ausschlussgrund erst bei einer MWST-Kontrolle aufgefallen ist.
Bei diesem Ausschlussgrund geht es darum, dass ein Steuersubjekt, welches mit der Saldosteuersatzmethode abrechnen möchte, mehr als 50% des Umsatzes aus steuerbaren Leistungen an andere steuerpflichtige nach der effektiven Methode abrechnende Unternehmungen erbringt, die unter der gleichen einheitlichen Leitung stehen.
Beispiel
Die A GmbH möchte nach der Saldosteuersatzmethode abrechnen. Sie erfüllt die in Art. 37 Abs. 1 MWSTG aufgeführten Limiten und reicht ein entsprechendes Gesuch bei der ESTV ein.
Die A GmbH erzielt 80% ihrer steuerbaren Umsätze mit der B AG. B AG ist ein bei der ESTV als mehrwertsteuerpflichtiges nach der effektiven Abrechnungsmethode abrechnendes eingetragenes Unternehmen. Franz Meier ist Inhaber der A GmbH und der B AG. Seine Situation ist in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung 1: Darstellung Ausschlussgrund
Sollte der Antrag auf die Abrechnung mit der Saldosteuersatzmethode trotzdem durch die ESTV bewilligt werden, weil die Konstellation bei der Antragserstellung nicht ersichtlich war, würde bei einer späteren MWST-Kontrolle die Bewilligung rückwirkend widerrufen, und die steuerpflichtige Person müsste die Buchhaltung wie auch die MWST-Abrechnungen nochmals unter der effektiven Methode erstellen.
Stolperstein 4: Saldosteuersatz
Die ESTV legt die anwendbaren Saldosteuersätze in der Verordnung der ESTV über die Höhe der Saldosteuersätze nach Branchen und Tätigkeiten fest. Die entsprechenden Branchen und Tätigkeiten sind alphabetisch aufgelistet und beinhalten auch Informationen zur Anwendung der Mischbranchenregelung.
Ein zusätzlicher wichtiger Hinweis findet sich in dieser Verordnung jedoch unter Art. 1 Abs. 3. Gemäss diesem Artikel gelten die aufgeführten Saldosteuersätze für Herstellungsbranchen und -tätigkeiten jedoch nur, wenn im Preis für die Leistung auch das Material eingeschlossen ist. Für Akkordarbeiten, Lohnarbeiten, Montagearbeiten und die reine Bearbeitung gelten die dafür vorgesehenen Saldosteuersätze.
Beispiel
Der selbstständige Maurer D möchte nach der Saldosteuersatzmethode abrechnen und lässt über seinen Treuhänder den Saldosteuersatz für Maurerarbeiten in der Höhe von 4,3% bei der ESTV beantragen, der auch bewilligt wird.
Bei einer MWST-Kontrolle fällt dem MWST-Revisor auf, dass die Kunden des Maurers D ausschliesslich aus Bauunternehmungen bestehen und dass im Aufwand keinerlei Materialeinkäufe verbucht sind.
Maurer D wird ausschliesslich durch Bauunternehmungen beauftragt, die ihm das entsprechende Material zur Verfügung stellen. Daher wäre der korrekte Saldosteuersatz 6,5%. Der MWST-Revisor fordert in seiner Einschätzungsmitteilung die Differenz zwischen 4,3% und 6,5% über die noch nicht verjährten Jahre nach.
Es empfiehlt sich, jeweils sehr detailliert die Tätigkeiten zu beschreiben und sich dann zu überlegen, ob der durch die ESTV vorgesehene Saldosteuersatz tatsächlich auf den Sachverhalt passt. Insbesondere Vertreter einer steuerpflichtigen Person sind angehalten, bei ihren Kunden die genaue Tätigkeit nachzufragen.
Fazit
Die Saldosteuersatzmethode vereinfacht die Handhabung der MWST, hat aber auch einige Stolpersteine, die die Steuerpflichtigen und deren Vertreter im Auge behalten und gegebenenfalls rechtzeitig reagieren müssen, indem sie beispielsweise nicht auf die Saldosteuersatzmethode oder rechtzeitig auf die effektive Abrechnungsmethode wechseln.