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Formelle MWST-Anforderungen: Aufgepasst in Deutschland und der EU

Unternehmer in der Schweiz sehen sich im Bereich der Mehrwertsteuer meist einer pragmatischen Steuerverwaltung gegenüber, die ihr Handeln eher an Sinn und Zweck einer Regelung orientiert als an rein formalistischen Vorgaben. Drei jüngere Beispiele aus der deutschen Rechtsprechung zeigen, dass die Unternehmer regelmässig auf weniger Verständnis bei formellen Fehlern hoffen dürfen, sobald sie sich (mehrwertsteuerlich) im EU-Raum bewegen. Deutschland bietet sich als starker Handelspartner für Schweizer Firmen als Beispiel an. Dabei sind insbesondere die Länder im Osten und Süden der EU keineswegs weniger streng als der unmittelbare Nachbar im Norden. Die Konsequenzen können angesichts eines durchschnittlichen Steuersatzes im EU-Raum von über 20% gravierend sein.

20.02.2024 Von: Christoph Drexl
Formelle MWST-Anforderungen

Mehrwertsteuerlich «richtige» Rechnungen und Recht auf Vorsteuerabzug

In dem ersten hier beispielhaft vorgestellten Fall (Bundesfinanzhof, Urteil vom 7.7.2022, V R 33/20) ging es um die Frage der rückwirkenden Rechnungsberichtigung. Dabei ist zu beachten, dass nach den europarechtlichen Vorgaben das Recht zum Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und in Höhe der geschuldeten Steuer entsteht – dass die Steuer auch gezahlt wurde, ist (anders als in der Schweiz) nicht massgeblich. Allerdings ist Voraussetzung für die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts der Besitz einer ordnungsgemässen Rechnung.

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung und der Rechtsprechung kann eine Rechnung nur dann rückwirkend berichtigt werden, wenn das zu berichtigende Dokument fünf wesentliche Merkmale (Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leis- tungsbeschreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer) enthält. Bei Fehlen eines dieser Elemente fehlt es demnach bereits an einer Rechnung im mehrwertsteuerlichen Sinne. Dabei war es bis anhin für die Qualifikation als Rechnung im mehrwertsteuerlichen Sinne nicht schädlich, wenn die Merkmale inhaltlich fehlerhaft waren (die Rechnung war dann zwar nicht richtig, aber stellte zumindest ein auch rückwirkend berichtigungsfähiges Rechnungsdokument dar). In dem hier entschiedenen Fall kam die leistende Partei irrtümlich zu dem Schluss, die Leistungsempfängerin sei im Ausland ansässig und die Leistung unterliege in Deutschland daher nicht der Mehrwertsteuer. Entsprechend rechnete sie mit «Umsatzsteuer 0%» ab. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte sich später heraus, dass die Leistungsempfängerin in Deutschland ansässig war und mit deutscher Umsatzsteuer hätte abgerechnet werden müssen.

Nach Ansicht des Gerichts war das Dokument aber mangels gesondert ausgewiesener Steuer so fehlerhaft, dass es keine Rechnung mehr darstellte und die Berichtigung keine Rückwirkung auf den Vorsteuerabzug hat.

Nachweis der Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung I

In einem älteren Urteil (Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.7.2015, V R 23/14) befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen, unter denen der Nachweis gelingt, dass Waren im Rahmen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung tatsächlich das Hoheitsgebiet des einen Mitgliedsstaats verlassen und in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats gelangt sind. Und wieder ging es um die Frage einer richtigen bzw. hinreichenden Ortsbestimmung.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Abnehmer dem Lieferanten bei Abholung der Ware schriftlich bestätigt: «Das Fahrzeug wird am … von mir in das Zielland Spanien verbracht.» Dies war den deutschen Finanzbehörden allerdings nicht hinreichend präzise genug, weil der konkrete (!) Bestimmungsort nicht genannt sei und nicht ohne Weiteres mit der Unternehmensanschrift des Abnehmers gleichgesetzt werden könne.

Wiederum schliesst sich der BFH der Auffassung der Verwaltung an – und versagt mithin die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung. Und wiederum betont der BFH, dass sich vorliegend die Frage nach Gutglaubensschutz nicht stellte, da es an der formellen Vollständigkeit fehle (geschützt werden könne allenfalls der gute Glaube an die inhaltliche Richtigkeit).

Nachweis der Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung II

Auch in dem letzten hier kurz vorgestellten Beispiel (BFH, Urteil vom 19.3.2015, V R 14/14) befasst sich der BFH mit den Voraussetzungen des Nachweises der Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen. Und wieder fällt die Entscheidung zuungunsten der Steuerpflichtigen aus.

Streitgegenständlich war die Frage, ob dem Kläger der Nachweis gelungen war, dass alle Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorlagen. Insbesondere ging es dabei um die Frage, ob eine Zeugenaussage als taugliches Beweismittel geeignet sei, das Vorliegen der Voraussetzungen innergemeinschaftlicher Lieferungen zum Zeitpunkt der Lieferung zu bestätigen. Die Vorinstanz verneinte dies und sah den Nachweis als nicht erbracht an.

Diese Ansicht teilt der BFH. Der Gesetzgeber habe festgestellt, dass der Nachweis durch entsprechende Buch- und Belegnachweise zu erbringen sei. Nur in krassen Ausnahmefällen, in denen der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden könne, gebiete es das Verhältnismässigkeitsprinzip, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen. Da ein solcher Ausnahmefall vorliegend nicht erkannt wurde, bestätigte der BFH die Versagung der Steuerbefreiung für die streitgegenständliche innergemeinschaftliche Lieferung.

Fazit

Die Beispiele machen deutlich, dass die deutschen Finanzbehörden (aber auch Finanzbehörden in anderen EUMitgliedsstaaten) hohe Anforderungen in Bezug auf formelle Erfordernisse an die Unternehmer stellen. Die «gute» Nachricht für die Unternehmer ist, dass sie Gegenmassnahmen ergreifen können (aber auch müssen), denn die formellen Voraussetzungen sind regelmässig klar in den entsprechenden Gesetzen vorgegeben. Es empfiehlt sich daher für Unternehmer, die im EU-Raum Handel treiben und Leistungen erbringen oder beziehen, frühzeitig interne Prozesse, Kontrollen und/oder Checklisten zu etablieren, die sicherstellen, dass z. B. Eingangsrechnungen (auch) auf formelle Richtigkeit geprüft werden und bei eigenen, allenfalls steuerbefreiten Leistungen alle erforderlichen Nachweise in der vorgeschriebenen Form vorliegen.

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