Unsere Webseite nutzt Cookies und weitere Technologien, um die Benutzerfreundlichkeit für Sie zu verbessern und die Leistung der Webseite und unserer Werbemassnahmen zu messen. Weitere Informationen und Optionen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ok

SIA-Norm 118: Eine Zusammenfassung

Das Werkvertragsrecht ist im schweizerischen Obligationenrecht geregelt (Art. 363 ff. OR), wird in der Praxis indessen wesentlich durch die SIA-Norm 118 «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten» beeinflusst. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt es sich im Folgenden, einige Aspekte der SIA-Norm 118 etwas näher zu betrachten.

01.02.2023 Von: Carlo Peer
SIA-Norm 118

Anwendungsbereich

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die SIA-Norm 118 nur dann Anwendung findet, wenn die Vertragsparteien ihre Übernahme ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben. Für gewöhnlich wird im Werkvertrag (Vertragsurkunde) oder in Beilagen zum Vertrag (AGB, Leistungsverzeichnis, Baubeschrieb) auf die SIA-Norm 118 verwiesen, wodurch sie zum Vertragsbestandteil wird. Die SIA-Norm 118 kann indessen auch dann Geltung erlangen, wenn sie Bestandteil der Submissionsunterlagen oder der Offerte ist und diese Unterlagen ohne Vorbehalt in den Vertrag integriert werden. Der vorliegende Beitrag ist auf Konstellationen anwendbar, bei denen die SIA-Norm 118 in den Vertrag übernommen wurde und deshalb verbindlich ist.

Gemäss der Präambel der SIA-Norm 118 enthält die Norm Regeln betreffend Abschluss, Inhalt und Abwicklung von Verträgen über Bauarbeiten. Bei Verträgen über Bauarbeiten handelt es sich um Bauwerkverträge: Ein Bauunternehmer verpflichtet sich zur entgeltlichen Ausführung von Bauarbeiten und zur Herstellung eines Bauwerks. Bauunternehmer ist diejenige Vertragspartei, deren Leistungen in Bauarbeiten bestehen (Herstellung eines Werks). Der Bauunternehmer ist mangels anderer Vereinbarung zusätzlich verpflichtet, die zur Herstellung des Werks erforderlichen Materialien bereitzustellen. Von den projektierenden Arbeiten des Architekten und Ingenieurs unterscheidet sich die Bauarbeit des Bauunternehmers grundsätzlich dahingehend, dass ein Bauwerk körperlich hergestellt wird, welches mit Grund und Boden dauerhaft verbunden ist. Diese Begriffsumschreibung erhellt, dass die SIA-Norm 118 auf Bauwerkverträge anwendbar ist, unabhängig davon, ob:

  • der Bauunternehmer die Leistung gewerbsmässig erbringt;
  • der Bauunternehmer ein Einzel-, General- oder Totalunternehmer ist;
  • das vom Bauunternehmer geschuldete Werk eine Hoch- oder Tiefbaute darstellt;
  • der Bauunternehmer ein ganzes Bauwerk herzustellen hat oder nur einzelne Gewerke, indem sich seine Leistungspflicht beispielsweise auf die Ausführung von Maurer-, Gipser-, Maler- oder Installationsarbeiten beschränkt;
  • das vom Bauunternehmer geschuldete Werk im Ergebnis in der Herstellung eines «neuen Werks» oder in der Ausführung von Ausbesserungs-, Umbau- oder Rückbauarbeiten etc. besteht;
  • der Bauunternehmer das für die Bauarbeiten erforderliche Material selbst bereitzustellen hat oder das Material vom Bauherrn zur Verfügung gestellt wird;
  • der Vertragspartner des Bauunternehmers ein privater oder ein öffentlicher Bauherr ist.

Zu beachten ist, dass die SIA-Norm 118 nicht unbesehen für alle Verträge, die im Zusammenhang mit Bauprojekten abgeschlossen werden, übernommen werden kann: Gerade der Planervertrag mit einem Architekten oder einem Ingenieur, durch den der Bauherr eine oder mehrere Personen mit der Projektierung des Bauvorhabens betraut und/oder als Bauleitung einsetzt, wird in der SIA-Norm 118 nicht geregelt. Auf Planerverträge zugeschnitten sind die Leistungs- und Honorarordnungen (LHO) des SIA. Obschon die SIA-Norm 118 grundsätzlich für alle Erscheinungsformen des Bauwerkvertrags gedacht ist, passt die Norm auf einzelne Bauwerkverträge besser als auf andere. So geht die Norm eher von einer klassischen Arbeitsteilung zwischen Bauherr und Bauunternehmer aus, kann indessen auch für Bauwerkverträge mit General- oder Totalunternehmern herangezogen werden.

Parteien

Die Parteien des Bauwerkvertrags werden in der SIA-Norm 118 als «Bauherr» und «Unternehmer» bezeichnet. Der Bauherr ist Besteller des Werks. Gerade bei grösseren Bauvorhaben setzt er eine Bauleitung ein. Sie ist Vertreterin des Bauherrn und keine Partei des Bauwerkvertrags, welcher lediglich zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer abgeschlossen wird. Der Unternehmer stellt das Werk her. Dabei kann er die geschuldeten Bauarbeiten auf einen oder mehrere Subunternehmer (Maler, Spengler, Schreiner) übertragen.

Die SIA-Norm 118 befasst sich inhaltlich einerseits mit Bestimmungen, die den Vertragsabschluss regeln (Abschlussbestimmungen) und andererseits mit Bestimmungen, die den Vertragsinhalt konkretisieren (Inhaltsbestimmungen). Diese zwei Arten von Bestimmungen werden nachfolgend in der gebotenen Kürze angeschnitten.

Abschlussbestimmungen

Die Abschlussbestimmungen der SIA-Norm 118 regeln das Zustandekommen des Bauwerkvertrags. Wie auch andere Verträge können Bauwerkverträge schriftlich, mündlich oder durch konkludentes Verhalten abgeschlossen werden. Daraus ergibt sich, dass auch Bauwerkverträge nach der SIA-Norm 118 keiner besonderen Form bedürfen. Für grössere Bauvorhaben empfiehlt die SIA-Norm 118 die Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens, schreibt dieses aber nicht vor. Dennoch geht die Norm in der Folge davon aus, dass eine Ausschreibung des Bauvorhabens erfolgt und regelt im Zusammenhang mit dem Ausschreibungsverfahren u.a. folgende Fragen:

  • Welcher Vertragspartei obliegt die Prüfung des vom Bauherrn angewiesenen Baugrunds?
  • Was gilt, wenn sich verschiedene Ausschreibungsunterlagen inhaltlich widersprechen?
  • Wann wird ein Bauwerkvertrag abgeschlossen?

Beachte: Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung kommt der Bauwerkvertrag nicht erst dann zustande, wenn die sogenannte Vertragsmappe mit allen Vertragsbestandteilen zusammengestellt und die zugehörige Vertragsurkunde unterzeichnet wird, sondern vielmehr bereits in jenem Zeitpunkt, in dem der Bauherr das Angebot eines Unternehmers rechtsgültig und fristgerecht annimmt.

Inhaltsbestimmungen

Die Inhaltsbestimmungen der SIA-Norm 118 sind vorformulierte Vertragsbestimmungen, die den Inhalt des (Bauwerk) Vertragsverhältnisses umschreiben, indem sie festlegen, was zwischen den Parteien nach Abschluss des Bauwerkvertrags gilt. Die Inhaltsbestimmungen enthalten insbesondere die Vertragspflichten der Parteien. Die Leistungspflicht des Bauunternehmers besteht darin, die dem Bauherrn geschuldeten Bauarbeiten auszuführen und das Werk herzustellen; sei es mit oder ohne zur Verfügung gestelltes Material. Der Bauunternehmer hat die übernommenen Bauarbeiten rechtzeitig auszuführen. Er ist insbesondere verpflichtet, die vertraglichen Fristen einzuhalten. Das Bauprogramm gibt ihm dabei Auskunft über den zeitlichen Fortschritt der Bauarbeiten innerhalb der vertraglichen Fristen.

Der Bauunternehmer schuldet nicht irgendein Werk, sondern das vereinbarte Werk, und zwar mängelfrei. Weist ein Werk einen Mangel auf, indem es vom vertraglich Vereinbarten abweicht, so stellt sich die Frage der Mängelhaftung, die in der SIA-Norm 118 ausführlich geregelt ist. Für die Mängelrechte des Bauherrn gilt eine einheitliche Verjährungsfrist von fünf Jahren (seit Abnahme des Werks). Von der Verjährungsfrist unterscheidet die SIA-Norm 118 die Rügefrist. Diese beginnt mit dem Tag der Abnahme zu laufen und bezeichnet die zeitliche Dauer, während welcher der Bauherr Mängel aller Art jederzeit rügen kann. Diese Rügen können nach der Norm während zwei Jahren ab Abnahme des Werks erhoben werden. In diesem Zusammenhang haben sich in der Praxis die Ausdrücke Garantiefrist und Garantieabnahme eingebürgert, die indessen wenig geeignet sind, weil es nicht um Garantien, sondern einzig um die zweijährige Rügefrist geht.

Der Bauunternehmer arbeitet gegen Entgelt. Da die Vergütungspflicht zum wesentlichen Vertragsinhalt gehört, befasst sich die SIA-Norm 118 ausführlich mit der Vergütung des Unternehmers. In Bezug auf den Werkpreis stellen sich besonders zwei Fragen: Erstens die Frage nach seiner Bemessung und zweitens die Frage nach der Abrechnung. Zur Frage der Bemessung ist festzuhalten, dass sich diese entweder nach festen Preisen oder nach Aufwand richtet. Beim Festpreis unterscheidet die SIA-Norm 118 zwischen Einheits-, Global- und Pauschalpreisen. Der Einheitspreis bestimmt die Vergütung für eine einzelne Leistung, die im Leistungsverzeichnis als separate Position vorgesehen ist. Der Einheitspreis wird je Mengeneinheit festgesetzt, so dass sich die Vergütung nach der festgestellten (tatsächlich ausgeführten oder plangemäss festgestellten) Menge ergibt. Demgegenüber besteht sowohl der Global- wie auch der Pauschalpreis in einem zum Voraus genau bestimmten Geldbetrag, wobei der Pauschalpreis im Unterschied zum Globalpreis nicht der Teuerungsabrechnung untersteht. Die SIA-Norm 118 sieht ein ganzes Abrechnungssystem vor, das verschiedene Einzelabrechnungen umfasst. So wird etwa unterschieden zwischen Regierechnungen, Teuerungsabrechnungen und Schlussabrechnung.

Newsletter W+ abonnieren