
Vertragsfreiheit: Verletzung der inhaltlichen Schranken und Gültigkeit der Vertragsstörung

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Das Obligationenrecht geht vom Grundprinzip aus, dass der Inhalt des Vertrages innerhalb der Schranken des Gesetzes von den Parteien beliebig festgesetzt werden kann. Diese Grundregel wird insofern eingeschränkt, als ein Vertrag nichtig ist, wenn er einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst. Eine weitere Schranke der Vertragsfreiheit ergibt sich aus Art. 27 ZGB, wonach sich niemand seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken kann.
Während Art. 20 OR den Schutz vor rechtswidrigen und sittenwidrigen Verträgen vorsieht, geht der Persönlichkeitsschutz nach Art. 27 ZGB davon aus, dass eine vertragliche Bindung nicht rechtlichen Bestand haben darf, wenn ein Bereich, der bindungsfrei bleiben soll, betroffen ist. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden: Entweder betrifft der Vertrag einen Bereich, in dem jegliche Entäusserung der Freiheit unzulässig ist, oder die vertragliche Freiheitsbeschränkung erreicht ein Ausmass, welches einen ‹das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grad› erreicht.
Vertragsfreiheit und zwingendes Recht
Das Prinzip der Vertragsfreiheit, das unter anderem die inhaltliche freie Gestaltung der Verträge und die Freiheit, den Vertragspartner auszuwählen, vorsieht, wird zunächst eingeschränkt durch zwingende Gesetzesvorschriften, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz festlegen, z.B. Vorschriften über Abzahlung, Miete und Bürgschaften.
Ob eine Vorschrift zwingenden Charakter hat, wird im Gesetz nicht immer ausdrücklich geregelt. Der zwingende Charakter kann sich auch durch einen festen Sprachgebrauch andeuten oder aus der Sachlogik heraus gefolgert werden. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass es Normen gibt, die aufgrund der Interessenlage bloss einseitig zwingend sind. Das bedeutet, dass der Vertrag zugunsten der einen - nicht jedoch der anderen - Partei von der gesetzlichen Regelung abweichen kann.
Unmöglichkeit des Vertragsinhaltes
Ein Vertrag mit einem unmöglichen Inhalt ist nach Art. 20 OR nichtig. Der rechtspolitische Sinn der Regelung liegt darin, dass die Rechtsordnung vernünftigerweise niemandem etwas abverlangen kann, wozu dieser objektiv unmöglich in der Lage ist. Als Voraussetzung gilt, dass die versprochene Leistung aus objektiven Gründen und von niemandem erbracht werden kann.
Bundesgerichtsurteil 4A_22/2024 vom 20. März 2024
Nach diesem Urteil bedeutet die in Art. 20 OR vorausgesetzte objektive Unmöglichkeit, dass die Leistung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik von einem beliebigen Schuldner nicht erbracht werden kann. Ob die vereinbarte Leistung in einer gegebenen Situation aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen im Sinne von Art. 20 OR unmöglich erbracht werden kann, ist eine Rechtsfrage. Die Feststellungen über die konkreten Sachumstände, aus denen sich die Unmöglichkeit ergibt, sind demgegenüber Tatfragen. Die in Art. 20 Abs. 1 OR angeordnete Rechtsfolge der Nichtigkeit bedeutet, dass der Vertrag ex tunc keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen entfaltet. Die Unwirksamkeit ist von Amtes wegen zu beachten.
Von der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit des Vertragsinhalts (Art. 20 OR) ist der Fall zu unterscheiden, dass der Schuldner die vereinbarte Leistung zwar erbringt, seine Hauptleistungspflicht aber nicht vertragskonform erfüllt. Der Mangel kann sowohl rechtlicher als auch tatsächlicher Natur sein. Diese Fälle der Schlechtleistung unterstehen Art. 97 Abs. 1 OR: Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht gehörig bewirkt werden, so hat der Schuldner für den daraus entstehenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. Die Norm erfasst alle Formen der vom Schuldner zu verantwortenden Unmöglichkeit der Erfüllung und der Schlechterfüllung eines Vertrages. Jeder vorwerfbare Verstoss gegen eine vertragliche Verpflichtung bildet demnach eine nicht gehörige Erfüllung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OR.
Weitere Beispiele
Verkauf eines Gegenstandes, der vorher zerstört wurde oder den es gar nie gegeben hat
- Vertrag über eine Wochenendreise auf den Jupiter
- Verkauf einer Sache an deren Eigentümer
- Durchführung eines Konzertes am 30. Februar
- Einbau einer Maschine in ein nicht existierendes Lagerhaus
Wichtig: Keine Leistungsunmöglichkeit liegt vor, wenn die Qualität einer Sache nicht der Vereinbarung entspricht oder wenn die Leistungsunmöglichkeit nur im Zeitpunkt des Vertragsschlusses besteht, aber bis zum vereinbarten Zeitpunkt die Erfüllung trotzdem zu organisieren ist, z.B. Bestellung von Waren, die noch hergestellt werden müssen.
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