Bilanzierung der Kundenforderungen im Umlauf- oder Anlagevermögen?
Der Begriff «Umlaufvermögen» wird in Art. 959 OR präzisiert. So werden flüssige Mittel und andere Aktiven im Umlaufvermögen bilanziert, welche voraussichtlich innerhalb eines Jahres nach Bilanzstichtag oder innerhalb eines normalen Geschäftszyklus zu flüssigen Mitteln oder anderweitig realisiert werden können. Im Anlagevermögen sind alle übrigen Aktiven zu bilanzieren.
Sie stehen demnach bei der Ausarbeitung der Jahresrechnung vor der Frage, ob die Forderungen gegenüber Kunden im Umlauf- oder Anlagevermögen zu bilanzieren sind. Das nachfolgende Beispiel möge dies veranschaulichen.
Ihr Unternehmen erbrachte im Jahr 2018 verschiedene Leistungen an einen Kunden im Umfang von CHF 100.–. Sie stellten dem Kunden Mitte März 2019 die Rechnung aus. Per Ende 2019 sind diese Forderungen noch nicht bezahlt, obwohl das Zahlungsziel 60 Tage beträgt.
Wenn Sie in Ihrer Einschätzung zum Schluss kommen, dass die Forderungen sehr wahrscheinlich in den nächsten zwölf Monaten realisiert werden, ist eine Bilanzierung im Umlaufvermögen in der Position «Forderungen aus Lieferungen und Leistungen» vorzunehmen. Scheint eine Realisierung in den nächsten zwölf Monaten schwierig oder eher unsicher, wäre diese offene Kundenrechnung im Anlagevermögen in der Position «Finanzanlagen» aufzuführen. Selbstverständlich sind Ihre Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren (auch zuhanden der statutarischen Revisionsstelle).
Es ist zu empfehlen, einer korrekten Zuweisung von Kundenforderungen ins Umlaufund Anlagevermögen hohe Aufmerksamkeit beizubemessen. Oft lassen sich bereits in der Vorbereitungsphase des Jahresabschlusses mögliche Zuteilungsfragen lokalisieren.
So haben Sie etwas mehr Zeit, um die entsprechenden Konsequenzen aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten (z.B. Kontaktnahme mit dem Kunden, Zahlungsziel vereinbaren usw.). So tragen Sie dazu bei, dass die Kennzahlen korrekt berechnet sind und den Berichtsempfängern die Vermögens- und Finanzierungslage Ihres Unternehmens vollständig und korrekt dargestellt wird.
Handhabung von Verlusten bei Forderungen
Es gibt immer wieder Kunden, welche die Rechnungen nicht vollständig oder gar nicht bezahlen. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Die Kunden geraten in Zahlungsschwierigkeiten, sind nicht einverstanden mit der in Rechnung gestellten Leistung, geraten in Konkurs oder verlangen einen Nachlass auf dem Rechnungsbetrag.
Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Verlusten unterscheiden:
- endgültige Verluste
- mutmassliche Verluste
Endgültige Verluste
Während einer Rechnungsperiode stellen Sie fest, dass Kundenforderungen definitiv (teilweise) nicht mehr realisierbar sind. Die Gründe hierfür sind vielfältig: erfolglose Betreibung, (Teil-)Erlass einer Rechnung, Konkurs usw. Es tritt somit ein endgültiger Verlust ein, welcher direkt abzuschreiben ist. Dazu folgende zwei Beispiele:
- Der Kunde ist in Konkurs geraten. Für unsere Forderung von CHF 100.– liegt uns ein Verlustschein vor.
- Nach diversen Gesprächen vereinbaren Sie mit dem Kunden, dass dieser einen Rechnungsnachlass von CHF 50.– erhält.
Die dazugehörigen Buchungen finden Sie in der Tabelle unten in Buchungsfall Nr. 1 und 2.
Mutmassliche (latente) Verluste
In der Regel zeigt uns die Vergangenheit, dass nicht alle bilanzierten Kundenrechnungen bezahlt werden. Die offenen Kundenrechnungen sind gemäss Art. 960a Abs. 3 OR um Wertberichtigungen zu kürzen, welche diese Erkenntnis berücksichtig. Die Wertberichtigung kann entweder einzeln oder pauschal erfolgen.
Da es sich jedoch nur um vermutete Verluste handelt und diese nicht endgültig eingetreten sind, dürfen diese nicht direkt abgeschrieben werden. Die Wertberichtigung ist vom Gesamtbetrag der Forderungen in Abzug zu bringen und wird in der Regel in der Position «Delkredere» oder «Wertberichtigung Forderungen aus Lieferungen und Leistungen» ausgewiesen. Eine Bilanzierung auf der Passivseite der Bilanz ist unzulässig. Dazu folgendes Beispiel:
Ihr Unternehmen weist per Anfang der Berichtsperiode und per Ende der Berichtsperiode Kundenforderungen von insgesamt CHF 150.– bzw. CHF 200.– aus. Die mutmasslichen Verluste betragen pauschal 5%.
Die dazugehörigen Buchungen finden Sie in der Tabelle unten in Buchungsfall Nr. 3. und 4.
In der Erfolgsrechnung werden somit Debitorenverluste (Erlösminderung) von CHF 2.50 ausgewiesen.
Wie können mutmassliche Verluste berechnet werden? Sie können steuerliche Vorgaben heranziehen, welche pauschale Wertberichtigungen auf in- und ausländischen Kundenforderungen zulassen. Grundsätzlich ist jedoch die Festlegung einer pauschalen Wertberichtigung auf mutmasslichen Verlusten, aufgrund der Erfahrung aus Vorjahren, vorzuziehen. In jedem Fall ist zu empfehlen, dass die Bewertungsgrundlagen im Anhang zur Jahresrechnung offengelegt werden.
Nr. | Buchungsfall | Buchungen |
1 | Verlustschein | Debitorenverluste/Debitoren (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) CHF 100.– Wird der Verlustschein später eingelöst, sind die Einnahmen im ausserordentlichen, einmaligen oder periodenfremden Ertrag auszuweisen. Entsprechende Erläuterungen im Anhang zur Jahresrechnung stellen den Sachverhalt dar. |
2 | Nachlass | Debitorenverluste/Debitoren (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) CHF 50.– |
3 | Auflösung Wertberichtigung Vorperiode | Delkredere (Wertberichtigung Forderungen aus Lieferungen und Leistungen)/ Debitorenverluste CHF 7.50 |
4 | Bildung Wertberichtigung Berichtsperiode | Debitorenverluste/Delkredere (Wertberichtigung Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) CHF 10.– |