Modernes Leadership: Orientierung statt Machtspiel

Passende Arbeitshilfen
Führung ist mehr als Position oder Macht. Führung bedeutet, andere zu bewegen – mit Sinn, Klarheit und Haltung. Doch was macht eine wirksame Führungsperson aus? Was unterscheidet sie von Entscheidungsträger*innen, die hauptsächlich verwalten statt gestalten? In dieser Trilogie stellen wir neun Kernkompetenzen vor, die modernes Leadership auszeichnen – basierend auf Praxis, Forschung und dem Modell des Center for Creative Leadership. Diese Kompetenzen sind eine wichtige Grundlage für wirksames Führungshandeln in einer komplexen Welt:
- Sich selbst kennen und regelmässig reflektieren
- Orientierung geben und im Einklang mit dem Umfeld steuern (langfristig)
- Gemeinsame Ausrichtung und verbindliches Engagement fördern
- Teammitglieder befähigen und weiterentwickeln
- Offen und authentisch kommunizieren
- Entscheidungen treffen, die breit abgestützt sind
- Zusammenarbeit ermöglichen und stärken
- Die Widerstandsfähigkeit der Organisation erhöhen
- Netzwerke und Ökosysteme aufbauen
Im ersten Teil geht es um drei strategische Kompetenzen: Orientierung geben, gemeinsame Ausrichtung sicherstellen und die Teammitglieder befähigen und weiterentwickeln. Führung ist vor allem Beziehungs- und Steuerungsarbeit. Wer führen will, muss Orientierung geben, Vertrauen ermöglichen und Verantwortung gezielt verteilen.
Orientierung geben
Eine Führungsperson ohne Orientierung ist wie ein Kapitän ohne Kompass. Gute Führung schafft langfristige Orientierung – im Einklang mit Umfeld, Markt und Team. Leitplanken müssen hinterfragt, angepasst und konkretisiert werden können. Beispiel: Eine Firma will einen neuen Markt erschliessen. Die Strategie steht – dann wechselt der CEO. Neue Führung, neue Dynamik. Nun gilt es, das Ziel beizubehalten, aber den Weg dorthin neu zu denken. Führung bedeutet hier: Orientierung geben trotz Unsicherheit – durch Dialog, klare Prioritäten und mutige Entscheidungen. Denn nur wenn Menschen wissen, wohin es geht, können sie einen sinnvollen Beitrag leisten.
Orientierung geben heisst auch: unbequeme Wahrheiten aussprechen, Zielkonflikte benennen und lösen, die eigene Vision immer wieder überprüfen und dabei klar bleiben. Wer langfristig führen will, muss lernen, mit Spannungsfeldern zu leben.
Ausrichtung mit Substanz
Doch Orientierung allein reicht nicht – sie muss geteilt und gemeinsam gelebt werden. Ausrichtung bedeutet: Alle ziehen am gleichen Strick, mit abgestimmten Zielen, klarem Rollenverständnis und gemeinsamem Fokus. Führungspersonen schaffen das nicht durch Kontrolle, sondern durch Abstimmung, Transparenz, Beteiligung und Priorisierung. Nehmen wir ein Team, das kurzfristig zusätzliche Aufgaben übernehmen soll.
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Die Führungsperson fragt: Dienen diese Aufgaben unseren strategischen Zielen – oder stehen sie im Widerspruch dazu? Es gilt, Auswirkungen zu analysieren, Abhängigkeiten zu klären und wieder neu zu priorisieren. Ausrichtung ist ein fortlaufender Prozess, der Aufmerksamkeit und Dialog erfordert. Wer ihn pflegt, schafft Klarheit, reduziert Reibungsverluste und stärkt die Eigenverantwortung.
Ein dafür nützliches Führungsinstrument ist das «Working Agreement»: Wie arbeiten wir zusammen? Wer trägt welche Verantwortung? Wie gehen wir miteinander um? Wer entscheidet was? Wie gehen wir mit Zielkonflikten und Spannungen um? Wie priorisieren wir? Diese Fragen offen zu klären, ist Ausdruck moderner Führung – und Schlüssel für eine Zusammenarbeit, die effizient, effektiv und menschlich ist. Gute Ausrichtung zeigt sich im Alltag: wenn Entscheidungen nachvollziehbar sind, Meetings produktiv verlaufen, Zuständigkeiten klar sind. Und sie zeigt sich in der Kultur: Wo Transparenz, Vertrauen und Klarheit herrschen, steigt nicht nur die Leistungsfähigkeit – sondern auch die kollektive Widerstandsfähigkeit.
Engagement durch Verantwortung
Doch selbst das beste Zielbild und die klarste Ausrichtung nützen wenig, wenn das Engagement fehlt. Es lässt sich nicht einfordern – es entsteht dort, wo Menschen sich als wirksam und kompetent erleben. Der Schlüssel dazu: Teammitglieder befähigen und weiterentwickeln. Wer Mitarbeitende fördern, ermutigen und einbinden will, muss Verantwortung abgeben, Fehler zulassen und Vertrauen schenken.
Engagement ohne Beteiligung ist wie ein Vertrag ohne Unterschrift. Verbindlichkeit entsteht nur, wenn Mitarbeitende den Sinn ihrer Arbeit erkennen, mitgestalten können und sich als Teil eines Ganzen erleben. Dafür braucht es psychologische Sicherheit – und eine gelebte Fehlerkultur. Fehler werden einander nicht zugeschoben, sondern genutzt: als gemeinsames Erfahrungswissen, als Treiber für Innovation, als Motor für gemeinsames Wachstum. Führungspersonen müssen ihren Teams vertrauen, damit sie selbstständig Lösungen entwickeln, Entscheidungen treffen und auch scheitern dürfen. Das ist nicht immer bequem – aber genau das unterscheidet Mitarbeitende, die einfach ausführen, von Mitgestaltenden, die mitdenken, mitlenken und die Organisation voranbringen.
Ein Beispiel: Eine Führungsperson überträgt die Verantwortung für eine Prozessoptimierung an ein interdisziplinäres Team – mit Zielvorgaben, Entscheidungskompetenz und Verantwortung. Das Resultat: proaktive Lösungen, hohe Identifikation und nachhaltige Verbesserungen im Alltag. Teammitglieder zu befähigen, heisst nicht: «Alle dürfen alles.» Sondern: «Alle tragen etwas bei – mit Verantwortung, mit Rückhalt, mit Wirkung.» Es bedeutet auch, gezielt zu fördern: Potenziale zu erkennen und Menschen über sich hinauswachsen zu lassen.
Fazit: Modernes Leadership als Beziehungsarbeit
Orientierung, Ausrichtung und Engagement – diese drei Dimensionen sind eng miteinander verwoben. Die Abbildung 2 zeigt: Echte Führung entsteht dort, wo alle drei Elemente gleichzeitig wirken. Ergänzt durch «Care», also echtes Interesse am Menschen und gegenseitige Zuwendung, wird daraus ein starker und nachhaltiger Führungsansatz. Führung entsteht durch Beziehung – zur eigenen Rolle, zum Team, zur Organisation und zum Umfeld. Wer führen will, muss zuhören können, Orientierung geben, Vertrauen ermöglichen und Verantwortung teilen – gerade in Zeiten, die mehr Fragen als Antworten bieten. In Teil 2 unserer Serie geht es um die kommunikative und kulturelle Dimension: Offen und authentisch kommunizieren, Entscheidungen breit abstützen und Zusammenarbeit stärken. Denn Führung geschieht immer im Miteinander.
Sie haben Teil 2 und 3 der Trilogie verpasst?
Teil 2: Kommunikative Führung: Wo Worte Brücken bauen
Teil 3: Selbstreflexion in der Führung: Langfristig wirksam führen