Bewerberinterviews: Eine Frage der Fragetechnik
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Bewerberinterviews: Forschung
Oft werden Forschungsergebnisse als langweilig und praxisfern erlebt. Fassen wir die wichtigsten Erkenntnisse der Forschung zusammen und übersetzen diese in unsere Alltagssprache, sind sie hilfreich und interessant. Die Forschung ist auf diesem Gebiet so umfassend, dass es schwierig ist, den Überblick zu gewinnen. Eine gute Übersicht bietet das Buch zum Thema Personalauswahl von Arnulf Weuster, der bei seinen Recherchen fast 1000 Quellen berücksichtigt hat.1
Die Erkenntnisse der Forschung zum Thema Bewerberinterviews belegen, dass Bewerbende, die über ein gutes sprachliches Ausdrucksvermögen verfügen, im Vorteil sind. Setzen sie dann noch positiv besetzte Ausdrücke wie beispielsweise «Vorteil», «Erfolg», «Fortschritt», «Verbesserung», «Herausforderung» oder «Spass an der Arbeit» ein, haben sie schon fast gewonnen. Endgültig überzeugen Bewerbende schliesslich durch angemessen intensive Körpersprache sowie Stimme und Sprechweise. Im Zentrum stehen dabei der Blickkontakt und die Hinwendung zum Interviewer. Das sind Befunde, welche uns kaum überraschen.
Täuschungen sind ganz normal
Folgende Erkenntnisse stimmen allerdings etwas nachdenklicher: Bewerbende, welche sich geschickt durch Komplimente einschmeicheln, die gleiche Meinung wie der Interviewer oder die Interviewerin vertreten – die Forschung spricht hier von «Meinungskonformität» – und eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen vorgeben, haben signifikant bessere Chancen. Untersucht wird dieses Phänomen unter dem Begriff «Eindrucksmanagement». Offenbar lassen wir uns nur zu gerne von Bewerbenden blenden, welche uns das Gefühl geben, dass sie uns ähnlich sind, also die gleichen Werte leben und Meinungen vertreten. Wir sind dann in die Ähnlichkeitsfalle getappt, welche von der Forschung als «similar-to-me bias» bezeichnet wird.
Untersucht wurden auch bewusste Täuschungen im Interview. Dabei sind oft schon Angaben im Lebenslauf geschönt oder gar frei erfunden und werden dann auch im Interview so dargestellt: Stellenbezeichnung, Verantwortung, Anzahl unterstellte Mitarbeitende, Lohn, Verlängerung der Anstellungsdauer, eine fiktive Stelle oder eine Weltreise anstelle einer Phase von Arbeitslosigkeit. Ein Beispiel gefällig? Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie wurde ein Inserat ausgeschrieben, mit dem ein Elektriker mit Erfahrung im Umgang mit einem «Sontag connector» gesucht wurde. Rund ein Drittel von 170 Bewerbern gab entsprechende Erfahrungen an, obwohl dieses Werkzeug nicht existiert.
Ein Blick hinter die Fassade werfen
Wenn wir vermeiden wollen, Bewerbende mit gutem Ausdrucksvermögen, hohen Fähigkeiten zum Eindrucksmanagement oder gar Blender oder Blenderinnen bei der Beurteilung zu bevorteilen, sind wir gefordert, genauer hinzuschauen. Wir müssen – wie es ein erfahrener Psychotherapeut und Managementberater formuliert – «hinter die Fassade schauen». Nur so können wir herausfinden, ob der Kandidat tatsächlich der stressresistente, leistungsbereite Verkaufsingenieur ist, als der er sich im Interview verkauft, oder ob die Bewerberin wirklich die gesuchte zielorientierte und teamfähige Abteilungsleiterin ist.
Doch wie können Recruiter am besten «hinter die Fassade schauen»? Grundsätzlich ist dafür ein strukturiertes Interview nötig. Die Wissenschaft ist sich heute einig, dass strukturierte Interviews gegenüber unstrukturierten Interviews eine signifikant bessere Vorhersagegenauigkeit aufweisen. Es kommt also darauf an, die Interviewsituation so zu gestalten, dass möglichst klare Beobachtungen zur Eignung möglich sind. Dabei sind drei Aspekte zentral:
- anforderungsbezogene Gestaltung
- Einbezug von Verhaltensdreieckfragen und Simulationsfragen
- standardisiertes Vorgehen
Anforderungsbezogene Gestaltung
Ein Interview ist immer spezifisch auf die konkrete Stelle ausgerichtet. Es werden die für die optimale Erfüllung der Aufgaben zentralen Aspekte herausgearbeitet und im Anforderungs- bzw. Kompetenzprofil abgebildet. Während ein Autoverkäufer beispielsweise über Verkaufskompetenzen, Überzeugungsfähigkeit und Menschenkenntnis verfügen muss, stehen bei einer Chemielaborantin unter anderem Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Konzentration im Fokus. Eine Marketingexpertin benötigt Eigeninitiative, Innovation und Kreativität, während ein kreativer Buchhalter vermutlich ein ziemliches Chaos anrichtet.
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