Swiss GAAP FER 30: Überarbeiteter Standard zur Konzernrechnung

Ab Juni 2017 wurde der bisherige Standard zur Konzernrechnung Swiss GAAP FER («SGF») 30 überarbeitet, aber angesichts der Komplexität der Konzernrechnung als die «Königsdisziplin des Rechnungswesens» konnte das Projekt erst Mitte 2022 abgeschlossen werden. Die nachstehenden Ausführungen beschränken sich auf die praxisrelevanten Elemente der wichtigsten Neuerungen.

04.07.2023 Von: Hermann Dünner, Emre Özdemir
Swiss GAAP FER 30

Ausgangslage

Der bisherige Standard Swiss GAAP FER 30 liess in der Praxis noch einigen Interpretationsspielraum offen, sodass sich die FER-Kommission dazu entschloss, den Standard gründlich zu überarbeiten, um ihn entsprechend zu ergänzen und zu präzisieren. Die wichtigsten Änderungen beziehen sich auf die folgenden vier Kernbereiche:

  • Goodwill (positiv oder negativ) beim Erwerb von Anteilen
  • Bewertung von Anteilen zum Eigenkapitalwert («at Equity»)
  • etappenweiser Erwerb oder Verkauf von Anteilen
  • erfolgswirksame Auflösung von Fremdwährungsdifferenzen, die historisch erfolgsneutral verbucht wurden («Recycling»)

Goodwill (positiv oder negativ) beim Erwerb von Anteilen

Für die folgenden Ausführungen wird auf die Abbildung 1 verwiesen:

  • Beim Erwerb von Anteilen übertrifft in der Regel der Kaufpreis die übernommenen Nettoaktiven der erworbenen Organisation, was aus Konzernsicht ein positiver Goodwill bedeutet.
  • Der umgekehrte (seltenere) Fall wird als negativer Goodwill bezeichnet.
  • Im Fall eines positiven (negativen) Goodwills kann der gesamte Betrag aktiviert (passiviert) werden und über eine im Voraus festgelegte Nutzungsdauer (vielfach fünf Jahre) erfolgswirksam abgeschrieben (aufgelöst) werden.
  • Alternativ dürfen die positiven oder negativen Goodwills nach Erwerb direkt mit dem Konzerneigenkapital verrechnet werden.
  • «Aufgeschoben ist nicht aufgehoben» – bei der Veräusserung, Schliessung oder Liquidation einer Organisation, für die beim historischen Erwerb ein positiver oder negativer Goodwill mit dem Eigenkapital verrechnet wurde, muss der ursprüngliche Betrag erfolgswirksam aufgelöst werden, um den vollständigen Gewinn oder Verlust aus dieser Transaktion quantifizieren zu können. Deshalb müssen auch Goodwills, die historisch verrechnet wurden, separat im Eigenkapitalnachweis offengelegt werden.

Bewertung von Anteilen zum Eigenkapitalwert («at Equity»)

  • Um eine Organisation in einem Konzern voll konsolidieren zu können (d.h. alle Bilanz und Erfolgsrechnungspositionen werden zu 100% in die Konzernrechnung übernommen), muss sie von der Mutterorganisation kontrolliert werden. Dies wird meistens der Fall sein, wenn mehr als 50% der Stimmanteile gehalten werden.
  • Wenn die Mutterorganisation über keine Kontrolle, aber dennoch über einen massgeblichen Einfluss verfügt, spricht man von einer assoziierten Organisation. In der Regel wird davon ausgegangen, wenn die Stimmanteile der Mutterorganisation zwischen 20% und 50% betragen.
  • Im Falle einer assoziierten Organisation ist Folgendes zu beachten:
    a) Es erfolgt keine Vollkonsolidierung, sondern die Anteile werden «at Equity» neu bewertet.
    b) Dazu muss idealerweise ein SGF-Abschluss der assoziierten Organisation beim Erwerb und bei der Folgekonsolidierung vorliegen, was in der Praxis (hauptsächlich bei ausländischen Organisationen) nicht immer der Fall sein dürfte.
    c) Falls b) nicht erhältlich/realisierbar ist, sollten mindestens die wesentlichsten Positionen der assoziierten Organisation den SGF-Richtlinien des Konzerns entsprechen.
    d) Falls beim Erwerb der assoziierten Organisation ein positiver oder negativer Goodwill entstanden ist, kann dieser auch wie oben beschrieben (siehe Abbildung 1) buchhalterisch behandelt werden.

Etappenweiser Kauf oder Verkauf von Anteilen

  • In der Praxis kann es häufig vorkommen, dass zunächst ein Minderheitsanteil (z.B. 49%) an eine Gesellschaft erworben wird und später die restlichen Anteile etappenweise (z.B. bis 100%) dazugekauft werden. In einem solchen Fall kann also aus einer assoziierten Organisation eine Tochterorganisation werden.
  • Umgekehrt kann auch ein etappenweiser Verkauf von Anteilen bis zum vollständigen Abstoss erfolgen.
  • Beim etappenweisen Erwerb von Anteilen ist Folgendes zu beachten:
    a) Generell muss ein positiver oder negativer Goodwill für jeden einzelnen Akquisitionsschritt separat bestimmt werden, ebenso die individuelle Nutzungsdauer eines jeden Schritts.
    b) Sobald eine Mutterorganisation bei einer akquirierten Organisation die Kontrolle erlangt, müssen die übernommenen Nettoaktiven zu aktuellen Werten quantifiziert werden; die Bewertungsdifferenzen zwischen aktuellen Werten und Buchwerten bei den bisherigen Anteilen werden erfolgsneutral über das Eigenkapital erfasst.
    c) Die in b) beschriebene Neubewertung erübrigt sich, solange es sich um etappenweise Anteilskäufe innerhalb der Kategorie der assoziierten Organisationen handelt.
    d) Wenn z.B. eine Mehrheitsanteil von 55% auf 70% erhöht bzw. der Minderheitsanteil von 45% auf 30% reduziert wird, berechnet sich der positive oder negative Goodwill als Differenz zwischen dem Erwerbspreis und dem verhältnismässigen Buchwert der Minderheiten.
    e) In einem Kaufvertrag kann eine sogenannte Earn-out-Klausel eingebaut sein, wonach eine Kaufpreisportion für Anteile erst zu einem späteren Zeitpunkt bezahlt wird, was wiederum von künftigen Ereignissen abhängig gemacht wird. Sofern der voraussichtliche Mittelabfluss schon beim Erwerb als wahrscheinlich taxiert wird, muss er initial als Teil der Anschaffungskosten behandelt werden. Bei späteren Jahresabschlüssen muss die Werthaltigkeit der bedingten Kaufpreiselemente neu beurteilt werden, was zu einer Anpassung des aktivierten oder passivierten bzw. allenfalls mit dem Eigenkapital verrechneten Goodwills führen kann.
  • Beim etappenweisen Verkauf von Anteilen sind folgende Regelungen aus Swiss GAAP FER 30 erkennbar:
    a) Für den einzelnen Anteilverkauf muss ein entsprechender erfolgswirksamer Verässerungsgewinn oder -verlust verbucht werden.
    b) Dabei muss auch der abgehende positive oder negative Goodwill berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob er historisch bilanziert oder mit dem Eigenkapital verrechnet wurde.

Erfolgswirksame Auflösung von Fremdwährungsdifferenzen, die historisch erfolgsneutral verbucht wurden («Recycling»)

  • Historisch erfolgsneutrale Buchungen innerhalb des Konzerneigenkapitals sind fallweise innerhalb von Swiss GAAP FER zulässig, um vorwiegend bei langfristigen Finanzierungen das Konzernergebnis nicht negativ zu beeinflussen.
  • Sie entstehen häufig aus den folgenden Gründen:
    a) Bei der Umrechnung von gruppeninternen Darlehen zwischen Konzernorganisationen, falls die Transaktionswährung (z.B. EUR) ungleich der Konzernwährung (z.B. CHF) ist.
    b) Im Rahmen einer Folgekonsolidierung bei der Umrechnung der Bilanz- und Erfolgsrechnungspositionen von Konzernorganisationen in Fremdwährung, wobei die Eigenkapitalpositionen nicht neu umgerechnet werden.
    c) Durch die Umrechnung mit unterschiedlichen Fremdwährungskursen für Bilanz (Stichtagskurse) und Erfolgsrechnung (Durchschnittkurse) bei Abschlüssen in fremder Währung.
  • Es sind aber innerhalb SFG Tatbestände vorgesehen, bei denen die im Eigenkapital kumulierten Fremdwährungsdifferenzen erfolgswirksam aufgelöst (sog. Recycling) werden müssen:
    a) Durch den Kontrollverlust an einer Tochterorganisation in fremder Währung (z.B. durch Reduktion der Stimmanteile von 100% auf 40%).
    b) Durch den Wegfall des massgebenden Einflusses an einer assoziierten Organisation in fremder Währung (z.B. durch Abnahme der Stimmanteile von 40% auf 15%).
    c) In den Fällen a) und b) würden nicht nur die kumulierten Fremdwährungsdifferenzen auf die Bilanzpositionen, sondern auch diejenige auf gruppeninterne Darlehen berücksichtigt werden müssen.
  • Da sich aber der Praxis solche Fremdwährungsdifferenzen innerhalb des Eigenkapitals erfahrungsgemäss über viele Jahre kumuliert haben könnten und es deshalb mitunter sehr schwierig sein dürfte, sie auf jede Tochterorganisation oder assoziierte Organisation zuzuteilen, dürfen als Erleichterung per Datum der Inkraftsetzung (siehe unten) die kumulierten Fremdwährungsdifferenzen auf null gesetzt bzw. mit den Gewinnreserven des Konzerns verrechnet werden. Der «Ticker» der kumulierten Fremdwährungsdifferenzen innerhalb des Eigenkapitals würde also ab 1. Januar 2024 wieder neu starten.

Inkraftsetzung

Der überarbeitete Standard Swiss GAAP FER 30 wird ab 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt. Die Vorjahresrechnung ist aber anzupassen («Restatement»), als ob der überarbeitete Standard Swiss GAAP FER 30 schon immer hätte angewendet werden müssen. Dabei ist eine wesentliche Erleichterung zu begrüssen, wonach kein «Restatement» von Käufen und Verkäufen von Organisationsanteilen notwendig ist, die vor dem 1. Januar 2024 abgeschlossen wurden bzw. sein werden.

Praxistipp: Die Rechnungslegungs- und Bewertungsvorschriften des Konzerns müssen entsprechend überarbeitet werden, ebenso die operativen Buchhaltungssysteme und die Konsolidierungssoftware.

Fazit

Der überarbeitete Standard Swiss GAAP FER 30 zur Konzernrechnung brauchte zwar eine lange Erarbeitungszeit, enthält aber jetzt zahlreiche wertvolle Anpassungen, die vorwiegend aus den Rückmeldungen der Praxis entstanden sind. Deshalb kann Swiss GAAP FER 30, obwohl er einer der fachlich anforderungsreichsten SGF-Standards ist, sicher als ein gelungenes Beispiel für die Herangehensweise der FER-Kommission beurteilt werden.

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