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Digitale Ablage: Chancen und Herausforderungen der digitalen Archivierung

Seit dem 1. Februar 2021 können Aktien als Registerwertrecht digital gehalten werden. Details in dieser Neuerung könnten auch für die Aufbewahrung von Buchhaltungsunterlagen interessant sein. Der neue Gesetzesartikel gibt jedoch ganz generell Anlass dazu, einen Blick auf die Entwicklungen in Sachen digitaler Ablage zu werfen.

23.04.2024 Von: Sikander von Bhicknapahari
Digitale Ablage

Aufbewahrungsart im Wandel der Zeit 

Ab 1976 enthielt das OR erste Bestimmungen, dass Buchhaltungsunterlagen nicht nur auf Papier aufbewahrt werden können, sondern auch auf Bild- und Datenträgern. Die damals modernen Speichermedien waren Magnetbänder und Mikrofilme. 

Wegen der technischen Weiterentwicklung wurde per 1. Juni 2002 eine weitere Änderung des Gesetzes notwendig, um auch die neu hinzugekommenen Speichermedien wie z. B. eine CD-ROM zu benutzen. Die neu geschaffene Geschäftsbücherverordnung (Ge- BüV) enthielt dazu u. a. Details zu technischen Anforderungen einer Ablage. Seither verlangt 

  • Art. 9 GeBüV bei digital abgelegten Daten z. B. einen Zeitstempel und eine digitale Signatur, 
  • Art. 3 GeBüV, dass keine Änderungen an Daten vorgenommen werden können, ohne dass sich dies feststellen lässt, 
  • Art. 8 GeBüV, dass Zugriffe und Zutritte aufzuzeichnen sind (dies gilt auch für ein Archiv in Papierform!).

Zulässige Ablageart gemäss GeBüV 

Betrachtet man den Art. 9 GeBüV im Detail, so lässt diese Bestimmung die Aufbewahrung auf unveränderbare und auf veränderbare Informationsträger zu.

Als unveränderbare Informationsträger werden als Beispiele Papier, Bildträger und unveränderbare Datenträger genannt. Papier dürfte für ein KU oder KMU der am einfachsten zu nutzende Informationsträger sein. Bereits bei einem unveränderbaren Datenträger wie z. B. einer CD (eine CD-RW wäre veränderbar) stellte sich jedoch die Frage, wie lange diese lesbar bleibt. Je nach Unternehmen müssen Daten länger als die allgemein genannten zehn Jahre aufbewahrt werden. Bei optierten Liegenschaften verlangt die MWST eine Aufbewahrung während 20 Jahren (plus fünf Jahre Verjährungsfrist). Will man eine Margenbesteuerung geltend machen, so ist die Aufbewahrungsdauer unbefristet, d.h. bis man den Beleg irgendwann einmal braucht. 

Bei der Aufbewahrung auf Papier benötigt es einen vor schädlichen Einwirkungen und vor Einblick durch Unberechtigte geschützten Ort, um die sich anhäufenden Papiermengen geordnet auf viele Jahre hinaus aufzubewahren. Bei z. B. Thermoquittungen stellt sich die Herausforderung, dass das Papier auch in vielen Jahren noch lesbar sein muss. Aus Kostensicht ist zu beachten, dass Archivraum nicht gratis ist. Auf veränderbaren Informationsträgern darf aufbewahrt werden, wenn durch z. B. Signaturverfahren und Zeitstempel die Integrität der gespeicherten Informationen und der Zeitpunkt der Speicherung unverfälschbar nachweisbar sind. 

Vorteil der digitalen Ablage: Es braucht bedeutend weniger Archivraum, zudem kann mittels Log-Protokoll problemlos nachvollzogen werden, wer auf ein File zugegriffen hat. 

Nachteil: die Kosten für eine gesetzeskonforme digitale Ablage. Eine digitale Signatur benötigt einen entsprechenden Vertrag mit einem Dienstleister, damit auch noch in ferner Zukunft jederzeit die Originalqualität eines Files bestätigt werden kann. Zudem benötigt es eine Infrastruktur, mit und in der die laufend anfallenden Belege in korrekter Form gespeichert werden. Statt Kosten für den Archivraum fallen nun Kosten für die Signatur und Kosten für einen sicheren digitalen Speicherort an. Bei kleineren Unternehmen werden zusätzliche Kosten für die IT-Unterstützung anfallen, damit die Anforderungen der GeBüV erfüllt werden.

Problem Art. 9 GeBüV/ Politische Vorstösse 

Die Erfahrung zeigte, dass für kleinere Unternehmen die Anforderungen des Art. 9 GeBüV eine Hemmschwelle für eine professionelle digitale Ablage bedeuten. Schnell wurde klar, dass ein Einscannen von Kreditorenrechnungen mit anschliessender Ablage in PDF-Form nicht reicht. Zwar zeigt ein File auf dem Computer ein Datum und eine Zeit an, aber diese Daten können manipuliert werden. Ohne Signaturverfahren und Zeitstempel kann der Originalcharakter eines Belegs nicht bewiesen werden. 

Mit Einführung des Art. 81 Abs. 3 MWSTG wurde festgehalten, dass der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt. Bei einer MWSTRevision könnte somit bei einem Beleg ohne korrekte Signatur trotzdem ein Vorsteuerabzug zugelassen werden. Falls im Rahmen einer MWST-Revision Zweifel an der Richtigkeit von Daten auftauchen, so gilt gemäss Art. 122 MWSTV weiterhin die GeBüV als Richtlinie.

HINWEIS: Zu beachten gilt auch, dass andere Steuergesetze keine solche Bestimmung bezüglich einer freien Beweiswürdigung kennen, eine Revision aufgrund von DBG-Vorschriften würde gemäss Art. 126 DBG eine Aufbewahrung gemäss Art. 958f OR – und damit auch nach GeBüV – als korrekt betrachten.

Die als nicht unternehmensfreundlich betrachtete Regelung führte in der Folge zu politischen Vorstössen, um die Anforderungen an eine digitale Ablage einfacher zu gestalten. 

Im Rahmen einer Motion vom 25. August 2015 und anschliessenden Interpellation wurde der Bundesrat aufgefordert, die MWSTAnforderungen an die digitale Rechnungsstellung zu reduzieren. Dieser lehnte eine Gesetzesänderung ab und verwies darauf, dass die Beweismittelfreiheit gemäss Art. 81 Abs. 3 MWSTG bereits genügend Spielraum zulasse. In einer am 27. September 2016 publizierten Praxispräzisierung titelte die ESTV: «Keine Pflicht zur digitalen Signatur». Die damals gemachten Ausführungen finden sich heute in den «Fragen & Antworten zum elektronischen Geschäftsverkehr» bei der Frage «Gibt es eine Pflicht zur digitalen Signatur?». Mit Hinweis auf diese Praxispräzisierung teilte der Bundesrat mit, dass Art. 122 ff. MWSTV entsprechend angepasst würden. Diese Anpassung trat am 1. Januar 2017 in Kraft, der Art. 9 GeBüV blieb unverändert. Im Zusammenhang mit der MWST trägt das buchführungspflichtige Unternehmen das Risiko, ob im Rahmen der Beweismittelfreiheit ein Beleg als korrekt beurteilt wird. 

In einer weiteren Motion wurde erneut eine Anpassung des Art. 9 GeBüV verlangt. «Eine digitale Signatur von Belegen oder der Einsatz ähnlicher Verfahren sollen freiwillig sein.» Der Nationalrat hat die Motion angenommen, der Ständerat lehnt diese ab. Der Bundesrat hat am 23. Februar 2022 in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass bei veränderbaren Datenträgern eine Integrität der gespeicherten Daten und der Zeitpunkt der Speicherung nachweisbar sein müssen. Danach folgt die Erläuterung, dass «der Verordnungstext ausdrücklich als Beispiel digitale Signaturverfahren und Zeitstempel » nennt. Das Verwenden von digitalen Signaturverfahren sei somit nur eine Möglichkeit, «aber keine zwingende Voraussetzung zur Erstellung von digitalen Buchführungsdaten ». Es bestehe somit gemäss GeBüV keine Pflicht zur Verwendung einer elektronischen Signatur. Eine Anpassung sei somit unnötig. 

In seinen Ausführungen nimmt der Bundesrat Bezug auf die Akzeptanz von digitalen Belegen durch die Steuerbehörden. Es gilt jedoch zu beachten, dass digitale Belege z. B. auch im Rahmen eines Editionsbegehrens in einem Zivilprozess als Beweismittel dienen können. Gemäss Art. 178 ZPO muss die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, deren Echtheit beweisen, wenn diese von der anderen Partei bestritten wird. Das Bundesgericht hat die Urkundenqualität von digitalen Aufzeichnungen bereits 1985 in einem Urteil bestätigt.

Mögliche Variante zu Zeitstempel und Signaturverfahren 

Um die Integrität von Daten auf einem veränderbaren Datenträger beweisen zu können, wird unumgänglich sein, dass eine dritte Partei zumindest technisch mitinvolviert ist. Ein Beispiel, welches der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2022 gemeint haben könnte, ist die Blockchain- Technik. Basierend auf dieser Technik kann das Recht an einem Registerwertrecht gemäss Art. 973d OR nachgewiesen werden. Nicht nur Aktien können mittels Blockchain nachverfolgt werden, auch andere Belege – wie z. B. auch Buchungsbelege – könnten nachverfolgt werden. Ziel der Gesetzgebung, mit welcher auch der Art. 973d OR in Kraft trat, ist, die «[…] Voraussetzungen weiter zu verbessern, damit die Schweiz sich als ein führender, innovativer und nachhaltiger Standort für Blockchain-/Distributed-Ledger-Technologie-(DLT-)Unternehmen weiterentwickeln kann.» 

Statt der digitalen Signatur mit Zeitstempel könnte somit auch eine Blockchain helfen, die Integrität eines Buchungsbelegs sicherzustellen. Art. 973d Abs. 2 Ziff. 2 OR verlangt jedoch, dass die Integrität eines solchen Registers geschützt ist durch «[…] angemessene technische und organisatorische Massnahmen, wie die gemeinsame Verwaltung durch mehrere voneinander unabhängige Beteiligte […]». Wie beim Zeitstempel und der digitalen Signatur muss somit auch bei einer solchen Lösung mit einem Dritten zusammengearbeitet werden.

Neue Herausforderung: Aufbewahrung von Unterlagen zur nichtfinanziellen Berichterstattung 

Ein Bericht über nichtfinanzielle Belange gibt Rechenschaft über Umweltbelange, über Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung der Korruption. Art. 964c, 964h und 964l OR verweisen mit Bezug auf die Aufbewahrung auf die Aufbewahrungspflicht für Buchhaltungsunterlagen. Diese nichtfinanzielle Berichterstattung betrifft zwar auf den ersten Blick nur grössere Unternehmen, aber bei der Dokumentation einer Lieferkette werden auch kleinere Zulieferanten Daten an ihren grossen Kunden übermitteln müssen. 

Diese Grossunternehmen müssen die entsprechenden Berichte aufbewahren, sowie auch die Belege, die Grundlage zu diesen Berichten sind. Denkbar sind z. B. 

  • Satellitenfotos, um den Zustand eines Gebiets im Umkreis einer Mine aufzuzeigen, 
  • Drohnenaufnahmen, um eine Abholzung und Wiederaufforstung zu belegen, 
  • Zertifikate, welche bestätigen, dass keine Kinderarbeit involviert ist (wobei diese je nach Korruptionsindex des jeweiligen Landes allein noch nicht aussagekräftig sein könnten), 
  • Bestätigungen von zertifizierten Händlern bei möglichen Konfliktmineralien, 
  • etc.

HINWEIS: Es geht somit nicht mehr nur um die Ablage von Buchungsbelegen. Die Anforderungen daran, was aufbewahrt wird und wie dessen Originalqualität bestätigt werden kann, geht weit darüber hinaus (RAW-Format bei Fotos, weil ein JPG bereits manipuliert sein könnte?).

Aufbewahrung von Jahresrechnung und Revisionsbericht 

Gemäss aktuellem Art. 958f Abs. 2 OR gilt: «Der Geschäftsbericht und der Revisionsbericht sind schriftlich und unterzeichnet aufzubewahren. » Die Frage stellt sich, ob hier ein Papierbeleg aufbewahrt werden muss oder ob eine digitale Ablage möglich ist. 

Die Funktion der Unterschrift ist klar: In einem Entscheid aus dem Jahr 2014 hielt das Bundesgericht betreffend der Unterschrift fest, dass damit die Richtigkeit der Angaben in der Erfolgsrechnung und in der Bilanz bestätigt wird. 

Bis zum 31. Mai 2002 galt folgende Bestimmung im OR: «Betriebsrechnung und Bilanz sind im Original aufzubewahren; die übrigen Geschäftsbücher können als Aufzeichnungen auf Bildträgern, Geschäftskorrespondenz und Buchungsbelege als Aufzeichnungen auf Bild- oder Datenträgern aufbewahrt werden, wenn die Aufzeichnungen mit den Unterlagen übereinstimmen und jederzeit lesbar gemacht werden können. Der Bundesrat kann die Voraussetzungen näher umschreiben.» 

Die von 1. Juni 2002 bis 31. Dezember 2011 gültige Formulierung lautete: «Betriebsrechnung und Bilanz sind schriftlich und unterzeichnet aufzubewahren. Die übrigen Geschäftsbücher, die Buchungsbelege und die Geschäftskorrespondenz können auch elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt werden, wenn sie jederzeit lesbar gemacht werden können.» 

Es wurde somit klar unterschieden, dass die Betriebsrechnung und Bilanz in Papierform sein muss und die übrigen Aufzeichnungen in anderer Form aufbewahrt werden können. 

Im aktuellen Recht wird in zwei verschiedenen Absätzen das behandelt, was bisher in einem Absatz formuliert wurde. 

Art. 958f Abs. 2 verlangt, dass die Jahresrechnung und der Revisionsbericht schriftlich und unterzeichnet aufbewahrt werden müssen. Absatz 3 geht danach darauf ein, dass die Geschäftsbücher und die Buchungsbelege auf Papier, elektronisch oder in vergleichbarer Weise aufbewahrt werden können. 

Erst seit 2005, d.h. nach Inkrafttreten der OR-Version ab 1. Juni 2002, hält das OR in Art. 14 Abs. 2bis fest, dass eine entsprechend zertifizierte digitale Unterschrift der handschriftlichen gleichgestellt sei. Basis dazu war das Bundesgesetz vom 19. Dezember 2003 über die elektronische Signatur. Eine Jahresrechnung oder ein Revisionsbericht könnten somit auch digital unterzeichnet sein. 

Müssen sie aber trotzdem in Papierform aufbewahrt werden? Dafür spricht die bisherige klare Unterscheidung in der Formulierung der Aufbewahrungsvorschriften der früheren Bestimmungen im OR. Dagegen spricht, dass sich die digitale Entwicklung und die Gesetzgebung dazu laufend geändert haben. In Deutschland erfolgte mit Art. 126a BGB eine Ergänzung des Gesetzes mit einem expliziten Hinweis auf die digitale Signatur. 

Im Schweizer Gesetz fehlt bis anhin eine solche Ergänzung des OR. Es fragt sich, ob die «best practice» der Revisionsunternehmen eine solche Gesetzesanpassung nicht bereits vorweggenommen hat. 

In einem Bericht der Digitalisierungskommission für die Mitglieder von EXPERTsuisse wird davon ausgegangen, dass ein «Signieren von Revisionsberichten und Vertragsdokumenten (z. B. Engagement-Letters etc.) abhängig von der Kundenakzeptanz verbreitet und nutzbar» sei. 

Somit müsste der Revisionsbericht in digitaler Form (z. B. signiertes PDF) beim Kunden vorliegen, damit die Richtigkeit des digitalen Unterschriftszertifikats und des Datums überprüft werden kann. 

Die Revisionsaufsichtsbehörde (RAB) hat seit diesem Bericht der EXPERTsuisse sicher bereits verschiedentlich die Arbeitsweise von Revisionsunternehmen geprüft. Bis heute ist kein Fall bekannt, in dem die RAB einen lediglich digital signierten Revisionsbericht, der digital an einen Kunden gesandt wurde, moniert hat. 

Analog heisst dies für den schriftlich aufzubewahrenden Geschäftsbericht, dass die Unterschriften mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur erfolgen müssen, damit der digitale Beleg den Anforderungen von Art. 9 GeBüV entspricht und die Unterzeichnenden eindeutig identifizierbar sind. 

Klare Sache vs. noch pendent 

Mit Blick auf die Ausführungen über die Änderungen im OR kann somit, bei entsprechend eingerichteter Blockchain, eine andere Lösung für den Beweis eines Dateioriginals verwendet werden. 

Offen bleibt, ob das Bundesgericht einen mit zertifizierter Signatur in Dateiform abgelegten Geschäftsbericht als OR-konform schriftlich und unterzeichnet beurteilen wird. Falls der Gesetzgeber vorher eine Anpassung wie in Deutschland vornimmt, wäre der Fall klar.

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