Arbeitnehmende im Stundenlohn: Können sie Überstunden generieren?
Passende Arbeitshilfen
Arbeitnehmende im Stundenlohn: Wie Überstunden entstehen
Überstunden entstehen dann, wenn die geleisteten Arbeitsstunden das Vereinbarte bzw. das Übliche überschreiten, sofern diese Stunden im Interesse der Arbeitgeberin bzw. nicht gegen ihren Willen entstanden sind (entscheidend ist, dass sie für die Arbeitgeberin objektiv notwendig waren). Der Gesetzgeber drückt sich wie folgt aus: «Wird gegenüber dem zeitlichen Umfang der Arbeit, der verabredet oder üblich oder durch Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist, die Leistung von Überstundenarbeit notwendig, so ist der Arbeitnehmende dazu soweit verpflichtet, als er sie zu leisten vermag und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann.» (Art. 321c Abs. 1 OR).
Nur wenn der «zeitliche Umfang der Arbeit» vertraglich – individuell im Einzelarbeitsvertrag (z.B. «montags bis mittwochs jeweils 09:00 bis 13:00») oder generell im Normaloder Gesamtarbeitsvertrag (z.B. «Die jährliche Normalarbeitszeit beträgt 2190 Stunden.») – verabredet wurde, besteht eine klare Bezugsgrösse für das Entstehen von Überstunden.
Anders als bei den Überstunden gibt der Gesetzgeber für Überzeit (das sind die Arbeitsstunden, welche die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschreiten) eine Bezugsgrösse vor, nämlich die Woche (Art. 9 ArG), unabhängig davon, was bezüglich Arbeitszeit vertraglich vereinbart worden ist.
Besteht keine vertraglich vereinbarte Bezugsgrösse für das Entstehen von Überstunden, muss auf das «Übliche» zurückgegriffen werden. Sicher zweckdienlicher als Beobachtungen im Betrieb oder in der Branche, was als übliche Bezugsgrösse gelten kann, ist die Information, welche die Arbeitgeberin ihrem Arbeitnehmenden, sofern das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit oder für mehr als einen Monat eingegangen wurde, schriftlich zukommen lassen muss. Diese Informationspflicht umfasst nämlich auch die wöchentliche Arbeitszeit (Art. 330b Abs. 1 Bst. e OR).
In den wohl sehr seltenen Fällen, in denen auch das Übliche nicht eruiert werden kann, ist es nicht möglich, Arbeitsstunden als Überstunden auszuweisen (Urteil des Bundesgerichts 4C.256/1992 vom 16.12.1992).
Das Arbeitszeitmodell hat einen grossen Einfluss auf das Entstehen von Überstunden. Diese können beispielsweise bei einer vereinbarten Wochenarbeitszeit jeweils sonntagnachts, um 24:00 Uhr, bei einer vereinbarten Jahresarbeitszeit jedoch erst am 31. Dezember, um 24:00 Uhr, ausgewiesen werden – vorausgesetzt natürlich, dass die Daten jeweils rechtzeitig und korrekt ins System eingetragen wurden und sie die entsprechenden Prozesse erfolgreich durchlaufen haben.
Ist das Arbeitszeitmodell so flexibel, dass der Arbeitnehmende massgeblich selbst bestimmen kann, wann er arbeitet und wann er frei hat (Zeitsouveränität liegt beim Arbeitnehmenden), was bei Gleitzeitsystemen häufig der Fall ist, muss zwischen Gleitzeitstunde und Überstunde unterschieden werden, was gelegentlich nicht leichtfällt. Grundsätzlich gilt: Von der Arbeitgeberin angeordnete Mehrstunden sowie betrieblich notwendige Mehrstunden (nicht auf einen anderen Zeitpunkt verschiebbar) gelten als Überstunden; alle anderen Mehrstunden sind Gleitzeitstunden (Urteil des Bundesgerichts 4A_611/2012 vom 19.2.2013). Häufig ist in Gleitzeitreglementen vorgesehen, dass positive Gleitzeitstunden (meist über einer gewissen Grenze) jeweils Ende Kalenderjahr oder gar schon Ende Kalendermonat verfallen. Ein positiver Gleitzeitstundensaldo kann spätestens per Ende des Arbeitsverhältnisses entschädigungslos verfallen. Ist eine rechtzeitige Kompensation wegen betrieblicher Bedürfnisse oder aufgrund von Anordnungen der Arbeitgeberin nicht möglich, wandeln sich die positiven Gleitzeitstunden in Überstunden um (BGE 123 III 469, BGE 130 V 309), welche nicht verfallen, sondern (mit Zuschlag) ausbezahlt werden müssen.
Auch bei der echten bzw. unechten Arbeit auf Abruf (bei Letzterer darf der Arbeitnehmende den Einsatz ablehnen) ist der «zeitliche Umfang der Arbeit» gemäss Art. 321c Abs. 1 OR entweder vertraglich vereinbart (bei der unechten Arbeit auf Abruf häufig im Einsatzvertrag, der die Details des konkreten Einsatzes regelt), oder es gälte wieder die Übung zur Bestimmung einer Bezugsgrösse.
betreffend Überstunden (Art. 321c OR). Dementsprechend können Überstunden auch bei Arbeitnehmenden im Stundenlohn entstehen, selbst dann, wenn diese unregelmässig Teilzeit arbeiten und einzelarbeitsvertraglich keine Arbeitszeit vereinbart wurde. Dies, weil der zeitliche Umfang der Arbeit als Grenze, ab wann Arbeitsstunden als Überstunden zu qualifizieren sind, explizit nicht nur durch Abrede, sondern auch durch Übung oder durch normal- oder gesamtarbeitsvertragliche Regelungen definiert wird (Art. 321c Abs. 1 OR).
Eine Ausnahme bilden die leitenden Angestellten (mit denen eher selten ein Stundenlohn vereinbart wird), bei welchen das Bundesgericht erwogen hat (BGE 129 III 171), dass für sie das Übliche nicht als Bezugsgrösse gelten kann, da von leitenden Angestellten erwartet wird, dass sie mehr leisten als das Übliche.
Jetzt weiterlesen mit
- Unlimitierter Zugriff auf über 1100 Arbeitshilfen
- Alle kostenpflichtigen Beiträge auf weka.ch frei
- Täglich aktualisiert
- Wöchentlich neue Beiträge und Arbeitshilfen
- Exklusive Spezialangebote
- Seminargutscheine
- Einladungen für Live-Webinare